Lebensmittel
In-vitro-Fleisch – liegt die Zukunft des Fleisches im Labor?
Veröffentlicht am:22.01.2024
4 Minuten Lesedauer
Die Start-Ups, die an kultiviertem Fleisch aus dem Labor forschen, versprechen viel: mehr Umweltschutz, weniger Tierleid, und gesünder soll Laborfleisch auch noch sein. Was ist dran an diesen Versprechen rund ums In-vitro-Fleisch?
Fleisch aus dem Labor – wieso überhaupt künstliches Fleisch erzeugen?
Fleisch essen, ohne Tiere zu töten und ohne die Umwelt so zu belasten wie in der konventionellen Fleischerzeugung. Industriell so viel Fleisch zu erzeugen, um dem wachsenden Konsum gerecht zu werden, ohne die Erde zu überlasten – das sind die Ideen hinter In-vitro-Fleisch.
Weil es um nachhaltig erzeugtes Fleisch ohne Tierleid geht, heißt Fleisch aus dem Labor auf Englisch auch Clean Meat, „sauberes Fleisch“. Statt Schweine, Rinder oder Geflügel zu schlachten, wird das Fleisch im Labor durch Gewebezüchtung künstlich hergestellt. Außerdem wollen die Erzeuger ihr Laborfleisch gesundheitlich optimieren.
Wie soll das funktionieren? Dazu muss man zunächst einen Blick auf die Herstellung werfen. Der Begriff in vitro (lateinisch „im Glas“) bezieht sich in den Naturwissenschaften auf organische Vorgänge, die außerhalb eines lebenden Organismus ablaufen, etwa in einem Reagenzglas oder einer Petrischale. Im Falle von In-vitro-Fleisch lassen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen Fleisch außerhalb eines tierischen Körpers wachsen.
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Wie wird In-vitro-Fleisch hergestellt?
Für die In-vitro-Fleisch-Produktion benötigt man Stammzellen: Zellen, die sich vermehren und in verschiedene Zelltypen wie Muskel- und Fettzellen umwandeln können. Zurzeit stammen die Zellen meist von Rindern, Schweinen und Hühnern.
- Schritt 1: Einem lebenden Tier wird etwas Muskelgewebe entnommen. Aus diesem Gewebe lassen sich Stammzellen isolieren.
- Schritt 2: Die Stammzellen werden zusammen mit einer Nährlösung in spezielle Behälter gegeben, sogenannte Bioreaktoren. Die Bioreaktoren kontrollieren Temperatur und Sauerstoffgehalt und schaffen so ideale Wachstumsbedingungen. Die Nährlösung besteht aus Zucker, Mineralien, Vitaminen, Fetten und Aminosäuren – und enthält meist auch fetales Kälberserum: Blut von Rinderfeten, das für das Gewebewachstum notwendige Wachtumsfaktoren enthält. Die Stammzellen vermehren sich in der Lösung und entwickeln sich zu Muskelzellen und Fettzellen.
- Schritt 3: Damit sich die Zellen zu Muskelfasern verbinden und zu einer Fleischstruktur wachsen können, sind Trägerschichten aus tierischem Kollagen oder pflanzlicher Stärke erforderlich. Beim Prozess der Ausfaserung durchlaufen die Zellen verschiedene Stadien, bis sich schließlich Muskelfasern zu einer fleischähnlichen Gewebestruktur verbinden.
Auf diese Weise lassen sich dünne Fleischschichten erzeugen, die Hackfleisch ähneln. Für ein Stück, das wie ein echtes Steak aussieht, braucht man dreidimensionale Trägerstrukturen, damit die Muskelzellen in alle Richtungen Fasern bilden. Es gibt schon Experimente mit speziellen 3D-Druckern, aber das ist noch Zukunftsmusik. Bis jetzt werden nur kleine Mengen Laborfleisch zu hohen Kosten kultiviert: Da kann ein Burger auch schon mal 4.000 Euro in der Produktion kosten.
Ist In-vitro-Fleisch vegetarisch oder vegan?
