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Herzgesundheit: Ungeborene, Neugeborene und Kinder

Veröffentlicht am:20.11.2023

5 Minuten Lesedauer

Über mögliche Herzprobleme und -fehler bei Ungeborenen, Neugeborenen und bei Kindern und Jugendlichen haben wir mit Prof. Dr. Gerhard Rupprath gesprochen. Er ist Kinderarzt und Kinderkardiologe, war von 1986 bis 2013 Chefarzt der Kinderklinik am Westpfalz-Klinikum in Kaiserslautern. Ihm gelang 1984 die weltweit erste Erweiterung einer lebensbedrohlich verengten Hauptschlagaderklappe bei einem Neugeborenen.

Ein Arzt stellt einen EKG-Holter-Monitor für ein Kind ein, um seine Herzgesundheit zu überprüfen.

© iStock / ArtMarie

Welche Arten von Herzproblemen können bei Ungeborenen auftreten?

Üblicherweise verspürt die Schwangere nicht, was mit Ihrem Kind in ihr vorgeht. Das Kind lebt und entwickelt sich geschützt in der Fruchtblase. Es wird von der Mutter voll versorgt und lebt in gewisser Weise in seiner eigenen Umgebung etwas isoliert, so dass es keine Signale an die Mutter weitergibt. Erst wenn es unruhig wird, aus welchem Grund auch immer, bemerkt die Mutter, dass etwas nicht stimmen könnte.

Das Ungeborene entwickelt einen eigenen Kreislauf, der sich fast gleich nach der Befruchtung ausbildet. Das Herz des Ungeborenen ist im Wesentlichen mit sechs Wochen schon ganz und vollständig entwickelt, aber es ist noch sehr klein und muss zusammen mit dem ganzen Körper noch wachsen. Dadurch bemerkt man Herzfehler nicht vor der Geburt.

Der Kreislauf ist zum Teil anders geschaltet (das Kind kann ja nicht atmen und wird mit Sauerstoff über die Mutter und die Plazenta versorgt), so dass auch schwere Herzfehler zunächst durch den eigenen, unabhängigen Kreislauf so kompensiert werden, dass sie erst nach der Geburt Symptome zeigen. Rhythmusstörungen, vor allem Herzrasen, können Ungeborene beeinträchtigen.

Damit sind Herzfrequenzen von über 200 - 300 Schlägen pro Minute gemeint, die zunächst eine Weile ausgehalten werden können. Dann führen sie allerdings zu einer Herzschwäche und können im Extremfall bewirken, dass das Kind nicht weiterleben kann.

Prof. Dr. Gerhard Rupprath lächelt in die Kamera.

© Prof. Dr. Gerhard Rupprath

Prof. Dr. Gerhard Rupprath war von 1986 bis 2013 Chefarzt der Kinderklinik am Westpfalz-Klinikum in Kaiserslautern.

Welche diagnostischen Verfahren gibt es für die Erkennung von Herzproblemen beim Fötus?

Hier kommt in erster Linie die Cardiotokographie, zum Einsatz. Das ist die Ableitung der Herzfrequenz durch die Bauchdecke. Ein echtes EKG ist leider nicht abzuleiten, weil man die Elektroden nicht anbringen kann. Ultraschall lässt uns erkennen, wie schnell das Herz des Fötus schlägt. Auch Herzrasen, ein viel zu langsamer Herzschlag oder Unregelmäßigkeiten lassen sich dadurch erkennen.

Dazu braucht es jedoch entsprechende Kenntnisse des Ultraschalls in der vorgeburtlichen Zeit, also pränatal, damit man diese Befunde interpretieren kann. Wenn es darum geht, komplexe Herzfehler ganz früh zu erkennen, so ist ein spezialisiertes Zentrum, wie es zum Beispiel am Westpfalzklinikum Kaiserslautern vorhanden ist, mit Kinderkardiologie und Frauenheilkunde mit entsprechender Ultraschallerfahrung notwendig.

Diese Untersuchung ist relativ zeitaufwändig, weil der Fötus nicht immer in einer Position liegt, in der man ihn gut untersuchen kann. Und in einer früheren Schwangerschaft, d.h. vor der 24. Woche, sind die Verhältnisse alle so klein, dass man Anomalien nur mit entsprechender Erfahrung und entsprechenden hochauflösenden Geräten sehen kann.

Welche Auswirkungen können Herzprobleme auf die Entwicklung des Fötus und auf die Schwangerschaft haben?

Die Schwangerschaft wird im Allgemeinen, ungeachtet von allen Problemen, die beim Kind auftreten, weiterlaufen, ohne dass die Mutter etwas Besonderes merkt. Auch der Fötus selbst wird sich mit einem, auch komplexen, Herzfehler zunächst normal entwickeln. Man sieht es dem Kind also von außen, wenn es geboren wird, nicht sofort an, ob etwas mit dem Herzen nicht in Ordnung ist - jedenfalls nicht direkt nach der Geburt.

Wenn man aber im Rahmen der Vorsorge schon frühzeitig eine Herzerkrankung durch Ultraschall diagnostiziert hat, dann sollte das Kind in ein entsprechendes Zentrum überwiesen werden, damit ihm gleich nach der Geburt geholfen werden kann oder die Diagnose exakt gestellt wird. Von dort wird veranlasst, was zu geschehen hat, also Herzkatheteruntersuchung, Intensivbehandlung, Verlegung, Operation und so weiter...

Welche Behandlungsmöglichkeiten von Herzproblemen beim Fötus vor oder direkt nach der Geburt gibt es?

