Lebensmittel
Probiotika: sinnvoll oder nicht?
Veröffentlicht am:05.04.2023
4 Minuten Lesedauer
Aktualisiert am: 29.11.2024
Probiotika enthalten lebende Mikroorganismen, die die Darmgesundheit fördern sollen. Was Hersteller viele Jahre versprochen haben, konnte wissenschaftlich nie eindeutig bewiesen werden. Für wen eignen sich Probiotika und wer sollte lieber darauf verzichten?
Was sind Probiotika?
Probiotika sind Produkte, die spezielle Bakterienkulturen enthalten. Diese lebenden Mikroorganismen sind resistent gegen die Salzsäure des Magens und gelangen in den Darm, wo sie laut der Hersteller dieser Nahrungsergänzungsmittel positiv wirken sollen. Das Wort „probiotisch“ bedeutet übersetzt so viel wie „für das Leben“. Typische Mikroorganismen in probiotischen Lebensmitteln sind zum Beispiel Milchsäurebakterien, Bifidobakterien oder bestimmte Hefen.
Dass Lebensmitteln Bakterien oder andere Mikroorganismen zugesetzt werden, ist nicht neu. Schon vor Jahrhunderten wurde zum Beispiel saure Milch, die Bakterien enthielt, mit frischer Milch vermischt. Auf diese Weise wurde der erste probiotische Joghurt hergestellt. Auch bei der Herstellung von Sauerteig zum Brotbacken spielen Milchsäurebakterien eine wichtige Rolle.
Damals gab es selbstverständlich noch keine industriell angelegten Kulturen von Milchsäurebakterien, aber die zugesetzten Lebensmittel oder Ansätze enthielten ausreichend Mikroorganismen, um den sogenannten Fermentationsprozess in Gang zu bringen. Durch Zufall entdeckte man, dass Lebensmittel so länger haltbar sind oder besser verdaulich. Die Fermentation war also der Ursprung der Probiotika. Heute werden verschiedene Mikroorganismen-Kulturen gezielt hergestellt und in der Lebensmittelproduktion eingesetzt. Daneben kommen Probiotika aber auch weiterhin auf natürliche Weise vor, zum Beispiel in Joghurt, Quark, Kefir, Molke, Käse oder fermentiertem Gemüse, wie zum Beispiel Sauerkraut und Kimchi.
Wie unterscheiden sich Probiotika von Präbiotika?
Neben den Probiotika gibt es noch die sogenannten Präbiotika. Das sind spezielle unverdauliche Nahrungsbestandteile, genauer gesagt Ballaststoffe, die das Wachstum verschiedener Mikroorganismen wie zum Beispiel Bifidobakterien im Darm fördern können. Dies kann sich positiv auf die Darmgesundheit auswirken. Ein Beispiel für ein solches Präbiotikum ist Inulin. Inulin ist ein wasserlöslicher Ballaststoff aus der Gruppe der Fruktane, der bewirkt, dass andere Kohlenhydrate langsamer ins Blut übergehen. Das ist besonders bei Diabetes von Vorteil, da sich so ausgeprägte Blutzuckerspitzen vermeiden lassen.
Präbiotika kommen natürlicherweise zum Beispiel in Zwiebeln, Knoblauch, Chicorée, in Hülsenfrüchten und Beerenobst vor. Präbiotische Lebensmittel lassen sich gut in den Ernährungsplan integrieren – am besten in Kombination mit Probiotika. Den Tag mit Joghurt, Beerenobst und Haferflocken zu starten, kann dazu beitragen, die Darmflora dauerhaft zu stabilisieren. Werden ein Präbiotikum und ein Probiotikum kombiniert, sprechen Fachleute von einem Synbiotikum.
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Was bewirken Probiotika?
Früher haben Hersteller damit geworben, dass probiotische Lebensmittel wie spezielle Milchgetränke das Immunsystem und die Darmfunktion verbessern können. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) konnte diese Aussagen jedoch nicht bestätigen, da es wissenschaftlich gesehen bisher keinen Nachweis für die beworbenen positiven Effekte gibt. Die Hersteller dürfen jetzt lediglich mit der Aussage „fördert die Laktoseverdauung“ werben, denn: Für drei spezielle Stämme von Milchsäurebakterien sieht die EFSA diesen Effekt als nachgewiesen an.
