AOK NordWest
Kraft aus der Sonne
Veröffentlicht am:01.09.2023
3 Minuten Lesedauer
Nicht nur Kalzium und Bewegung sind für starke Knochen wichtig, sondern auch Vitamin D und Licht. AOK-Beratungsapothekerin Kristina Alberts klärt auf.
Kaum auf der Welt, bekommen Säuglinge schon Vitamin D – warum?
Kristina Alberts: Der Körper kann den Großteil des Vitamin-D-Bedarfs selbst decken, allerdings braucht er dafür Sonnenlicht. Andererseits sollten Eltern ihr Baby ja nicht der direkten Strahlung aussetzen, weil die zarte Haut schnell verbrennt und später möglicherweise Hautkrebs entsteht. Deshalb gilt: Hautschutz muss sein. Und damit die Kleinen über genug Vitamin D verfügen, gibt es verordnungsfähige Medikamente mit 400 bis 500 Internationalen Einheiten pro Tropfen oder Tablette.
Ab wann und wie lange?
Kristina Alberts: Die Dosis ist täglich ab der zweiten Lebenswoche zu geben, ein Jahr lang, ob gestillt oder nicht. Im zweiten Lebensjahr empfiehlt sich die Gabe noch in den Wintermonaten. Praktische Tipps zur Einnahme erhalten Eltern in der Kinderarztpraxis oder in der Apotheke.
Übernimmt die AOK die Kosten dafür?
Kristina Alberts: Ja, diese ärztlich verordneten Vitamin-D-Präparate sind für Kinder zuzahlungsfrei.
Was bewirkt das Vitamin im Körper?
Kristina Alberts: Es sorgt vor allem für stabile Knochen, denn Vitamin D transportiert wichtige Mineralstoffe vom Darm ins Knochengerüst: Kalzium und Phosphat. Fehlen diese Bausteine, erkranken Kinder an Rachitis. Bei dieser Krankheit sind die Knochen so weich, dass sie sich bleibend verformen, besonders im Bereich der Wirbelsäule, des Brustkorbs und der Beine. So wie es im 19. Jahrhundert in England an Kindern zu beobachten war, die im Bergbau arbeiten mussten, selten an die Sonne kamen und zu wenig Vitamin D bilden konnten.
Kein Problem für Kinder von heute?
Kristina Alberts: Sie können raus an die Sonne und Vitamin D bilden, aber wie häufig sind Mädchen und Jungs tatsächlich draußen? Schule, Hausaufgaben, PC – die Kids verbringen viel Zeit in Innenräumen. Das Robert Koch-Institut berichtet immerhin davon, dass 33 Prozent der Kinder und Jugendlichen anscheinend keine optimale Vitamin-D-Versorgung aufweisen. Mit möglichen Folgen für die Knochengesundheit. Für weitere 12,5 Prozent dieser Altersklasse wurden sogar Serumwerte von unter 30 nmol/l (entspricht 12 ng/ml) ermittelt.
Und die Knochen nehmen den Mangel krumm?
Kristina Alberts: Derart niedrige Werte führen auf Dauer zu einem erhöhten Risiko für Knochenerweichung und spätere Osteoporose, also Knochenschwund und -brüchigkeit. Bei Erwachsenen ist die Lage übrigens nicht besser.
Alleskönner?
Vitamin D unterstützt das Immunsystem, kann aber nicht Covid 19 abwehren.
Was empfehlen Sie?
Kristina Alberts: Vorbeugen! Kinder, Jugendliche und Erwachsene sollten zwischen März und Oktober möglichst zwei- bis dreimal pro Woche Gesicht, Hände und Arme unbedeckt der Sonne aussetzen. Aber nur für die Hälfte der Zeit, in der ungeschützt ein Sonnenbrand entstehen würde. Die Dauer hängt natürlich vom Hauttyp und Monat ab. Wer zum Beispiel helle Haut hat, braucht bei strahlend blauem Himmel (UV-Index von 7) nur etwa 12 Minuten Sonne zu tanken, um genügend Vitamin D zu bilden.
Welchen Beitrag kann die Ernährung leisten?
Kristina Alberts: Hering, Lachs und Makrele sowie Pilze und Eier sind reich an Vitamin D. Insgesamt trägt die Nahrung aber nur zu etwa 20 Prozent der Versorgung bei.
Was halten Sie von Vitamin-D-Tabletten aus der Drogerie?
Kristina Alberts: Ich wäre da grundsätzlich vorsichtig, denn für Vitamin D in Nahrungsergänzungsmitteln gibt es keine Höchstgrenzen. Und Überdosierungen können wiederum unnötige Beschwerden verursachen: von Übelkeit bis Herzrhythmusstörungen. Für Arzneimittel aus Apotheken gelten hingegen genaue Vorgaben und strenge Kontrollen.
„Wer zum Beispiel helle Haut hat, braucht bei strahlend blauem Himmel nur etwa 12 Minuten Sonne zu tanken, um genügend Vitamin D zu bilden.“
Kristina Alberts
Beratungsapothekerin bei der AOK NordWest
Wer hat ein erhöhtes Risiko für einen Mangel?
Kristina Alberts: Abgesehen von Säuglingen wie gesagt alle, die sich wenig im Freien aufhalten, so auch viele Pflegebedürftige. Oder Menschen, die ihre Haut aus religiösen oder kulturellen Gründen verhüllen. Außerdem gibt es bestimmte Krankheiten und Medikamente, die einen Vitamin-D-Mangel auslösen können: einerseits chronische Magen-Darm-Krankheiten, Leber- und Nierenerkrankungen, andererseits die Einnahme von Antiepileptika oder Zytostatika. Wenn ärztlicherseits ein begründeter Verdacht auf Vitamin-D-Mangel besteht, kann eine Blutuntersuchung auf Kosten der AOK erfolgen.
Sind ältere Menschen auch stärker gefährdet?
Kristina Alberts: Es kann sein, dass die Eigenproduktion im Alter etwas nachlässt. Wenn Seniorinnen und Senioren außerdem wenig Nahrung aufnehmen und keinen fetten Seefisch essen, dürfte das Risiko für Vitamin-D-Mangel und Osteoporose steigen.
Wie häufig tritt Osteoporose in Deutschland auf?
Kristina Alberts: Betroffen sind etwa 5,2 Millionen Frauen – eine von vier Frauen über 50 Jahre – und 1,1 Millionen Männer. Bei manifester Osteoporose gibt es unter anderem Vitamin D auf Rezept. Bei ärztlicher Verordnung taucht es auch auf dem Medikationsplan auf; Wechselwirkungen mit anderen Arzneien, etwa bestimmten Blutdrucksenkern, können so frühzeitig entdeckt und gelöst werden.
Ernährungsberatung
Ob Sie Fragen zu Vitaminen oder anderen Inhaltsstoffen haben, die AOK-Ernährungsberaterinnen geben Antwort: im persönlichen Gespräch, telefonisch oder online, und zwar kostenfrei. Ihre persönliche Ansprechpartnerin finden Sie auf aok.de/nw/ernaehrungsberatung.