Lebensmittel
Wie zuverlässig sind frei verkäufliche Tests auf Nahrungsmittelunverträglichkeit?
Veröffentlicht am:29.04.2025
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Immer mehr Menschen leiden an Nahrungsmittelunverträglichkeiten – oder ist es nur so, dass immer mehr glauben, eine Unverträglichkeit zu haben? Selbsttests auf Nahrungsmittelunverträglichkeit versprechen Klarheit. Ist dieses Versprechen seriös?

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Nahrungsmittelunverträglichkeit: empfunden oder ärztlich bestätigt?
Für Menschen mit einer Allergie oder Lebensmittelunverträglichkeit sind allergen-, laktose- oder glutenfreie Produkte eine große Hilfe, mitunter auch lebenswichtig. Für alle anderen Verbraucher und Verbraucherinnen sind sie jedoch nicht die bessere Wahl. Gluten oder Laktose sind nicht per se ungesund. Gerade glutenhaltige Vollkornprodukte sind nahrhaft, und es gibt keinen Grund für gesunde Menschen, sie zu meiden. Dennoch scheint das Angebot an „Frei von“-Produkten in den Supermärkten immer größer zu werden.
Unterschied zwischen Lebensmittelallergie und Lebensmittelunverträglichkeit
Bei einer Allergie löst das Immunsystem durch bestimmte Inhaltstoffe der Nahrung Abwehrmaßnahmen aus. Es werden Antikörper gebildet, die die allergenen Nahrungsbestandteile angreifen und eine allergische Reaktion hervorrufen.
Eine Unverträglichkeit (Intoleranz) bedeutet, dass der Mensch bestimmte Nahrungsbestandteile nicht oder nur unvollständig verwerten kann. Ursache kann zum Beispiel sein, dass die für die Verarbeitung der Nahrung notwendigen Enzyme nicht ausreichend vorhanden sind oder fehlen. Menschen mit Nahrungsmittelunverträglichkeiten haben Symptome, die sich meist auf den Verdauungstrakt beschränken, etwa Bauchschmerzen, Blähungen, Verstopfung oder Durchfall. Seltener treten Beschwerden auf, die allergischen Reaktionen ähneln (zum Beispiel Hautauschlag). Bei einer Unverträglichkeit sind keine Antikörper im Spiel. Daher spricht man dann von pseudoallergischen Reaktionen.
Die Glutenunverträglichkeit (Zöliakie) wird oft zu den Unverträglichkeiten gezählt, ist aber eine immunologische Erkrankung des Darmes und führt zu einer Autoimmunerkrankung der Darmschleimhaut (Dünndarmzotten)
Tatsächliche Häufigkeit von Nahrungsmittelallergien und -unverträglichkeiten
Nur ungefähr vier Prozent der Deutschen leiden an einer Nahrungsmittelallergie, wobei die Zahl der allergischen Reaktionen nach Selbstauskünften höher liegt als die tatsächlich diagnostizierten Fälle. Bei den Unverträglichkeiten ist das Bild ähnlich. Es gibt keine amtlichen Statistiken, es scheint aber deutlich mehr Betroffene zu geben als bei Allergien. Dies spiegelt sich auch im Verkauf der entsprechenden Lebensmittel wider, insbesondere bei laktose- und glutenfreien Produkten. Allerdings hat die überwiegende Mehrheit der Käuferschaft von gluten- oder laktosefreien Produkten keine nachgewiesene Unverträglichkeit.
Die wichtigsten Nahrungsmittelunverträglichkeiten
Viele Konsumenten und Konsumentinnen verzichten also ohne medizinische Notwendigkeit auf bestimmte Lebensmittel. Dabei geht es vor allem um vier Nahrungsbestandteile, entsprechend den vier wichtigsten Nahrungsmittelunverträglichkeiten:
- Laktoseintoleranz
- Histaminintoleranz
- Fruktoseintoleranz
- Glutenunverträglichkeit
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Es gibt also wahrscheinlich mehr Menschen, die glauben, eine Nahrungsmittelunverträglichkeit zu haben, als solche, die tatsächlich daran leiden. Das bedeutet natürlich noch nichts für den konkreten Einzelfall. Wer den Verdacht hegt, eine Nahrungsmittelunverträglichkeit zu haben, möchte Gewissheit. Und wer viel beschäftigt ist oder lange auf einen Arzttermin warten muss, sagt sich vielleicht: Ich finde es selbst heraus. Schließlich gibt es für diese Selbstdiagnose frei verkäufliche Tests. Beworben werden sie mit Slogans wie: „Nahrungsmittelunverträglichkeit sicher und bequem zu Hause testen.“
Was bei den Selbstdiagnose-Tests aber fehlt, ist eine medizinische und nicht interessengeleitete Beratung, wie sie zum Beispiel der Hausarzt oder die Hausärztin leistet. Und das, obwohl es sich durchaus um seriöse Labore handeln kann.
Wer einen Selbsttest bestellt, erhält in der Regel ein Testkit zur Blutabnahme oder, je nach Zweck des Tests, einen Einsendebogen für eine Haarprobe. Es gibt auch Materialien für Stuhl- oder Urinproben. Entsprechend der Gebrauchsanweisung entnehmen Sie die jeweilige Probe selbst (bei Blutproben in der Regel über einen Pieks in den Finger) und schicken sie mit beiliegenden Versandtaschen oder dergleichen an ein Labor, das mit dem jeweiligen Anbieter kooperiert. Anschließend werden Sie benachrichtigt, ob und welche Nahrungsmittelunverträglichkeit Sie haben oder auch nicht. So weit, so einfach – nur: Wie verlässlich ist das Ergebnis?
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Wie zuverlässig sind Tests auf Nahrungsmittelunverträglichkeit?
Um es nicht unnötig spannend zu machen: Keiner der handelsüblichen Selbsttests gibt sicheren Aufschluss über eine Lebensmittelunverträglichkeit. Das ist angesichts der Preise von oft weit über hundert Euro besonders ärgerlich. Die häufig angebotenen Tests im Überblick:
Bluttest auf IgG-/IgG4-Antikörper Haartest Histamintest

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Fazit: Vorsicht beim Selbsttest einer Nahrungsmittelunverträglichkeit
Was für Menschen mit echten Lebensmittelunverträglichkeiten ein wirksamer Schutz ist, kann für andere den Entzug wichtiger Nährstoffe bedeuten. Deshalb sollten Sie nur dann auf laktose-, fruktose- oder glutenhaltige Lebensmittel verzichten, wenn Sie tatsächlich an einer entsprechenden Allergie oder Intoleranz leiden, die von einem Mediziner oder einer Medizinerin diagnostiziert wurde.
Dies herauszufinden, erfordert jedoch ein differenziertes Vorgehen. Um eine Nahrungsmittelunverträglichkeit nicht nur zu diagnostizieren, sondern nach Möglichkeit auch zu behandeln, ist mehr als ein Selbsttest notwendig. Hier sind Fachleute gefragt. Wenn Sie den Verdacht haben, an einer Nahrungsmittelunverträglichkeit zu leiden, sprechen Sie zunächst mit Ihrem Hausarzt oder Ihrer Hausärztin. Vielleicht werden Sie an eine internistische oder gastroenterologische Praxis überwiesen. Dort kann man mit verschiedenen Testmethoden herausfinden, ob und auf welche Nahrungsmittel Sie reagieren.
In einem solchen Fall übernimmt die Kosten für einen professionellen Test auf Nahrungsmittelunverträglichkeit die Krankenkasse. Das Geld für teure Selbsttests können Sie sich sparen.