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Gesundheitsmagazin

Ernährungsformen

Hat die Ernährung einen Einfluss auf unser Verhalten und unsere Entscheidungen?

Veröffentlicht am:08.04.2025

5 Minuten Lesedauer

Wer hungrig ist, hat oft schlechte Laune. Aber wie steht es mit der Art, wie wir uns ernähren? Kann sich die Ernährung auf unsere Risikofreude oder Misstrauen auswirken? Die Forschung weist auf Zusammenhänge hin. Interessante Studien im Überblick.

Ein junges Paar, eine Frau und ein Mann, lehnen lachend an einer Küchenzeile. Jeder hält eine Schale und einen Löffel in der Hand.

© iStock / Milan Markovic

Wie wirkt sich unser Essen auf das Gehirn aus?

Ein Sprichwort lautet: „Du bist, was du isst.“ Damit ist unter anderem gemeint: Unsere Gesundheit und unsere Ernährung stehen in einem engen Zusammenhang. Das ist völlig unstrittig: Eine gesunde ausgewogene Ernährung, die auf vielen frischen pflanzlichen Lebensmitteln beruht, trägt zu unserer Gesundheit bei und wird deshalb von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlen.

Ernährung und Verhalten im Blickpunkt der Forschung

In letzter Zeit ist aber noch etwas anderes in den Fokus der medizinischen Forschung gerückt: Wie unsere Ernährung unser Gehirn und unser Verhalten beeinflusst – zum Beispiel unsere Stimmung oder unsere Entscheidungsfreudigkeit. Hier steht die Forschung noch am Anfang, aber einige Studien liefern zumindest faszinierende neue Anstöße. Die gemeinsame Grundlage dieser Studien ist: Die Art der Nahrung hat unterschiedliche Auswirkungen auf zahlreiche biochemische Prozesse, die unser Verhalten beeinflussen. Ziel der Forschung ist es unter anderem, diesen Einfluss nachzuvollziehen und messbar zu machen.

Nährstoffe in der Nahrung beeinflussen den Hormonhaushalt

Ein Beispiel: Mahlzeiten bestehen unter anderem aus verschiedenen Makronährstoffen, und zwar aus Kohlenhydraten, Proteinen und Fetten. Das Verhältnis dieser Makronährstoffe zueinander in der aufgenommenen Nahrung hat Auswirkungen auf unseren Hormonhaushalt; zum Beispiel auf bestimmte Aminosäuren, die unter anderem als Vorläuferstoffe von Hormonen eine wichtige Rolle spielen. Diese Aminosäuren bestimmen mit, welche Neurotransmitter in unserem Gehirn zur Verfügung stehen. Neurotransmitter sind chemische Botenstoffe, die im gesamten Körper und auch im Gehirn für die Informationsübertragung zwischen den Nervenzellen verantwortlich sind. Sie beeinflussen nicht nur Muskeln und andere Körperstrukturen, sondern über das Hormonsystem auch unser psychisches Befinden.

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Verschlechtert eine kohlenhydratarme Ernährung unsere Entscheidungsfähigkeit?

Eine der Studien zum Zusammenhang zwischen Ernährung und Verhalten befasst sich mit der Frage, wie sich eine kohlenhydratreiche oder eine proteinreiche Ernährung auf die Neigung von Menschen auswirkt, unfaire Angebote anzunehmen oder abzulehnen. Dazu wurden Personen untersucht, die entweder ein kohlenhydratreiches oder ein proteinreiches Frühstück zu sich genommen hatten. Das Ergebnis: Je höher der Kohlenhydratanteil und je niedriger der Proteinanteil, desto niedriger die Tyrosinwerte im Blut am Vormittag nach dem Frühstück. Tyrosin ist eine Aminosäure und spielt eine wichtige Rolle bei der Bildung von Dopamin, einem Neurotransmitter, der Einfluss auf die Entscheidungsfindung hat. Es ist vorstellbar, dass man sich unter dem Einfluss von viel Dopamin auch bei einem eigentlich unfairen Angebot leichter belohnt fühlt, als es bei einem niedrigen Dopaminspiegel der Fall wäre – und folglich das Angebot annimmt. Dopamin spielt übrigens auch bei der Entwicklung einer Sucht eine wichtige Rolle.

Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass jemand, der viele Kohlenhydrate isst, automatisch bessere Entscheidungen trifft. Was die Studie zeigt, ist: Je nach Ernährung verändern sich die Konzentrationen von Neurotransmittern im Blut, was die Hirnfunktionen beeinflusst. Eine mögliche Schlussfolgerung ist, dass eine Ernährung mit einem extrem unausgewogenen Verhältnis von Kohlenhydraten und Proteinen negative Auswirkungen auf unser Verhalten haben kann. Dies wirft ein neues Licht auf populäre Diäten wie die Low-Carb-Diät. Unabhängig davon, wie effektiv sie beim Abnehmen ist, könnte sie potenzielle Nebenwirkungen auf das Sozialverhalten der Diäthaltenden haben.

