Ernährungsformen
Carnivore Diät: Wie schädlich ist es, nur Fleisch zu essen?
Veröffentlicht am:07.11.2024
6 Minuten Lesedauer
Die Carnivore Diät ist ein Trend, auf den viele Menschen weltweit schwören. Vereinfacht gesagt lautet das Prinzip: Abnehmen durch Fleischessen. Ob und wie das funktionieren kann und was das für unsere Gesundheit bedeutet, lesen Sie hier.
Inhalte im Überblick
Was bedeutet Carnivore Diät?
Intervallfasten, Trennkost oder Low Carb: In den sozialen Medien kursieren zahlreiche Diäten mit dem Versprechen einer schnellen Gewichtsabnahme ohne Jo-Jo-Effekt. Eine davon ist die Carnivore Diät (englisch: Carnivore Diet).
„Karnivor“ bedeutet „fleischfressend“. In der Biologie werden Tiere, die sich hauptsächlich von Fleisch ernähren (zum Beispiel Wölfe, Raubkatzen oder Greifvögel), und fleischfressende Pflanzen als Karnivoren bezeichnet. Und genau darum geht es bei der Carnivore Diät: um eine hauptsächlich auf Fleisch aufbauende Diät, die Kohlenhydrate und pflanzliche Nahrung jeglicher Art ausschließt. Nur Fleisch, Fisch und andere tierische Lebensmittel wie Eier und bestimmte Milchprodukte stehen auf dem Speiseplan. Pflanzliche Lebensmittel sind vollständig verboten. Bei einer strikten „Nur-Fleisch-Diät“ entfallen auch die Milchprodukte. Das Ziel ist, die Kohlenhydratzufuhr auf nahezu null zu senken.
Carnivore Diät, Keto-Diät und Paleo-Diät
Die Carnivore Diät ist eine konsequente Form der ketogenen Diät. Bei Keto-Diäten geht es darum, die Kohlenhydrate in der Nahrung sehr gering zu halten und die Energiezufuhr für den Körper hauptsächlich über Eiweiß und Fett zu gewährleisten. Auch die Paleo- oder Steinzeit-Diät ist eine solche ketogene Diät. Paleo- und Carnivore Diät basieren auf der umstrittenen Annahme, dass sich die Vorfahren des Menschen hauptsächlich von Fleisch und Fisch ernährt hätten, weshalb der Verzicht auf verarbeitete Lebensmittel wie Brot oder Nudeln gesund sei. Aber: Bei Paleo und Keto sind Nüsse oder bestimmte Gemüse und Früchte erlaubt. Diese kohlenhydratarmen Diäten begrenzen also die Kohlenhydrataufnahme nur, schließen sie aber nicht aus. Deshalb stellt die Carnivore Diät die radikalste Low-Carb-Diät dar.
Welche Lebensmittel sind für eine Carnivore Ernährung erlaubt und welche nicht?
Erlaubt sind:
- Fleisch von sämtlichen Tierarten einschließlich Innereien
- Fisch und Meeresfrüchte
- tierische Produkte wie Eier, Schmalz oder Knochenbrühe
- Wasser
- bei einer „gemäßigten“ Carnivore Diät auch kohlenhydratfreie Gewürze und laktosearme Milchprodukte (zum Beispiel Butter oder Hartkäse) in geringen Mengen (der Milchzucker Laktose ist ein Kohlenhydrat)
Verboten sind alle Lebensmittel, die nicht von Tieren stammen:
- Gemüse
- Hülsenfrüchte
- Getreide
- Obst
- Nüsse und Samen
- Alkohol
- Zucker
- andere Getränke als Wasser (auch Tee oder Kaffee)
Außerdem sind Milchprodukte mit hohem Laktosegehalt (zum Beispiel Milch, Joghurt oder Weichkäse) zu vermeiden.
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Wie funktioniert das Abnehmen mit einer Carnivoren Diät?
