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Galaktosämie – wenn Milchzucker nicht verdaut werden kann

Veröffentlicht am:15.07.2024

7 Minuten Lesedauer

Menschen mit Galaktosämie vertragen keine galaktosehaltigen Lebensmittel. Galaktose ist ein Zucker, der vor allem in Milch und Milchprodukten enthalten ist. Warum kann der Körper die Galaktose nicht verdauen?

Ein junger Mann mit braunen Haaren und einem kurzen Bart sitzt in einem Wohnzimmer auf der Sofakante und füttert ein Baby mit einer Flasche. Der Mann trägt einen geben Pullover und schaut auf das Kind. Das Kind trägt eine grüne Hose und schaut in die Kamera. Im Hintergrund ist ein Schreibtisch zu sehen.

© iStock / ArtistGNDphotography

Was ist eine Galaktosämie?

Die Galaktosämie ist eine seltene, angeborene Stoffwechselstörung. Mediziner und Medizinerinnen unterscheiden verschiedene Formen. Die häufigste und schwerwiegendste ist die klassische Galaktosämie (Galaktosämie Typ 1). Sie betrifft etwa eines von 70.000 Neugeborenen, wobei es große regionale Unterschiede gibt. Galaktos bedeutet aus dem Griechischen übersetzt „aus der Milch“, das griechische Wort aima steht für „Blut“ – die beiden Begriffe deuten bereits darauf hin, was das Problem bei einer Galaktosämie ist: ein Überschuss an Galaktose im Blut. Reichern sich die Galaktose und ihre Abbauprodukte im Körper an, schädigen sie die Leber und das Gehirn – Kinder können so eine körperliche und geistige Behinderung entwickeln. Neben der klassischen Galaktosämie gibt es noch andere Störungen im Galaktosestoffwechsel: den Galaktokinasemangel (Galaktosämie Typ 2) und ein Uridindiphosphat-Galaktose-4-Epimerase-Mangel (Galaktosämie Typ 3) – die Enzyme helfen beim Abbau von Galaktose.

Doch was ist Galaktose eigentlich? Bei Galaktose handelt es sich um einen Zucker, der in vielen Lebensmitteln enthalten ist – vor allem in Milch und Milchprodukten, aber auch in Tomaten, Nüssen, Hülsenfrüchten oder Bananen. Er ist Teil der Laktose – eine Zuckerkette, die auch als Milchzucker bekannt ist. Wenn eine Person zum Beispiel einen Joghurt isst oder ein Glas Milch trinkt, wird der Zweifachzucker Laktose im Dünndarm in zwei Komponenten aufgespalten: in Glukose (Traubenzucker) und Galaktose. Nach einem Umwandlungsprozess nutzt der Körper Galaktose zur Energiegewinnung. Bei einer Galaktosämie funktioniert das nicht. Die Galaktose kann nicht verwertet werden. Stattdessen reichert sich der Milchzucker zusammen mit einigen weiteren Abbauprodukten im Körper an – das kann zu Organschäden führen.

Wie kommt es zu einer Galaktosämie?

Die Ursache einer Galaktosämie liegt in den Genen. Ein genetisch bedingter Enzymdefekt sorgt bei Menschen mit der Erkrankung dafür, dass die Galaktose nicht verwertet werden kann. Bei der klassischen Galaktosämie, auch Galaktosämie Typ 1 genannt, steht ein Enzym namens Galaktose-1-Phosphat-Uridyltransferase (GALT) im Mittelpunkt – bei den Betroffenen besitzt dieses Enzym weniger als ein Prozent der normalen Aktivität. Eltern können die Erkrankung an ihre Kinder weitergeben, allerdings wird die Galaktosämie autosomal-rezessiv vererbt. Das bedeutet, dass eine Person nur dann erkrankt, wenn sie zwei Kopien des mutierten Gens erbt, und zwar von jedem Elternteil eine. Gibt nur ein Elternteil die Mutation weiter, trägt das Kind sie zwar in den Genen, zeigt aber normalerweise keine Krankheitssymptome. Neben dem Typ 1 gibt es auch noch eine Galaktosämie Typ 2 und bei Typ 2 kommt es zu einem Galaktokinasemangel, bei Typ 3 zu einem Uridindiphosphat-Galaktose-4-Epimerase-Mangel. Diese beiden Formen sind seltener als der Typ 1.