In-vitro-Fleisch ist ein Produkt auf der Basis von Zellen, die lebenden Tieren entnommen werden. Schon deshalb ist In-vitro-Fleisch nicht vegetarisch oder vegan. Und auch der Einsatz von Kollagen und fetalem Kälberserum widerspricht dem Gedanken, Fleisch zu erzeugen, ohne Tiere zu schlachten. Fetales Kälberserum stammt aus dem Blut ungeborener Kälber, die diese Entnahme nicht überleben. Forschende arbeiten an alternativen Nährlösungen, etwa auf Basis von Pilzen, Hefen oder Algen.
Ist In-vitro-Fleisch nachhaltig?
Die hohen Klimagasemissionen sowie viele benötigte große Flächen mit einem hohen Wasserverbrauch bei der konventionellen Fleischerzeugung sind unbestritten – gleichzeitig nimmt der weltweite Fleischkonsum zu. Umso attraktiver ist die Fleischerzeugung aus wenigen Zellen. Laut Schätzungen lassen sich aus zehn Zellen unter idealen Bedingungen 50 Tonnen Fleisch erzeugen, so dass 150 Rinder den globalen Bedarf an Rindfleisch abdecken könnten. Das klingt zunächst so, als wäre die In-vitro-Produktion mit deutlich weniger Umweltbelastungen verbunden. Aber so einfach ist es nicht: Nur der geringere Bedarf an großen Flächen ist offensichtlich. So lange es hingegen keine großen In-vitro-Produktionsanlagen gibt, weiß man nicht, wie viel Energie und Wasser Produktionsanlagen bei der Massenproduktion verbrauchen werden. Ob In-vitro-Fleisch wesentlich klimafreundlicher als konventionelles ist, hängt auch davon ab, ob erneuerbare Energien die Bioreaktoren betreiben.
Wie gesund ist Laborfleisch?
Ein hoher Konsum von konventionellem Fleisch gilt als ungesund. Ob In-vitro-Fleisch gesünder ist, lässt sich noch nicht abschätzen. Es wird bisher so wenig davon verzehrt, dass Studien und Daten zu seinem Gesundheitswert fehlen. Gewiss ist: Laborfleisch ist anders aufgebaut als natürliches Fleisch, das auch aus Fett, Blutgefäßen, Nerven und Bindegewebe besteht. Laborfleisch dürfte sich daher in seinen Wirkungen auf den Körper und die Gesundheit von traditionellem Fleisch unterscheiden. Einige Expertinnen und Experten sind der Ansicht, dass sie In-vitro-Fleisch ernährungsphysiologisch optimieren können: etwa, in dem sie den Fettgehalt senken oder das Fleisch mit gesundheitlich vorteilhaften Nährstoffen anreichern. Ob die Optimierung möglich ist, muss noch erforscht werden.
Ist In-vitro-Fleisch unbedenklich?
Bisher sind keine konkreten Risiken beim Verzehr von Laborfleisch bekannt. Vielmehr könnte Laborfleisch wegen der kontrollierten Laborbedingungen tatsächlich potenziellen Gesundheitsrisiken vorbeugen. Wenn tierische Komponenten wie Serum und Kollagen ersetzt werden, sind vom Tier auf den Menschen übertragbare Krankheiten ausgeschlossen. Vielleicht lassen sich auch der Einsatz von Antibiotika und Resistenzen von Krankheitserregern reduzieren. Das setzt aber sterile Produktionsbedingungen voraus.
Wann kommt In-vitro-Fleisch auf den Markt?
Eine weltweite Marktreife und kostengünstige Massenproduktion ist in weiter Ferne. Nur in Singapur gibt es seit 2020 in ausgewählten Restaurants kultiviertes Hühnerfleisch. In den USA dürfen zwei Unternehmen Laborfleischerzeugnisse verkaufen. In der EU unterliegt Laborfleisch der Novel-Food-Verordnung für neuartige Lebensmittel. Erzeuger müssen nachweisen, dass ihre Produkte sicher für den menschlichen Verzehr sind. Darauf folgt eine behördliche Risikobewertung und die endgültige Zulassungsentscheidung fällt die EU-Kommission. Bislang wurde in der EU noch kein Antrag auf Zulassung eingereicht.
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