Das Ziel der Carnivoren Diät ist – wie bei allen Keto-Diäten – eine sogenannte Ketose herbeizuführen. Das läuft so ab: Normalerweise verwendet der Körper hauptsächlich Kohlenhydrate als Energiequelle. Dabei spielt das Hormon Insulin eine wichtige Rolle. Insulin ist notwendig, um Glukose in verwertbare Energie umzuwandeln. Die Nahrungsmittel einer Keto-Diät liefern aber nicht genügend Glukose und die Insulinproduktion wird gedrosselt. Zunächst steht noch gespeicherte Glukose in Form von Glykogen zur Verfügung, doch nach drei bis vier Tagen ist der Vorrat aufgebraucht.
Wenn keine Glukose mehr zur Verfügung steht, stellt Fett die am leichtesten verfügbare Energiequelle dar. Dessen Abbau in freie Fettsäuren liefert die Rohstoffe für die Produktion von sogenannten Ketonen in der Leber. Die Ketone gelangen in den Blutkreislauf, was den Säure-Basen-Haushalt im Blut beeinflusst und das Blut saurer macht. Dieser Vorgang heißt Ketose.
Es gibt Studien, die darauf hindeuten, dass eine ketogene Diät und damit auch die Carnivore Diät die Gewichtsabnahme durch den Fettabbau fördert. Vermutlich spielt auch die verminderte Insulinausschüttung bei kohlenhydratarmer oder kohlenhydratfreier Ernährung eine Rolle, da der niedrige Insulinspiegel den Fettabbau zusätzlich begünstigt. Die Ketose wiederum steht in dem Ruf, den Appetit zu zügeln. Diese Effekte können kurzfristig zu einer deutlichen Gewichtsabnahme führen.
Darüber hinaus stellen sogenannte ketogene Ernährungstherapien (KET) eine Behandlungsoption bei schwer behandelbaren Epilepsien im Kindes- und Jugendalter dar, bei denen Medikamente nicht anschlagen. Dabei handelt es sich um spezielle ketogene Diäten unter ärztlicher Kontrolle. Carnivore Diäten spielen hierbei aber keine Rolle.
Kurzeitwirkung mit Jo-Jo-Effekt oder langfristig erfolgversprechend?
Verlässliche Studien zum langfristigen Erfolg einer Carnivoren Diät fehlen (und auch zur ketogenen Diät ist die Studienlage dünn). In manchen Fällen ist ein Teil des Gewichtsverlustes in der Anfangsphase einer ketogenen oder Carnivoren Diät eher auf Wasserverlust als auf echten Fettverlust zurückzuführen. Daher können die manchmal beeindruckenden Zahlen zum kurzfristigen Gewichtsverlust, die in sozialen Netzwerken verbreitet werden, übertrieben und wenig nachhaltig sein. Und auch wenn bei einer Keto-Diät zu Beginn oft eine deutliche Gewichtsabnahme zu verzeichnen ist: Je länger der Zeitraum ist, in dem Studien verschiedene Diäten untersuchen, desto geringer wird der Vorsprung der Keto-Diät bei der Gewichtsabnahme im Vergleich zu anderen Diäten.
Unabhängig von der schlechten Forschungslage zur Carnivoren Diät: Wer eine zeitlich begrenzte Carnivore Diät zur schnellen Gewichtsreduktion ausprobiert, wird nach deren Ende wahrscheinlich die typischen Diäterfahrungen machen: Die Fettreserven, die während der Diät abgebaut wurden, stellt der Körper nach der Wiederaufnahme der normalen Ernährung meist schnell wieder her. Und als Langzeitdiät ist die Carnivore Diät auch aus praktischen Gründen (von gesundheitlichen Aspekten einmal abgesehen) ungeeignet. Denn um eine so eingeschränkte Ernährungsweise wie die Carnivore Diät im Alltag dauerhaft durchzuhalten, ist ein hohes Maß an Disziplin erforderlich.
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Ist eine Carnivore Ernährung gesund?
