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Lebensmittel

Wie zuverlässig sind frei verkäufliche Tests auf Nahrungsmittelunverträglichkeit?

Veröffentlicht am:29.04.2025

5 Minuten Lesedauer

Immer mehr Menschen leiden an Nahrungsmittelunverträglichkeiten – oder ist es nur so, dass immer mehr glauben, eine Unverträglichkeit zu haben? Selbsttests auf Nahrungsmittelunverträglichkeit versprechen Klarheit. Ist dieses Versprechen seriös?

Die Hände eines Mannes liegen auf einer Tischplatte; auf dem Tisch liegen Utensilien für einen Blut-Selbsttest, darunter kleine Gefäße für Blutproben. Die Hände halten ein spezielles kleines Instrument zur Blutentnahme.

© iStock / Victor Golmer

Nahrungsmittelunverträglichkeit: empfunden oder ärztlich bestätigt?

Für Menschen mit einer Allergie oder Lebensmittelunverträglichkeit sind allergen-, laktose- oder glutenfreie Produkte eine große Hilfe, mitunter auch lebenswichtig. Für alle anderen Verbraucher und Verbraucherinnen sind sie jedoch nicht die bessere Wahl. Gluten oder Laktose sind nicht per se ungesund. Gerade glutenhaltige Vollkornprodukte sind nahrhaft, und es gibt keinen Grund für gesunde Menschen, sie zu meiden. Dennoch scheint das Angebot an „Frei von“-Produkten in den Supermärkten immer größer zu werden.

Unterschied zwischen Lebensmittelallergie und Lebensmittelunverträglichkeit

Bei einer Allergie löst das Immunsystem durch bestimmte Inhaltstoffe der Nahrung Abwehrmaßnahmen aus. Es werden Antikörper gebildet, die die allergenen Nahrungsbestandteile angreifen und eine allergische Reaktion hervorrufen.

Eine Unverträglichkeit (Intoleranz) bedeutet, dass der Mensch bestimmte Nahrungsbestandteile nicht oder nur unvollständig verwerten kann. Ursache kann zum Beispiel sein, dass die für die Verarbeitung der Nahrung notwendigen Enzyme nicht ausreichend vorhanden sind oder fehlen. Menschen mit Nahrungsmittelunverträglichkeiten haben Symptome, die sich meist auf den Verdauungstrakt beschränken, etwa Bauchschmerzen, Blähungen, Verstopfung oder Durchfall. Seltener treten Beschwerden auf, die allergischen Reaktionen ähneln (zum Beispiel Hautauschlag). Bei einer Unverträglichkeit sind keine Antikörper im Spiel. Daher spricht man dann von pseudoallergischen Reaktionen.

Die Glutenunverträglichkeit (Zöliakie) wird oft zu den Unverträglichkeiten gezählt, ist aber eine immunologische Erkrankung des Darmes und führt zu einer Autoimmunerkrankung der Darmschleimhaut (Dünndarmzotten)

Tatsächliche Häufigkeit von Nahrungsmittelallergien und -unverträglichkeiten

Nur ungefähr vier Prozent der Deutschen leiden an einer Nahrungsmittelallergie, wobei die Zahl der allergischen Reaktionen nach Selbstauskünften höher liegt als die tatsächlich diagnostizierten Fälle. Bei den Unverträglichkeiten ist das Bild ähnlich. Es gibt keine amtlichen Statistiken, es scheint aber deutlich mehr Betroffene zu geben als bei Allergien. Dies spiegelt sich auch im Verkauf der entsprechenden Lebensmittel wider, insbesondere bei laktose- und glutenfreien Produkten. Allerdings hat die überwiegende Mehrheit der Käuferschaft von gluten- oder laktosefreien Produkten keine nachgewiesene Unverträglichkeit.

Die wichtigsten Nahrungsmittelunverträglichkeiten

Viele Konsumenten und Konsumentinnen verzichten also ohne medizinische Notwendigkeit auf bestimmte Lebensmittel. Dabei geht es vor allem um vier Nahrungsbestandteile, entsprechend den vier wichtigsten Nahrungsmittelunverträglichkeiten:

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Tests auf Nahrungsmittelunverträglichkeit: zahlreiche Angebote im Netz

Es gibt also wahrscheinlich mehr Menschen, die glauben, eine Nahrungsmittelunverträglichkeit zu haben, als solche, die tatsächlich daran leiden. Das bedeutet natürlich noch nichts für den konkreten Einzelfall. Wer den Verdacht hegt, eine Nahrungsmittelunverträglichkeit zu haben, möchte Gewissheit. Und wer viel beschäftigt ist oder lange auf einen Arzttermin warten muss, sagt sich vielleicht: Ich finde es selbst heraus. Schließlich gibt es für diese Selbstdiagnose frei verkäufliche Tests. Beworben werden sie mit Slogans wie: „Nahrungsmittelunverträglichkeit sicher und bequem zu Hause testen.“

Was bei den Selbstdiagnose-Tests aber fehlt, ist eine medizinische und nicht interessengeleitete Beratung, wie sie zum Beispiel der Hausarzt oder die Hausärztin leistet. Und das, obwohl es sich durchaus um seriöse Labore handeln kann.

Wer einen Selbsttest bestellt, erhält in der Regel ein Testkit zur Blutabnahme oder, je nach Zweck des Tests, einen Einsendebogen für eine Haarprobe. Es gibt auch Materialien für Stuhl- oder Urinproben. Entsprechend der Gebrauchsanweisung entnehmen Sie die jeweilige Probe selbst (bei Blutproben in der Regel über einen Pieks in den Finger) und schicken sie mit beiliegenden Versandtaschen oder dergleichen an ein Labor, das mit dem jeweiligen Anbieter kooperiert. Anschließend werden Sie benachrichtigt, ob und welche Nahrungsmittelunverträglichkeit Sie haben oder auch nicht. So weit, so einfach – nur: Wie verlässlich ist das Ergebnis?

