AOK NordWest
Hormone für die Frau
Veröffentlicht am:13.02.2025
5 Minuten Lesedauer
Hormon-Präparate werden schon lange zur Verhütung oder bei Beschwerden in den Wechseljahren angeboten. Die Beratungsapothekarin Dr. Andrea Wienecke spricht über die Anwendung und Risiken.

© iStock / Vertigo3d
Wie zuverlässig ist die verhütende Wirkung der Anti-Baby-Pille?
Dr. Andrea Wienecke: Sie ist sehr wirksam. Der Pearl-Index* von Östrogen-Gestagen-Kombinationen liegt unter 1. Das heißt: Von hundert Frauen, die die Pille nehmen, wird kaum eine Frau ungewollt schwanger. Die korrekte Einnahme vorausgesetzt.
* Der Pearl-Index zeigt an, wie hoch der Anteil sexuell aktiver Frauen ist, die bei einer bestimmten Methode innerhalb eines Jahres schwanger werden. Je niedriger der Pearl-Index ist, desto sicherer ist die Methode.
Welche Fehler könnten bei der Einnahme auftreten?
Dr. Andrea Wienecke: Die Wirkung der Pille ist nicht gewährleistet, wenn Frauen die Pille nicht regelmäßig und rechtzeitig einnehmen. Neben Vergesslichkeit kann Unkenntnis eine Rolle spielen: Einige Antibiotika, Antiepileptika sowie Johanniskraut können die Verhütung gefährden. Bei Erbrechen oder Durchfall sollte man sich grundsätzlich nicht allein auf die Pille verlassen, sondern zusätzliche Verhütungsmittel nutzen, zum Beispiel das Kondom. Es hat einen Pearl-Index von 2 bis 12 und schützt zusätzlich auch vor Geschlechtskrankheiten.
Bei welcher Pille muss der 24-Stunden-Abstand bei der Einnahme besonders genau eingehalten werden?
Dr. Andrea Wienecke: Das betrifft die östrogenfreie Minipille. Wenn diese drei Stunden später eingenommen wird, kann die Wirksamkeit reduziert sein. Die Minipille ist auch in der Stillzeit einsetzbar.
Gibt es für Frauen, die mit der Pillen-Einnahme nicht klarkommen, andere hormonelle Verhütungsmittel?
Dr. Andrea Wienecke: Ja, dazu zählen der hormonhaltige Vaginalring und die Hormonspirale – nicht zu verwechseln mit der Kupferspirale, die keine Hormone enthält. Außerdem gibt es zum Beispiel Verhütungsstäbchen, die der Arzt oder die Ärztin in den Oberarm der Frau implantiert. Dort kann das Stäbchen drei Jahre verbleiben. Es wirkt ebenfalls sehr zuverlässig. Des Weiteren werden Dreimonatsspritzen angeboten, die aber auch mit Risiken verbunden sind.
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Welche Risiken sind das bei Dreimonatsspritzen?
Dr. Andrea Wienecke: Vorsicht ist geboten, wenn der enthaltene Wirkstoff Medroxyprogesteronacetat in erhöhter Dosis, mit 100 oder mehr Milligramm, über mehrere Jahre injiziert wird. Denn dann besteht ein erhöhtes Risiko für die Entwick lung eines meist gutartigen Hirntumors. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat im Oktober 2024 davor gewarnt.
Und wie groß ist die Thrombosegefahr der Pille?
Dr. Andrea Wienecke: Das kommt darauf an, welche Östrogene und Gestagene enthalten sind. Bei kombinierten Pillen sollte möglichst auf ein Gestagen der niedrigsten Risikoklasse, Risikoklasse 1, zurückgegriffen werden, also vorrangig auf Levonorgestrel. Dieser Wirkstoff weist ein geringeres Thromboserisiko auf als Gestagene höherer Risikoklassen. Dazu zählen vor allem die Gestagene Drospirenon, Desogestrel, Gestoden und Dienogest. Diese sind in vielen neueren Präparaten enthalten und werden leider noch viel zu oft verschrieben.
Wie oft werden Pillen mit höherer Risikoklasse verschrieben?
Dr. Andrea Wienecke: Seltener als früher, aber immer noch zu häufig, auch in Westfalen-Lippe. So hat das Wissenschaftliche Institut der AOK bei Frauen unter 22 Jahre festgestellt: 50 Prozent der Verordnungen entfielen 2023 auf Pillen mit höherem Risiko für Thrombosen und Embolien. Neun Jahre vorher waren es noch 65 Prozent. Das Thromboserisiko solcher Präparate ist im ersten Jahr der Einnahme am höchsten.
Wie hoch ist das Risiko für eine Thrombose in Zahlen?
