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Das Herz in der Schwangerschaft

Veröffentlicht am:20.11.2023

5 Minuten Lesedauer

Das Heranwachsen eines Kindes im Körper einer Frau ist nicht nur für die werdende Mutter und das Baby eine besondere Herausforderung, sondern auch für das Herz und den Kreislauf der Schwangeren. Sandra Pfingsten, Frauenärztin in Kaiserslautern, erklärt die medizinischen Hintergründe.

Frauenärztin Sandra Pfingsten führt eine Ultraschalluntersuchung durch.

© Sandra Pfingsten

Was passiert bei einer Schwangerschaft mit dem Blut?

Aufgrund hormoneller Veränderungen werden die Gefäßwände schwächer, da sich die sonst glatte Muskulatur der Blutgefäße entspannt. Der Körper muss ja wachsen können. Gleichzeitig steigert sich die Durchblutung und das Blut wird dicker. Das fordert das Herz-Kreislauf-System ganz enorm.

Wie kann man sich das mengenmäßig vorstellen?

Bis zur 32. Schwangerschaftswoche verdoppelt sich die Menge des Blutvolumens. Dadurch vergrößern sich das Herz und das Schlagvolumen, also die Menge Blut, die pro Herzschlag in den Körper gepumpt wird. Auch die Herzfrequenz nimmt ab der zweiten Schwangerschaftshälfte um 10-30 Schläge pro Minute zu.

Normalerweise pumpt unser Herz ca. 4,2l Liter pro Minute in den Kreislauf, in der 32. Schwangerschaftswoche schafft es bereits 7 Liter pro Minute und unter der Geburt sage und schreibe 10 Liter in der Minute.

Welche Folgen hat das für die Schwangere?

Das führt zu den typischen Blutdruckveränderungen, nämlich einem Abfall der systolischen Werte bis zur Mitte der Schwangerschaft. Gegen Ende der Schwangerschaft erreichen wir wieder die Ausgangswerte. Das erklärt auch, warum Schwangere anfälliger sind für Kreislaufprobleme, Schwindel, schwere Beine haben und so weiter.

Das bedeutet zusammengefasst, dass das Herz einer Schwangeren einer besonderen Belastung ausgesetzt ist. Von Natur aus sind wir darauf aber gut vorbereitet und durch die Anpassungen der Gefäße, des Blutdrucks und der oben beschriebenen Umstellungen wird diese Mehrbelastung normalerweise gut gemeistert.

Was müssen Frauen mit vorhandenen Krankheiten beachten?

Haben Frauen einen erhöhten Blutdruck und nehmen sie sogar Medikamente dagegen ein, sollten sie sich zu Beginn der Schwangerschaft von einem Kardiologen oder bei ihrem Hausarzt checken lassen. Eventuell müssen die Medikamente umgestellt werden. Wurde eine Frau bereits am Herzen operiert, z. B. als Kind, oder sind Herzinsuffizienz, Thrombose, Gerinnungsstörungen oder Gefäß- oder Autoimmunerkrankungen aufgetreten, kann ich nur raten, mit seinem Arzt darüber zu sprechen.

Treten während einer Schwangerschaft vermehrt Kreislaufprobleme auf, die zur Ohnmacht führen, anhaltendes Herzrasen, hoher Blutdruck, Kopfschmerzen oder Luftnot, dann sollte immer ein Arzt zur weiteren Abklärung aufgesucht werden. Sollte es in einer vorhergehenden Schwangerschaft schon einmal zu behandlungsbedürftigen Problemen, z.B. Hypertonie oder Präeklampsie, gekommen sein, kann man prophylaktisch vorbeugen.

Dies bespricht der Arzt mit der Patientin am besten schon vor der nächsten Schwangerschaft. Unerkannte oder unbehandelte Herz- oder Kreislauferkrankungen könnten sonst zu Entwicklungsstörungen des Kindes, Absterben des Fötus in der Frühschwangerschaft oder zu schwerwiegenden Erkrankungen mit Langzeitfolgen der Mutter führen bis hin zum Tod.

Frauenärztin Sandra Pfingsten berät eine Patientin.

© Sandra Pfingsten

Frauenärztin Sandra Pfingsten berät eine Patientin

Was können Schwangere tun, um Herz und Kreislauf fit zu halten?

Während der Schwangerschaft wird bei jeder Vorsorgeuntersuchung der Blutdruck gemessen und Urin kontrolliert, um frühe Hinweise auf Störungen zu erkennen. Eine gesunde vollwertige Ernährung während der Schwangerschaft ist nicht nur im Hinblick auf die Herzgesundheit wichtig, sondern auch zur Vermeidung eines Schwangerschaftsdiabetes: Vollkornprodukte, Obst, viel Gemüse, wenig industriell hergestellte Nahrung, insbesondere keine zuckerhaltigen Fertigprodukte.

Sport und Bewegung sollten regelmäßig in den Alltag integriert werden. Treppe statt Aufzug, das Auto auch mal stehen lassen, nicht den ersten Parkplatz neben dem Supermarkteingang wählen, Spaziergänge, moderates Herz-Kreislauftraining (Walking, Schwimmen, Yoga).

Haben Vorerkrankungen Auswirkungen auf die Geburt selbst?

Wenn Herzerkrankungen vorliegen und die Schwangere ist dadurch nur eingeschränkt belastbar, kann es sein, dass eine normale Geburt nicht möglich ist. Diese Entscheidung wird dann mit einem erfahrenen medizinischen Team erörtert. Generell würde ich empfehlen, bei ernsthaften Vorerkrankungen oder Schwangerschaftskomplikationen sich in einem Perinatalzentrum mitbetreuen zu lassen und dort auch zu entbinden.

Wie häufig kommt es zu Herzfehlern bei Neugeborenen?

Schätzungsweise jedes 100. Kind kommt mit einem angeborenen Herzfehler auf die Welt. Risikofaktoren sind Medikamenteneinnahme, Viruserkrankungen in der Frühschwangerschaft, Alkohol und Drogen. Durch sehr gute Behandlungsmöglichkeiten erreichen mehr als 90 Prozent das Erwachsenenalter. Manche Herzfehler kann man mit Hilfe moderner Ultraschallverfahren bereits beim Ungeborenen erkennen.

In der 20. Schwangerschaftswoche wird bei jeder Schwangeren, sofern gewünscht, auch das Herz des Babys angeschaut. Schwerwiegende Herzfehler können hier in der Regel erkannt oder ausgeschlossen werden. Gab es in der Familie oder in früheren Schwangerschaften bereits Herzfehler, rate ich zu einem erweiterten Fehlbildungsultraschall.

Was passiert, wenn beim Ungeborenen ein Herzfehler festgestellt wird?

In diesem Fall wird die Schwangere von Spezialisten engmaschig betreut und beraten. Mittlerweile kann man sogar schon kleine Operationen an Feten durchführen, falls das notwendig ist, um z. B. zu gewährleisten, dass sich das Herz während der Schwangerschaft richtig entwickeln kann. Wichtig ist die Anbindung an eine kardiologisch erfahrene Kinderklinik, die auch bei der Geburt anwesend ist und im Notfall das Kind direkt versorgen kann.

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