Viele medizinische Fragen lassen sich nicht einfach mit Ja oder Nein beantworten. Bei dieser Frage zur Carnivoren Diät ist das anders. Hier lautet die schlichte Antwort: Nein, im Gegenteil. Eine fleischbetonte Ernährung ohne pflanzliche Anteile stellt eine Mangelernährung dar. Wer sich langfristig karnivor ernährt, riskiert eine Vielzahl ernährungsbedingter schwerer Erkrankungen.
Wovon eine fleischlastige Ernährung zu viel enthält
Das Einzige, was aus gesundheitlicher Sicht für die Carnivore Diät spricht, ist der Verzicht auf gezuckerte Softdrinks oder hochverarbeitete Fertigprodukte wie Tiefkühlpizza. Dies wird jedoch durch den übermäßigen Verzehr von tierischen, „schlechten“ Fetten mehr als wettgemacht. Tierisches Fett besteht zum größten Teil aus überwiegend gesättigten Fettsäuren. Die hohe Aufnahme von gesättigten Fettsäuren erhöht die Blutfettwerte und den LDL-Spiegel im Blut (LDL = „schlechtes“ Cholesterin). Dadurch steigt das Risiko für Herz-Kreislauf- Erkrankungen und Typ-2-Diabetes. Insbesondere ein hoher Konsum von rotem Fleisch ist mit einem solchen erhöhten Risiko verbunden.
Was der fleischbetonten Ernährung fehlt
Fleisch und Fisch sind an sich nahrhaft und enthalten viele Mikronährstoffe. Aber durch den nahezu völligen Verzicht auf Kohlenhydrate und pflanzliche Lebensmittel mangelt es der Carnivoren Diät an sehr vielem, was eine gesunde Ernährung ausmacht. Zahlreiche Vitamine und Mineralstoffe kommen nur in pflanzlicher Nahrung vor. Das gilt auch für die Ballaststoffe: unverdauliche Kohlenhydrate, die die Darmgesundheit und einen gesunden Stuhlgang fördern. Eine Carnivore Diät gefährdet deshalb die Darmgesundheit. Außerdem liefern Obst und Gemüse wertvolle sekundäre Pflanzenstoffe, darunter Antioxidantien, die freie Radikale neutralisieren und vielen Erkrankungen vorbeugen helfen. Alles in allem sinkt mit einem hohen Gemüse- und Obstkonsum das Risiko, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder bestimmten Krebsarten zu erkranken.
Fazit: Eine Carnivore Diät ist niemals eine Langzeitoption
Auch wenn viele Berichte auf TikTok, Instagram und Co. erfolgversprechend klingen, empfehlenswert ist die Carnivore Diät nicht. Jede Diät, die vorwiegend oder ausschließlich auf tierische Eiweiße und Fette setzt, sollte (wenn überhaupt) nur sehr kurz durchgeführt werden, um gesundheitliche Folgeschäden zu vermeiden. Selbst wenn sich ein kurzfristiger Gewichtsverlust einstellt: Die möglichen negativen Langzeitfolgen überwiegen den Nutzen des Abnehmens.
Wenn Sie sich für eine Keto-Diät interessieren, sollten Sie daher lieber eine gemäßigte Form wählen und nicht die karnivore Variante. Das heißt: nicht übermäßig viele gesättigte Fette aufnehmen und in jedem Fall ausreichend Obst und Gemüse verzehren, um die Versorgung mit pflanzlichen Nährstoffen und Ballaststoffen sicherzustellen.
Besser und erfolgversprechender als eine kurzfristige und extreme Form der Diät ist eine dauerhaft ausgewogene Ernährung. Diese hilft nicht nur bei der Gewichtskontrolle, sondern versorgt auch den Körper mit allen wichtigen Nährstoffen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt, sich überwiegend von Obst und Gemüse, Vollkorngetreide, Hülsenfrüchten sowie Nüssen und pflanzlichen Ölen zu ernähren. Zum Thema Fleisch rät die DGE hingegen: „Weniger ist mehr.“