Zum Hauptinhalt springen
AOK WortmarkeAOK Lebensbaum
Gesundheitsmagazin

Ernährungsformen

Ernährung der Zukunft

Veröffentlicht am:26.01.2024

4 Minuten Lesedauer

Die Weltbevölkerung wächst und benötigt immer mehr Nahrung. Wie lässt sich die Versorgung sicherstellen, ohne unserem Planeten zu schaden? Mit Lebensmitteln bewusster umzugehen, wäre ein erster Schritt.

Zwei junge Menschen in weißen Schutzanzügen betreiben Vertical Farming, sie pflegen Gemüsepflanzen in mehreren Etagen-Beeten in einem großen Raum.

© iStock / shironosov

In-vitro-Fleisch und Insekten: Sind neue Produkte die Lösung?

Steaks aus dem Labor, Burger aus Quallen- oder Seegurkenprotein und Shakes aus Insekteneiweiß. Sieht so der Speiseplan der Zukunft aus? Seit 1950 hat sich die Weltbevölkerung mehr als verdreifacht, und die Nahrungsmittelproduktion hat nachgezogen. Klimawandel und schwindende Ressourcen bringen sie jedoch an ihre Grenzen: Dürren, weniger Grundwasser sowie versalzte und versauerte Böden erschweren den Anbau. 17 Prozent der Äcker in der EU sind so geschädigt, dass auf ihnen kaum noch etwas wächst. Wie sollen im Jahr 2050 geschätzte zehn Milliarden Menschen weltweit nachhaltig ernährt werden?

Forschende suchen stets nach kreativen Lösungsansätzen, die unsere Ernährung zukunftsfähig machen sollen: Sogenanntes In-vitro-Fleisch lässt sich aus Muskelstammzellen im Labor züchten – in den USA und Singapur sind bereits entsprechende Produkte zugelassen. Es ist jedoch in der Herstellung noch zu energieintensiv und teuer, als dass es traditionelles Fleisch ersetzen könnte. Klimaschonende Proteinquellen kommen derzeit in Form verschiedener Insektenarten auf den Markt. Sie benötigen nur wenig Wasser sowie Fläche und sind etwa als Proteinpulver vielseitig einsetzbar. Obwohl Insekten in vielen Ländern fester Bestandteil des Speiseplans sind, überwiegt in weiten Teilen der Welt noch der Ekel. Gleiches gilt für Quallen und Seegurken. Algen hingegen haben sich etabliert: Sie werden seit einigen Jahren auch in Deutschland gezüchtet und enthalten neben Proteinen weitere essenzielle Nährstoffe wie Vitamin B12 und Jod.

Insekten als Proteinquelle

Rund zwei Milliarden Menschen essen regelmäßig Insekten (2.000 Arten).

In der EU wurden bisher nur vier Insektenarten für den Verzehr zugelassen. Die ersten im Jahr 2021.

Vertical Farming und regionale Produkte

Neue Produkte allein reichen jedoch nicht aus, um künftige Generationen zu ernähren. Vorhandene Ressourcen müssten auch effizienter eingesetzt werden. Wie das ginge, weiß Ramona Teuber, Professorin für Marktlehre der Agrar- und Ernährungswirtschaft an der Justus-Liebig-Universität Gießen und Mitglied des Zentrums für nachhaltige Ernährungssysteme: „Wir müssen an mehreren Stellschrauben drehen. Unter anderem für abwechslungsreichere Fruchtfolgen auf den Feldern sorgen. Das ist besser für Böden und Biodiversität“, sagt Professorin Teuber. „Und wir sollten vermehrt auf regionale, saisonale Produkte setzen, etwa Wurzel- und Knollengemüse wie Rote Bete, Schwarzwurzel oder Radieschen. Zudem weniger tierisches und mehr pflanzliches Protein aus heimischem Anbau wie Lupinen, Erbsen und Bohnen zu uns nehmen. Knapp zwei Drittel der landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland werden für den Tierfutteranbau genutzt. Das ist nicht effizient“, so Teuber.

Mehr als drei Viertel des weltweit angebauten Sojas gehen in die Tiermast. Hinzu kommt der Wasser- und Flächenbedarf der Tiere. Doch auch Pflanzen wie Kaffee, Kakao, Oliven oder Reis sind wasser- und energieintensiv. Wenig Wasser und Fläche benötigt das „Vertical Farming“. Hier wird in Gewächshäusern auf mehreren Ebenen übereinander angebaut. Die Wurzeln der Pflanzen hängen in einer Nährlösung, und der Wasserkreislauf ist geschlossen. So sinkt der Wasserverbrauch gegenüber dem Feldanbau um bis zu 99 Prozent. „Durch die künstliche Beleuchtung wachsen die Pflanzen zwar schneller, der Energieverbrauch ist jedoch sehr hoch“, sagt Professorin Teuber. Die Anbauweise ist daher nur nachhaltig, wenn der Strom aus erneuerbaren Quellen stammt.

