Gesunde Ernährung
Phytohormone: So fördern pflanzliche Hormone unsere Gesundheit
Veröffentlicht am:20.01.2025
6 Minuten Lesedauer
Phytohormone steuern nicht nur die Entwicklung von Pflanzen, sie können auch die menschliche Gesundheit beeinflussen – wie und in welchem Ausmaß, ist nur zum Teil erforscht. Was man über Phytohormone und ihr medizinisches Potenzial weiß.
Phytohormone – Signalgeber im Pflanzenreich
Pflanzen produzieren eigene (endogene) Hormone: die Phytohormone (phyton ist griechisch für „Pflanze“). Diese pflanzlichen Hormone steuern das Wachstum und die Entwicklung von Pflanzen und passen sie an wechselnde Umweltbedingungen an. Die Anpassung ist bei Pflanzen besonders wichtig, weil Pflanzen ihren Standort nicht wechseln können.
Die Wirkung von menschlichen und pflanzlichen Hormonen ist prinzipiell ähnlich
Phytohormone üben im pflanzlichen Organismus eine vergleichbare Funktion aus wie menschliche Hormone in unserem Körper. So steuern etwa die menschlichen Sexualhormone die Reifung der weiblichen Eizellen und der männlichen Spermien, während das Phytohormon Florigen die Blütenbildung stimuliert. Außerdem gibt es neben den menschlichen auch pflanzliche Wachstumshormone. Es gibt sogar pflanzliche Stresshormone. Wenn Menschen unter Stress stehen, sorgen Stresshormone unter anderem dafür, dass sich die Bronchien weiten und der Körper mit mehr Sauerstoff versorgt wird. Sind Pflanzen durch Wassermangel gestresst (sogenannter Trockenstress), bewirkt das Phytohormon Abscisinsäure, dass sich bestimmte Poren in den Blättern schließen, sodass weniger Wasser durch Verdunstung verloren geht.
Phytohormone sind zunehmend Gegenstand der Forschung
Wir nehmen Phytohormone – wie andere sekundäre Pflanzenstoffe auch – mit dem Verzehr pflanzlicher Lebensmittel auf. Zu den sekundären Pflanzenstoffen zählen unter anderem auch Flavonoide oder Carotinoide. Sie beeinflussen eine Vielzahl von Stoffwechselvorgängen. Pflanzliche Hormone spielen zwar im menschlichen Körper im Vergleich zu körpereigenen Hormonen eher eine untergeordnete Rolle, sind aber nicht ohne Wirkung und werden in letzter Zeit verstärkt erforscht. Neuere Studien weisen darauf hin, dass Phytohormone bestimmten Krankheiten vorbeugen: Sie können beispielsweise vor manchen Krebsarten schützen, indem sie das Zellwachstum positiv beeinflussen. Durch die Erweiterung der Blutgefäße können sie den Blutdruck senken oder neurologische, entzündungshemmende und antibakterielle Wirkungen entfalten.
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Was die wichtigsten Phytohormone in Pflanzen und Menschen bewirken
Es gibt eine Vielzahl von Phytohormonen, von denen einige bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, andere erst in diesem Jahrtausend entdeckt worden sind. Unter diesen zahlreichen Phytohormonen gelten Abscisinsäure (auch ABA für englisch absicin acid), Auxine, Cytokinine, Ethylen und Gibberelline als die Pflanzenhormone, die den pflanzlichen Stoffwechsel besonders stark beeinflussen.
In der folgenden Phytohormon-Tabelle ist Ethylen (übrigens das einzige gasförmige Phytohormon) nicht berücksichtigt. Ethylen ist unter anderem für die Reifung von Früchten wichtig. Äpfel zum Beispiel geben besonders viel Ethylen ab, das andere Obst- und Gemüsesorten in ihrer Umgebung schneller reifen lässt. (Das ist auch der Grund, warum man Äpfel und Bananen getrennt lagern sollte.) Die gesundheitsfördernde Wirkung von Ethylen im Menschen ist jedoch noch nicht ausreichend erforscht.
Vier Phytohormone und ihre Wirkungen auf den pflanzlichen und menschlichen Organismus
Phytohormon | Wichtige Wirkungen bei Pflanzen | Wichtige Wirkungen beim Menschen |
---|---|---|
Abscisinsäure (ABA) | Löst Reaktionen auf Umweltstress aus (zum Beispiel Porenverschluss bei Trockenheit); reguliert Wasserleitfähigkeit; hemmt das Wachstum bei schlechten Bedingungen; fördert den Abwurf von Blättern und Früchten. | Unterstützt die Blutzuckerregulation und fördert bei hohem Blutzuckerspiegel die direkte Glukoseaufnahme sowie die Produktion von Insulin; stärkt die Immunreaktion. |
Auxine | Fördern das Wachstum, u. a. durch Anregung der Zellteilung; sorgen zusammen mit den Cytokininen für ein ausgewogenes Wurzel- und Sprosswachstum; unterstützen die Krankheitsabwehr. | Beeinflussen den Lebenszyklus der Zellen; können potenziell die Bildung von Tumoren hemmen. |
Cytokinine | Fördern das Wachstum, u. a. durch Anregung der Zellteilung; sorgen zusammen mit den Auxinen für ein ausgewogenes Wurzel- und Sprosswachstum; unterstützen die Nährstoffverteilung; lösen Reaktionen auf Umweltstress aus. | Unterstützen die Zellvitalität der Bindegewebszellen der Haut (Anti-Aging-Effekt); schützen die Zellen vor oxidativem Stress und reduzieren stressbedingten Zelltod; stärken das Immunsystem. |
Gibberelline | Wichtig für das Höhenwachstum; steuern Samenkeimung, Spross- und Blütenbildung. | Beeinflussen den Lebenszyklus der Zellen; können potenziell die Bildung von Tumoren hemmen. |
Welche Pflanzen enthalten viele Phytohormone?