Risikobereitschaft und Ernährungsweise

Ein weiterer Zusammenhang, der die Forschung interessiert, ist der zwischen der Ernährungsweise beziehungsweise dem Ernährungszustand und der individuellen Risikobereitschaft. So legt die Forschung zu Tieren nahe, dass wenig zu essen Auswirkungen auf die Psyche und das Verhalten haben kann, zum Beispiel auf die Risikobereitschaft von Wildtieren. Im Tierreich leuchtet dieser Zusammenhang ein: Ein Pflanzenfresser, der zu verhungern droht, wird bei der Nahrungssuche ein höheres individuelles Risiko eingehen (beispielsweise Opfer eines Beutegreifers zu werden) als ein pflanzenfressendes Tier, das sich in einem guten Ernährungszustand befindet.

Doch lassen sich solche Thesen auf den Menschen übertragen? Wir erleben hungrige Mitmenschen oft als schlecht gelaunt. Ganz klar: Hunger hebt nicht die Stimmung, sondern macht eher miese Laune. Aber erhöht Hunger beim Menschen auch die Risikobereitschaft? Für die Ernährung selbst müssen Menschen zumindest in den Industrieländern keine Risiken eingehen. Aber wie verhält es sich beispielsweise mit spontanen Entscheidungen im Straßenverkehr oder wirtschaftlichen Entscheidungen, etwa bei der Kreditaufnahme? Gleich vorweg: Einen einheitlichen und belastbaren Forschungsstand gibt es nicht.

Hunger und Risikobereitschaft: Gibt es einen Zusammenhang beim Menschen?

Es gibt Hinweise darauf, dass Hungergefühle auch beim Menschen die Risikobereitschaft erhöhen könnten. Diese Hypothese wurde zum Beispiel in einer Studie zu übergewichtigen Jugendlichen aufgestellt, die nach dem Betrachten von Lebensmittelbildern Hungergefühle entwickelten und in psychologischen Tests eine hohe Risikobereitschaft zeigten. Die Schlussfolgerung der Forschenden ist aber nicht, dass Hunger beim Menschen zwangsläufig die allgemeine Risikobereitschaft erhöht. Die Forschenden beziehen sich eher auf das Ernährungsverhalten und vermuten, dass sich nach appetitanregenden Signalen bei übergewichtigen Jugendlichen die Lust auf „riskantes“ (ungesundes) Essen erhöht und sich daraus langfristig ein Risikofaktor für die Entwicklung von Adipositas ergibt. Immerhin: Wer ein Werbeverbot für Süßigkeiten befürwortet, findet hier Argumente.

Eine junge Frau bereitet in ihrer Küche mit Holzbesteck einen Rohkostsalat in einer Glasschüssel zu.

© iStock / stefanamer

Der regelmäßige Verzehr von Obst und Gemüse kann sich positiv auf die Stimmung auswirken.

Steigern Kohlenhydrate riskantes Verhalten?

Dem Zusammenhang zwischen Ernährung und Risiko kann man sich auch nähern, indem man Menschen unterschiedlich frühstücken lässt und anschließend das Blut untersucht: Eine kohlenhydratreiche Ernährung regt demnach die Aufnahme von Tryptophan im Gehirn an, einer Aminosäure, die unter anderem für die Bildung des Neurotransmitters Serotonin wichtig ist. Serotonin, im Volksmund auch „Glückshormon“ genannt, beeinflusst unter anderem Stimmung und Gefühle, aber womöglich auch das Verhalten, indem es die Risikobereitschaft erhöht. Zudem könnte eine hohe Körperfettmasse diese Serotonin-Wirkung begünstigen. Vorsichtig formuliert: Eine kohlenhydratreiche Ernährung und ein hoher Körperfettanteil wirken sich auf die Nährstoffverwertung und den Serotoninhaushalt aus und könnten mit einer erhöhten individuellen Risikobereitschaft einhergehen.

Bei allen Fragen rund um die Ernährung

Verbessern Obst und Gemüse unsere Entscheidungen? Vielleicht – aber gesund sind sie allemal

Was die Zusammenhänge zwischen Ernährung, Entscheidungen und Verhalten betrifft, steht die Forschung vor mehr Fragen, als sie derzeit beantworten kann. Zwar gehen viele Forschende davon aus, dass unsere Ernährungsweise und unser Verhalten sich gegenseitig bedingen. Aber welche Ernährung konkret mit welchen psychosozialen Effekten in Verbindung steht, ist schwierig herauszufinden und noch schwieriger nachzuweisen.

Diese Schwierigkeit der Beweisführung besteht nicht, wenn es um die Beziehung zwischen gesunden, frischen Lebensmitteln und unserer Gesundheit geht. Und damit ist übrigens nicht nur die körperliche, sondern auch die psychische Gesundheit gemeint. Während wir zur kurzfristigen Stimmungsaufhellung vielleicht vor allem an süße, zucker- und fettreiche Leckereien denken, wirkt sich langfristig eher der reichliche Verzehr von Obst und Gemüse mit den vielen gesunden und psychoaktiven sekundären Pflanzenstoffen positiv auf die Stimmung aus.

Auch wenn es keine verbindlichen Ratschläge gibt, welche Form der Ernährung Ihnen konkret helfen kann, unnötige Risiken oder falsche Entscheidungen zu vermeiden, so ist doch eines sicher: Wer sich ausgewogen ernährt, fördert seine körperliche und psychische Gesundheit, und wer psychisch stabil ist, dem fällt es leichter, in herausfordernden Situationen die richtigen Entscheidungen zu treffen.

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