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Wie zuverlässig sind Tests auf Nahrungsmittelunverträglichkeit?

Um es nicht unnötig spannend zu machen: Keiner der handelsüblichen Selbsttests gibt sicheren Aufschluss über eine Lebensmittelunverträglichkeit. Das ist angesichts der Preise von oft weit über hundert Euro besonders ärgerlich. Die häufig angebotenen Tests im Überblick:

  • Bluttest auf IgG-/IgG4-Antikörper

    Bei diesen Selbsttests geht es darum, das Blut auf bestimmte Antikörper zu untersuchen, die sogenannten Immunglobuline G (IgG), und hier insbesondere. Sie werden gebildet, wenn der Körper einem bestimmten Nahrungsbestandteil ausgesetzt ist. (Oft ist auch von IgE-Antikörpern die Rede: Sie spielen bei allergischen Reaktionen eine Rolle.) Lassen sich IgG gegen ein bestimmtes Lebensmittel im Blut nachweisen, so ist dies laut Anbieter der Tests ein eindeutiger Hinweis auf eine Unverträglichkeit. Das Problem: Es ist normal, dass wir Antikörper gegen Nahrungsmittel im Blut haben. Das bedeutet nur, dass wir dieses Nahrungsmittel zu uns genommen haben. Es handelt sich um eine meist harmlose Reaktion des Immunsystems auf einen körperfremden Stoff. IgG lassen sich auch bei Gesunden nachweisen. Deshalb erlauben die mit den Tests ermittelten Werte keine Unterscheidung zwischen Menschen mit und ohne Nahrungsmittelunverträglichkeit und geben keine sicheren Hinweise auf eine Nahrungsmittelunverträglichkeit. Ohne eine medizinische Einordnung der Ergebnisse ist dieser Test irreführend.

  • Haartest

    Die Idee: Der Verzehr eines schädlichen Lebensmittels soll sich im Haar bemerkbar machen, beispielsweise im Mineralstoffgehalt – ganz ähnlich, wie sich der Konsum bestimmter Drogen über Haarproben nachweisen lässt. Der Schritt von der Theorie in die Praxis ist aber ernüchternd. Denn das funktioniert schon allein deshalb nicht, weil Haare langsam wachsen. Selbst der Teil der Haare, der der Kopfhaut am nächsten liegt, ist mehrere Wochen alt. Haare sind kein gutes Maß für den aktuellen Zustand des Körpers. Auch unabhängig davon gibt es keine wissenschaftlich fundierte Begründung für solche Tests in Bezug auf Nahrungsmittelunverträglichkeiten.

  • Histamintest

    Bei den verschiedenen Tests auf Histaminintoleranz werden entweder Blut-, Stuhl- oder Urinproben auf bestimmte Enzyme oder Stoffwechselabbauprodukte untersucht. Doch egal, welche Probe Sie mithilfe eines Testkits ins Labor schicken: Es gibt kein Laborverfahren, das eine Unverträglichkeit auf Histamin sicher nachweisen kann. Die körperlichen Zusammenhänge sind sehr komplex und dementsprechend sind es auch die diagnostischen Verfahren, die zum Beispiel eine Provokation beinhalten können. Das bedeutet, dass man einer bestimmten Dosis Histamin ausgesetzt wird, um die körperliche Reaktion darauf zu analysieren. Dazu sind aber erfahrene Mediziner und Medizinerinnen nötig. Ein Testkit zur Selbstdiagnose ist völlig nutzlos.

Ein Arzt mittleren Alters sitzt in seinem Behandlungszimmer einer jungen Frau gegenüber und erklärt ihr etwas.

© iStock / Kobus Louw

Nur medizinische Fachleute können eine Nahrungsmittelunverträglichkeit sicher diagnostizieren und behandeln.

Fazit: Vorsicht beim Selbsttest einer Nahrungsmittelunverträglichkeit

Was für Menschen mit echten Lebensmittelunverträglichkeiten ein wirksamer Schutz ist, kann für andere den Entzug wichtiger Nährstoffe bedeuten. Deshalb sollten Sie nur dann auf laktose-, fruktose- oder glutenhaltige Lebensmittel verzichten, wenn Sie tatsächlich an einer entsprechenden Allergie oder Intoleranz leiden, die von einem Mediziner oder einer Medizinerin diagnostiziert wurde.

Dies herauszufinden, erfordert jedoch ein differenziertes Vorgehen. Um eine Nahrungsmittelunverträglichkeit nicht nur zu diagnostizieren, sondern nach Möglichkeit auch zu behandeln, ist mehr als ein Selbsttest notwendig. Hier sind Fachleute gefragt. Wenn Sie den Verdacht haben, an einer Nahrungsmittelunverträglichkeit zu leiden, sprechen Sie zunächst mit Ihrem Hausarzt oder Ihrer Hausärztin. Vielleicht werden Sie an eine internistische oder gastroenterologische Praxis überwiesen. Dort kann man mit verschiedenen Testmethoden herausfinden, ob und auf welche Nahrungsmittel Sie reagieren.

In einem solchen Fall übernimmt die Kosten für einen professionellen Test auf Nahrungsmittelunverträglichkeit die Krankenkasse. Das Geld für teure Selbsttests können Sie sich sparen.

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