Vor allem die Abscisinsäure (ABA) steht im Blickpunkt der Forschung, da mit einer ABA-reichen Ernährung die Hoffnung verbunden ist, die Immunreaktionen des Menschen zu verbessern sowie über die Stoffwechsel- und Blutzuckerregulation Typ-2-Diabetes vorzubeugen. Der tägliche Verzehr von Obst (zum Beispiel Apfel, Banane, Aprikose, Avocado, Feige oder Zitrusfrüchte) und Gemüse (zum Beispiel Kartoffel, Tomate, Mais, Erbse oder Gurke) hält den ABA-Spiegel in unserem Körper hoch und fördert so gleichzeitig die Versorgung mit lebenswichtigen Vitaminen.
Auxin kommt vor allem in verschiedenen Gemüsesorten (wie Brokkoli, Zwiebeln und Blattgemüse), Hülsenfrüchten, Kürbiskernen, Mandeln, Erdnüssen und in den Kernen von Steinobst vor. Aber auch tierische Produkte wie Milch und Käse enthalten bestimmte Aminosäuren, die in unserem Körper zu Auxin umgewandelt werden. Cytokinine und Gibbereline schließlich finden sich in allen Pflanzen in ungefähr gleichem Maße, Gibbereline vor allem in reifenden Früchten und heranwachsenden Pflanzenteilen wie Blättern oder Blüten.
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Genügend Phytohormone durch ausgewogene pflanzenbasierte Ernährung
Die Aufnahme von Phytohormonen über die Nahrung kann das Mikrobiom des menschlichen Darms verändern und dadurch den Stoffwechsel und die Gesundheit des Menschen positiv beeinflussen. Ausreichend Phytohormone nehmen wir über eine pflanzenbasierte Ernährung zu uns.
Frische pflanzliche Lebensmittel sind immer ein Gesundheitsplus
Aber auch unabhängig von den Phytohormonen trägt eine Ernährungsweise, die auf vielen frischen pflanzlichen Lebensmitteln beruht, zur Aufrechterhaltung unserer Gesundheit bei. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt, sich überwiegend von Obst und Gemüse, Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, Nüssen und pflanzlichen Ölen zu ernähren und den Konsum von Fleisch und tierischen Produkten einzuschränken. Damit sichern wir für unseren Körper nicht nur die gesundheitsfördernde Wirkung der Phytohormone, sondern sorgen auch für alle anderen wichtigen Nährstoffe.
Phytohormone und Arzneimittel
Im Bereich der Medizin besteht noch erheblicher Forschungsbedarf, um die positiven Effekte der Phytohormone auf den menschlichen Körper besser nutzen zu können; sei es die vorbeugende Wirkung von Abscisinsäure bei Typ-2-Diabetes, die von Gibberelinen und Auxin bei Krebs und Tumoren oder das Potenzial von Cytokinin und Auxin im Zusammenhang mit der antioxidativen Abwehr des menschlichen Körpers. Cytokinin könnte auch verstärkt als Wirkstoff in Kosmetika wie Anti-Aging-Cremes und in Medikamenten zur Wundheilung oder gegen Hautkrankheiten wie Rosazea eingesetzt werden. Rosazea ist eine chronisch-entzündliche, nicht ansteckende Hauterkrankung, die im Verdacht steht, das Hautkrebsrisiko zu erhöhen.
Phytoöstrogene sind keine pflanzlichen Hormone
Phytoöstrogene sind wie die Phytohormone sekundäre Pflanzenstoffe – aber keine pflanzlichen Hormone. Die unterschiedlichen Phytoöstrogene ähneln in ihrer molekularen Struktur den Östrogenen, den weiblichen Sexualhormonen des Menschen. Deshalb können sie im menschlichen Nervensystem an den gleichen Rezeptoren andocken wie körpereigenes Östrogen, ohne selbst Hormone zu sein – daher der Name „pflanzliche Östrogene“.
Wenn sich Phytoöstrogene an die Östrogenrezeptoren binden, entfalten sie eine vergleichbare, wenn auch deutlich schwächere Wirkung als „echte“ Östrogene. Dadurch haben sie aber auch weniger Nebenwirkungen. Das macht sie besonders attraktiv zum Ausgleich eines Östrogenmangels und für die Behandlung von Beschwerden in den Wechseljahren der Frau anstelle einer herkömmlichen Hormonersatztherapie.
Phytoöstrogenen werden zahlreiche weitere gesundheitsfördernde Wirkungen zugeschrieben, von denen viele nicht ausreichend durch Studien belegt und in der Fachwelt umstritten sind. Als gesichert gilt, dass Phytoöstrogene die Knochengesundheit fördern und das Risiko für Osteoporose vermindern. Phytoöstrogene haben zudem einen positiven Einfluss auf das Herz-Kreislauf- und das Stoffwechselsystem, insbesondere senken sie den Cholesterinspiegel. Außerdem haben sie eine nachgewiesene antioxidative Wirkung.