Achtung Trick-Gefahr
Insgesamt darf die Bezeichnung „probiotisch“ nicht mehr auf Verpackungen und für Werbung verwendet werden. Oft stehen auf entsprechenden Lebensmitteln trotzdem weiterhin Aussagen wie „enthält Bakterien-Kulturen“ oder „unterstützt das Immunsystem“. Das ist nur durch einen Trick möglich: Die Firmen fügen den entsprechenden Produkten zusätzlich Mikroorganismen oder Vitamine hinzu, etwa Vitamin C, für die solche Effekte belegt sind.
Wissenschaftlich gesehen gibt es nur für eine Erkrankung eine bewiesene Wirkung: die sogenannte Antibiotika-assoziierte Diarrhö (AAD). Medizinerinnen und Mediziner bezeichnen damit eine akute entzündliche Darmstörung, die während und nach dem Einsatz von Antibiotika auftritt. Prinzipiell können alle Antibiotika eine AAD auslösen.
In einer Studie mit rund 6.000 Kindern wurde die Wirkung vier verschiedener Probiotika auf eine AAD getestet. Am wirkungsvollsten waren dabei die Stämme Lactobacillus rhamnosus und Saccharomyces boulardii. Die Forschenden beobachteten, dass die Probiotika bei einigen Kindern eine Diarrhö verhindern konnten. Andere Studien kamen allerdings zu dem Ergebnis, dass eine ungezielte Verabreichung von Probiotika einigen Patienten sogar schaden könnte, da sich die Darmflora langsamer erholte. Insgesamt sind die Erkenntnisse also äußerst widersprüchlich.
Für wen eignen sich Probiotika nicht?
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) betonen, dass noch nicht abschließend geklärt sei, welche Patientinnen und Patienten, die Antibiotika bekommen, von einem Einsatz von Probiotika profitieren. Möglicherweise könnte dies bei Menschen mit der chronisch-entzündlichen Darmerkrankung Colitis ulcerosa der Fall sein. Die Forschung liefert aber auch hier nur uneinheitliche Ergebnisse. Generell sollten Probiotika nicht bei Frühgeborenen, schwer Kranken oder Menschen mit einem stark geschwächten Immunsystem zum Einsatz kommen.
Eine klare Warnung vor einem Einsatz von Probiotika gibt es von der DGVS für Patientinnen und Patienten mit schweren Entzündungen im Bauchraum, wie zum Beispiel einer akuten Entzündung der Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis). Eine Studie dazu zeigte eine deutlich höhere Sterblichkeit bei Betroffenen, die gleichzeitig mit Probiotika behandelt wurden. Die Leitlinie für eine akute Entzündung der Bauchspeicheldrüse schließt daher den Einsatz von Probiotika aus.
Was ist gut für die Darmgesundheit?
Probiotische Lebensmittel aus dem Supermarkt haben den Ruf, sich bei einer Vielzahl von Krankheiten oder auch zur Vorbeugung als positiv zu erweisen. Trotzdem ist nicht abschließend geklärt, wie gut sie tatsächlich helfen.
Wer etwas für die Darmgesundheit tun möchte, ernährt sich am besten ausgewogen mit viel ballaststoffreichem Obst und Gemüse sowie Vollkornprodukten und Hülsenfrüchten. Ergänzen Sie Ihre Ernährung außerdem täglich um ein natürliches Sauermilchprodukt wie Joghurt, Kefir, fermentiertes Gemüse oder Sauerteigbrot, versorgen Sie den Darm mit ausreichend Probiotika. Darüber hinaus ist es empfehlenswert, viel zu trinken und sich zu bewegen. Der Darm profitiert nämlich nicht unbedingt von Mikroorganismen aus Probiotika, sondern vor allem von körperlicher Aktivität.
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