Eine junge Frau in einem gelben T-Shirt und langen dunkelblonden Haaren lehnt sich im Gang eines Supermarktes mit den Ellenbogen auf den Griff ihres gefüllten Einkaufswagens und schaut auf ihr Smartphone.

© iStock / PixelsEffect

In vielen verarbeiteten Lebensmitteln ist Laktose enthalten. Hersteller müssen auf der Zutatenliste darauf hinweisen. Wer ganz vorsichtig sein möchte, kann auch per App nachprüfen, ob ein Produkt laktosefrei ist.

Symptome zeigen sich kurz Zeit nach der Geburt

Weil das verantwortliche Enzym deutlich weniger aktiv ist, als es sein müsste, reichern sich Galaktose und die Abbauprodukte Galaktose-1-Phosphat (Gal-1-P) und Galaktitol zügig im Körper an. Das geschieht, sobald das Neugeborene Nahrung zu sich nimmt, die Galaktose und Laktose enthält – wie Muttermilch oder Säuglingsnahrung. In den ersten Lebenstagen gibt es scheinbar keine Auffälligkeiten, doch nach einigen Tagen bis Wochen übergeben sich die Säuglinge plötzlich, leiden unter Durchfall und haben keinen Appetit. In einigen Fällen wird die Situation schon früh kritisch, da das Abbauprodukt Gal-1-P bereits ab dem vierten Lebenstag zu einer Leberfunktionsstörung führen kann – gut erkennbar an einer Gelbfärbung der Haut und der Bindehaut der Augen des Babys. In einigen Fällen kommt es auch zu Infektionen, wie zum Beispiel Hirnhautentzündungen, oder zu einer Blutvergiftung.

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Wie wird eine Galaktosämie diagnostiziert?

In Deutschland gibt es verschiedene Untersuchungen bei Neugeborenen, die bereits nach der Geburt im Krankenhaus erfolgen. Da eine Galaktosämie ernsthafte Komplikationen nach sich ziehen kann, wie etwa eine schwere Infektion durch Funktionsstörungen der weißen Blutkörperchen, gehört der Test auf eine Galaktosämie zu den gesetzlich festgelegten Neugeborenenuntersuchungen. Für die Testung entnehmen Mediziner und Medizinerinnen eine kleine Menge Blut aus der Ferse – das machen sie in der Regel während des Neugeborenenscreenings, das am dritten Lebenstag stattfindet. Zeigt der Test Auffälligkeiten, können Ärzte und Ärztinnen mit einer Urinprobe prüfen, ob das Kind ungewöhnlich hohe Konzentrationen von Galaktose mit dem Urin ausscheidet.

So behandeln Mediziner und Medizinerinnen eine Galaktosämie

Die Galaktosämie ist nicht heilbar – es gibt auch keine Möglichkeit, den Enzymdefekt mit speziellen Medikamenten auszugleichen. Daher konzentriert sich die Behandlung darauf, die Zufuhr von Galaktose einzudämmen, bestehende Symptome zu beheben und so Komplikationen zu vermeiden. Zeichnet sich die Diagnose beim Säugling ab oder ist sie bereits bestätigt, ist die klassische Milchernährung, mit normaler Flaschenmilch oder über die Mutterbrust, ab sofort tabu. Kinder erhalten fortan laktosefreie Milch auf Sojabasis – Hersteller von Säuglingsnahrung bieten dazu verschiedene Produkte an. Mit der Einführung der Beikost und damit des ersten Babybreis schleicht sich dann allerdings ganz automatisch eine gewisse Menge Galaktose in die Ernährung ein, unter anderem über Obst, Gemüse und Getreideprodukte. Eine komplett galaktosefreie Ernährung wird daher nicht möglich sein. Geringe Mengen können je nach Ausprägung der Erkrankung von den Betroffenen verkraftet werden. Wie viel genau, ist aber nicht vorhersagbar. Es ist also wichtig, den Galaktosegehalt der Speisen so gering wie möglich halten.