Ein Burger mit Gemüse-Patty auf einem Holzbrett, angerichtet mit Süßkartoffel-Pommes.

© iStock / alvarez

Eine der wichtigsten Stellschrauben für eine zukunftsfähige Ernährung: mehr pflanzenbasierte Nahrungsmittel, deutlich weniger Fleisch.

Nachhaltiger Speiseplan für Mensch und Erde

Wie eine nachhaltige und zugleich gesunde Ernährung aussehen könnte, zeigt die sogenannte „Planetary Health Diet“. Eine Gruppe aus renommierten Forschenden (EAT-Lancet-Kommission) hat sie im Jahr 2019 entwickelt. Die gute Nachricht für jene, die weiterhin Fleisch essen wollen: Sie müssen nicht darauf verzichten – ein deutlich maßvollerer Konsum ist jedoch nötig, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu senken. Denn die Viehzucht verursacht mehr als zwei Drittel der landwirtschaftlichen Emissionen in Deutschland. So empfiehlt die Kommission, den Konsum von rotem Fleisch und Zucker zu halbieren, jenen von Obst, Gemüse und Nüssen zu verdoppeln. Das senkt Treibhausgasemissionen sowie den Flächen- und Wasserverbrauch. Gleichzeitig stärkt eine solche pflanzenbetonte Ernährung unsere Gesundheit. Insbesondere der Verzehr von zwei Portionen Obst und mindestens drei Portionen Gemüse am Tag senkt das Risiko für Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen sowie Typ-2-Diabetes. Der häufige Konsum von rotem Fleisch, vor allem in verarbeiteter Form wie Wurstwaren, bewirkt das Gegenteil und erhöht das Risiko für ernährungsbedingte Erkrankungen.

Passende Artikel zum Thema

Würden landwirtschaftliche Flächen nicht größtenteils für die Viehhaltung genutzt werden, bliebe zudem mehr Raum für nachhaltige Biolandwirtschaft. „Der ökologische Anbau hat aufgrund geringerer Erträge zwar einen höheren Flächenbedarf als der konventionelle. Er trägt jedoch zum Erhalt der Artenvielfalt bei“, sagt Professorin Teuber. Denn auf Biofeldern tummeln sich mehr Insekten, und es wachsen mehr Wildkräuter. Noch liegt der Marktanteil von Biolebensmitteln in Deutschland nur bei knapp sieben Prozent, er hat sich seit 2008 aber immerhin fast verdoppelt. Wer sich keine Bioprodukte leisten kann oder möchte, muss sich dennoch nicht sorgen. Denn Gesundheit und Klima profitieren auch dann enorm, wenn tierische Produkte vermehrt durch konventionelle pflanzliche Lebensmittel ersetzt werden. Zudem ist wichtig, nur die Mengen einzukaufen, die wir auch wirklich benötigen und verwerten können: „Das Wegwerfen von Lebensmitteln ist ein großes Problem. Was wir nicht kaufen, muss auch nicht produziert werden“, sagt Teuber.

Auswirkungen der Wegwerf-Gesellschaft

In deutschen Privathaushalten fielen 2020 durchschnittlich 22,4 Kilogramm vermeidbare Lebensmittelabfälle pro Person an.

Die Zukunft ist jetzt

Alle Werkzeuge und Mittel, die wir für eine nachhaltige, klimaschonende und zugleich bedarfsdeckende sowie gesunde Ernährung brauchen, stehen uns schon in der Gegenwart zur Verfügung. Der oftmals befürchtete Komplettverzicht auf das, was schmeckt, ist dabei nicht nötig. Lediglich ein gesünderes Maß und ein bewussterer Umgang mit Lebensmitteln. Das erhöht auch die Wertschätzung für die Nahrung, die uns das Überleben ermöglicht. Denn was bereitet mehr Genuss: Fleisch im Überfluss auf Kosten der Zukunft oder eine gesunde, gemüse- und obstbetonte Alltagsküche, die den Körper fit und die Umwelt intakt hält?

Waren diese Informationen hilfreich für Sie?

Noch nicht das Richtige gefunden?