Man kann bestimmte Erkrankungen, insbesondere, wenn es sich um Herzrasen, also Rhythmusstörungen, handelt, schon vor der Geburt behandeln, in dem die Mutter ein bestimmtes Medikament einnehmen muss, welches auch auf das Kind wirkt. Die Behandlung schwerer angeborener Herzfehler ist vor der Geburt nur in wenigen Zentren in Deutschland möglich.

Man kann allerdings direkt nach der Geburt - in den ersten Stunden oder Tagen - bestimmte Dinge behandeln oder so stabilisieren, dass weitere Operationen möglich sind, wie ich es auch oft habe machen müssen. Dies setzt voraus, dass man den Herzfehler unmittelbar nach der Entbindung diagnostiziert. Denn bei manchen komplexen Herzfehlern hat das Kind dann, wenn es auf die Welt kommt und selbst atmet, nicht mehr die komplette Versorgung durch die Mutter.

Wenn dann zum Beispiel die Lunge nicht durchblutet wird, hat man nur wenig Zeit, diese unzureichende Lungendurchblutung durch Erweiterung einer Herzklappe, zum Beispiel der Lungenschlagaderklappe, zu verbessern oder zu beheben.

Welche Auswirkungen können Herz-Erkrankungen im Kindesalter oder später haben?

Bei sehr schweren Herzfehlern geht es nach der Geburt erst einmal ums Überleben. Früher, ohne unsere Möglichkeiten heute, gab es eine bedeutsame Sterblichkeit. Schwere körperliche Einschränkungen bei Kindern mit schwereren, angeborenen Herzfehlern waren früher üblich. Hier haben wir durch Medikamente, natürlich nach früher Diagnostik, besonders aber durch Operationen bei den extrem vielfältigen Möglichkeiten von Herzfehlern, inzwischen hervorragende Aussichten, so dass Kinder mit angeborenen Herzfehlern fast immer operiert werden können und meistens ein normales Leben führen können.

Wenn Herzfehler nicht so schwerwiegend sind, kann es sein, dass Kinder zunächst in den ersten Jahren nichts bemerken. Auch ein Herzfehler, der operiert werden muss, muss nicht unbedingt zu Symptomen der Leistungsschwäche führen. Allerdings wird man bei Vorsorgeuntersuchungen in den meisten Fällen krankhafte Herzgeräusche hören können, die den Kinderarzt veranlassen, weitere Untersuchungen durchzuführen.

Man kann also, manchmal auch im Jugendalter, selten im Erwachsenenalter, angeborene Herzfehler diagnostizieren, die dann erst operiert oder anders behandelt werden müssen.

Wie äußern sich Herzprobleme?

Bei Kindern und Jugendlichen können Herzfehler vorhanden sein, die den Eltern und dem Kind selbst nicht auffallen. Wenn es zu einer Leistungsminderung kommt, zum Beispiel bei körperlicher Anstrengung oder beim Sport, dann wäre das ein Hinweis.

Man muss aber sagen, dass viele Herzfehler, zum Beispiel eine Verengung der Herzklappe, zwar deutliche Herzgeräusche verursachen, aber bei Kindern nicht unbedingt zu erkennbaren Beschwerden in jungen Jahren führen. Es gibt immer mal wieder auch Sportler mit schweren Herzfehlern, die erzählen, dass diese nicht erkannt worden sind.

Welche Fortschritte gibt es in der Kinderkardiologie bei der Behandlung von angeborenen Herzfehlern?

Es sind grandiose Fortschritte in den letzten 50-60 Jahren erreicht worden. Wie schon vorher dargelegt, sind fast alle Herzfehler einer Behandlung zugänglich und es ist auch eine vollständige Korrektur in vielen Fällen möglich oder eine ganz entscheidende Besserung, so dass in den meisten Fällen die Lebenserwartung und auch Lebensqualität normal ist.

Allerdings muss man mit bestimmten schweren Herzfehlern, die korrigiert worden sind, immer in Kontrolle bleiben, das gilt auch bei manchen Herzfehlern im Erwachsenenalter.

Wie sieht die langfristige Betreuung von Patienten mit angeborenen Herzfehlern aus?

In der Jugend erfolgt diese bei entsprechend ausgebildeten Kinderkardiologen, also Spezialisten für angeborene Herzfehler. Diese Spezialisierung hat nicht jeder Erwachsenen-Kardiologe, weil er keine Erfahrung hat sammeln können. Im Erwachsenenalter gibt es dann die schon genannte Spezialisierung für Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern (EMA), die ein Kinderkardiologe oder ein Erwachsenen-Kardiologe erwerben kann und der dann diese Patienten im Erwachsenenalter betreuen kann.

Leider können aufgrund vorgegebener Altersgrenzen gesetzlich versicherte Erwachsene nur vereinzelt beim Kinderkardiologen betreut werden Frauen mit Herzfehlern, die erfolgreich operiert worden sind und später im Leben schwanger werden, müssen ggf. mit Problemen durch die Belastung der Schwangerschaft rechnen. Bei manchen Herzfehlern führt das zu Belastungen, die sich sonst im normalen Leben nicht zeigen würden.

Hier ist eine intensive Beratung der Schwangeren notwendig. Außerdem gibt es ein gewisses, wenn auch seltenes, Wiederholungsrisiko von Herzfehlern. Also wäre hier nicht nur eine Beratung der Schwangeren mit Herzfehler nötig, sondern manchmal auch eine humangenetische Beratung, das aber wirklich nur in besonderen Fällen.

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