Die betroffenen Kinder sollten weiterhin die Hauptlieferanten von Galaktose – Milch und Milchprodukte – vermeiden. Dieser Verzicht gilt übrigens ein Leben lang. Fachleute vermuten jedoch, dass nach der Pubertät die schädlichen Abbauprodukte besser umgewandelt werden können. Bei strenger Diät kommt es leider zu einem Mangel an Vitaminen und Spurenelementen – hier müssen regelmäßige Kontrollen durchgeführt werden. Es gibt aber Hinweise, dass die Diät mit zunehmendem Alter etwas gelockert werden kann, da der Mangel an Vitaminen und Nährstoffen größere Nachteile mit sich bringt als die Schäden durch Galaktose. Zudem empfehlen Mediziner und Medizinerinnen Ergänzungspräparate mit Vitaminen oder Kalzium. Wertvolle Tipps für einen geeigneten Speiseplan erhalten Eltern von einem Ernährungsberater oder einer Ernährungsberaterin.

Versteckte Laktose und Galaktose-Quellen in Lebensmitteln aufdecken

Da Laktose im Körper zu Galaktose aufgespalten wird, ist bei einer Galaktosämie ein lebenslanger Verzicht auf laktosehaltige Lebensmittel wichtig. Damit nicht unbeabsichtigt Laktose auf dem Teller landet, können Sie Folgendes beherzigen:

  • Möglichst frische Lebensmittel verzehren: Fertiggerichte und Fast Food können zur „Laktosefalle“ werden – Hersteller setzen zum Beispiel Säften manchmal Laktose zu oder nutzen Laktose als Trägerstoff in Gewürzmischungen. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, kocht am besten frisch.
  • Laktosefreie Milchprodukte hinterfragen: Laktosefrei heißt nicht automatisch galaktosefrei – in Kuhmilch, die mit dem Zusatz „laktosefrei“ ausgezeichnet ist, ist der Zweifachzucker Laktose bereits aufgespalten, daher enthält sie auch Galaktose.
  • Die Zutatenliste studieren: Laktose ist ein Allergen, deshalb müssen Hersteller auf der Zutatenliste darauf hinweisen, wenn es im Produkt enthalten ist. Die Angaben „Milcheiweiß“, „Molkeneiweiß“ oder „Laktit (E966)“ deuten zum Beispiel auf einen Laktosezusatz hin.
Ernährungsempfehlungen gibt die Galaktosämie Initiative Deutschland e.V.

Hinterlässt eine Galaktosämie dauerhafte Spuren?

Ohne Behandlung würden viele Betroffene innerhalb der ersten Lebenswochen sterben. Eine frühe Diät ist derzeit die einzige Behandlungsmöglichkeit. Studien berichten: Je früher die Krankheit erkannt und die Zufuhr von Galaktose beendet wird, desto geringer ist die Sterblichkeit. Allerdings können Betroffene trotz Diät körperlich und geistig beeinträchtigt sein. Das kann unter anderem daran liegen, dass der Körper selbst in geringen Mengen Galaktose bildet. Beispielsweise haben manche betroffene Kleinkinder Schwierigkeiten, sprechen oder laufen zu lernen. In der Schule haben viele Kinder auch Mühe, sich zu konzentrieren und lernen langsamer. Auch leicht brüchige Knochen oder Muskelzittern sind möglich. Und: Bei etwa jedem zweiten erkrankten Mädchen beginnt die Pubertät verspätet. Betroffene Frauen werden zudem oft nicht schwanger.

Diagnostizieren Ärzte und Ärztinnen die Stoffwechselstörung zeitnah, können akute Nieren- und Leberschäden oft verhindert werden. Das Risiko für Wachstumsstörungen, Entwicklungsverzögerungen und Sprachprobleme ist jedoch erhöht. Um die Folgen der Erkrankung bestmöglich abzufangen, können Mediziner und Medizinerinnen weitere Therapieangebote machen – Logopäden und Logopädinnen behandeln beispielsweise Sprachprobleme. Damit den Kindern das Lernen in der Schule leichter fällt, kann ein Entwicklungspädiater oder eine Entwicklungspädiaterin einen eigens auf das jeweilige Kind zugeschnittenen Bildungsplan entwerfen, der die individuellen Stärken des Kindes fördert und die Schwächen berücksichtigt. Bei Erwachsenen bietet sich manchmal eine Hormonersatztherapie oder die Gabe eisprungauslösender Medikamente an, um einen bestehenden Kinderwunsch zu erfüllen.

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