Dr. Andrea Wienecke: Von 10.000 Frauen, die eine Pille der Risikoklasse 1 einnehmen, erleiden im Jahr fünf bis sieben Frauen eine Thrombose. Bei höheren Risikoklassen sind es bis zu zwölf. Zum Vergleich: Von 10.000 Frauen, die keine Pille nehmen, bekommen im Jahr zwei eine Thrombose. Das persönliche Thromboserisiko besprechen Frauen am besten mit ihrem Gynäkologen oder ihrer Gynäkologin. Zumal es noch andere Risikofaktoren gibt, wie zum Beispiel Rauchen, Übergewicht, Bewegungsmangel und höheres Alter. Ein gesunder Lebensstil senkt das Risiko.
„Kombinierte Pillen mit Risikoklasse 1 haben das geringste Thromboserisiko.“
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Dr. Andrea Wienecke
Beratungs-Apothekerin bei der AOK NordWest
Welche Symptome treten bei einer Thrombose auf?
Dr. Andrea Wienecke: Eine Thrombose im Bein führt dort zu starken Schmerzen oder Schwellungen sowie einem ungewohnten Spannungs- oder Schweregefühl. Die Haut glänzt oder ist bläulich-rot verfärbt. Tritt das Blutgerinnsel im Atemtrakt auf, spricht man von einer Lungenembolie. Plötzliche Atemnot, Brustschmerz, Herzrasen und unerklärlicher Husten sind typische Anzeichen. Kommt es zu den genannten Symptomen, ist eine schnelle ärztliche Hilfe erforderlich.
Nicht zuletzt wegen des Thromboserisikos der Pille verhüten immer mehr Frauen mithilfe alternativer Methoden. Aber später werden Hormone oft doch wieder Thema.
Dr. Andrea Wienecke: Genau, und zwar in den Wechseljahren. Es ist die Zeit der hormonellen Veränderung. Die Eierstöcke produzieren weniger Sexualhormone und stellen weniger befruchtungsfähige Eier bereit. Ein Drittel der Frauen kommt gut durch diese Zeit, ein Drittel hat mittlere Beschwerden, ein Drittel schwere. Manche leiden so sehr unter Hitzewallungen, Schlafstörungen oder Stimmungsschwankungen, dass sie sich den Anforderungen des Alltags nicht mehr gewachsen fühlen.
Hormontherapie und gut ist?
Dr. Andrea Wienecke: Die Bereitschaft, kombinierte Hormonpräparate zu verschreiben und einzunehmen, war früher weitverbreitet. Viele Frauen haben die Hormone über Tabletten oder Pflaster jahrelang zu sich genommen. Oft auch bei nur leichten Beschwerden oder mit dem Ziel, so Knochenschwund und Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen zu können. 2002 sorgte aber die „Women’s Health Initiative“-Studie (WHI-Studie) für Aufsehen und einen Kurswechsel.
Was hat die WHI-Studie ergeben?
Dr. Andrea Wienecke: Das Forschungsteam stellte fest, dass unter der Einnahme kombinierter Hormone das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Brustkrebs steigt. Seither sind die entsprechenden Verordnungen massiv zurückgegangen. Bei der AOK NordWest haben wir bei den Östrogen-Gestagen-Kombinationen bis 2023 einen Rückgang von circa 90 Prozent beobachtet.
Welche Empfehlungen gelten heute?
Dr. Andrea Wienecke: Die aktuelle medizinische Leitlinie empfiehlt die symptomorientierte Hormontherapie. Hierfür sollte mit der Ärztin oder dem Arzt geklärt werden, ob die Hormontherapie angesichts starker Beschwerden sinnvoll ist. Und zwar unter Berücksichtigung aller Risikofaktoren, wie zum Beispiel bestehender Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Gegebenenfalls sollte die Behandlung vor dem 60. Lebensjahr beginnen. Das Risiko für Brustkrebs steigt nach drei bis fünf Jahren der Einnahme. Für Frauen, die an einem hormonabhängigen Brustkrebs er krankt waren, ist die Hormontherapie nicht geeignet.
Welche Beschwerden lindert die Hormontherapie?
Dr. Andrea Wienecke: Vor allem Hitzewallungen und Schweißausbrüche. Über die Haut aufgetragene Gele haben ein geringeres Thromboserisiko als Tabletten. Dennoch: Hormone sind keine Lifestyle-Produkte, sondern Medikamente mit Wirkung und Nebenwirkung.
Was hilft ansonsten?
Dr. Andrea Wienecke: Östrogenhaltige Salben können Scheidentrockenheit und Harnwegsbeschwerden lindern. Speziell bei vorhandener Harninkontinenz sollte die vaginale Therapie erwogen werden. Traubensilberkerze zeigt einen Nutzen gegen Hitzewallungen, und zwar als zugelassenes Arzneimittel, aber nicht als Nahrungsergänzungsmittel. Johanniskraut soll gegen Stimmungsschwankungen wirken. Allerdings reagiert es mit anderen Arzneimitteln, weswegen ärztlicher Rat vor der Einnahme erforderlich ist. Infos zu Wechselwirkungen gibt es auch in Apotheken. Letztlich lohnen Entspannungsübungen und Methoden zur Stressbewältigung immer, auch für guten Schlaf.
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