Lebensmittel
Präbiotika – die Geheimwaffe gegen schädliche Darmbakterien
Veröffentlicht am:19.06.2023
5 Minuten Lesedauer
Präbiotika dienen nützlichen Darmbakterien als Nahrung und wirken sich so positiv auf die Darmgesundheit aus. Auch andere Organe profitieren von den präbiotischen Ballaststoffen, die in einigen Lebensmitteln stecken. Nebenwirkungen gibt es allerdings auch.
Was sind Präbiotika und was bewirken sie?
Präbiotika sind unverdauliche Nahrungsbestandteile (Ballaststoffe), die in bestimmten Lebensmitteln vorkommen und die Darmgesundheit unterstützen, indem sie das Wachstum und die Aktivität von nützlichen Darmbakterien fördern. Die Abbauprodukte von Präbiotika sind kurzkettige Fettsäuren, die in den Blutkreislauf gelangen und somit auch andere Organe positiv beeinflussen. Wichtige Gruppen von präbiotischen Nahrungsbestandteilen sind Galacto-Oligosaccharide (GOS), Fructo-Oligosaccharide (FOS) sowie Inulin.
Präbiotika und der Darm
Inulin ist ein wasserlöslicher Ballaststoff aus der Gruppe der Fruktane, der bewirkt, dass andere Kohlenhydrate langsamer ins Blut übergehen. Das ist besonders bei Diabetes von Vorteil, da sich so ausgeprägte Blutzuckerspitzen vermeiden lassen. Zusammen mit anderen Oligosacchariden gelangt Inulin unverdaut in den Dickdarm und „füttern“ dort die Darmbakterien. Besonders Bifidobakterien können Inulin für sich nutzen. Sie gehören zu den sogenannten Säuerungsbakterien, die für einen sauren ph-Wert im Dickdarm sorgen, indem sie die präbiotischen Ballaststoffe fermentieren. Dabei entstehen unter anderem Milch- und Propionsäure.
Der fermentative Abbau von Inulin hat einen positiven Effekt auf die Verdauung. Dabei werden etwa 40 Prozent in Biomasse, also Bakterien, 10 Prozent in Gas und 50 Prozent in Fettsäuren umgewandelt. Die vermehrte Biomasse erhöht die Stuhlfrequenz und das Stuhlgewicht, kann also bei chronisch dünnem Stuhl helfen.
Gut für den Darm: Präbiotika nach Einnahme von Antibiotika
Indirekt wirken sich Präbiotika auch auf die immununterstützende Schutzfunktion des Darms aus. So erschwert die durch Inulin angekurbelte Vermehrung der Bifidobakterien die Ausbreitung von säureempfindlichen Bakterien wie E. coli und Clostridien. Letztere können zum Beispiel verstärkt auftreten, wenn durch eine längere Einnahme von Antibiotika die Darmflora beeinträchtigt wird. Clostridien können wie E.-coli-Bakterien Darmentzündungen und schwere Durchfälle auslösen. Eine darmgesunde Ernährung mit Präbiotika baut die Mikrobiota, also die Gesamtheit der Darmorganismen, wieder auf und kann auch beim Reizdarmsyndrom und Morbus Crohn helfen.
Präbiotika und das Nervensystem
Die Wirkung von Präbiotika auf das menschliche Gehirn ist wissenschaftlich zwar noch nicht gänzlich geklärt, doch einige Untersuchungen und Studien zeigen regulierende Effekte auf. So können Präbiotika über verschiedene Wege, wie etwa über Nervenbahnen, Einfluss auf das Gehirn nehmen und sich dort unter anderem auf Neurotransmitter wie D-Serin auswirken. Ein Mangel dieses Botenstoffs kann im Zusammenhang mit depressiven Erkrankungen stehen. Indem sie die Zusammensetzung der Darmflora modellieren, können Präbiotika aber nicht nur Auswirkungen auf die Stimmung haben, sondern auch auf das Lernen. Studien haben gezeigt, dass einige Präbiotika zu einer Verbesserung des Gedächtnisses und der Konzentration führen können.
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Wie unterscheiden sich Probiotika und Postbiotika von Präbiotika?
Im Gegensatz zu Präbiotika sind Probiotika lebende Mikroorganismen, die zum Beispiel in Sauerkraut und Joghurt enthalten sind. Auch sie wirken sich positiv auf die Darmgesundheit aus und können sowohl bei Verstopfung als auch Durchfall helfen. Manchen probiotischen Lebensmitteln sind zudem noch Bifidobakterien beigemischt. Diese verbleiben zwar nicht dauerhaft im Darm, aber unterstützen hier genauso wie Präbiotika das Immunsystem durch ihre kontrollierende Wirkung gegenüber schädlichen Bakterien. Probiotika können zudem Beschwerden bei Lactoseintoleranz verringern sowie der Entwicklung von Neurodermitis vorbeugen beziehungsweise deren Ausprägung abmildern, weil sie das Immunsystem beeinflussen können.
Postbiotika sind nicht lebende Mikroorganismen, die wie Probiotika eine ähnliche Wirkung auf die Darmflora haben. Zu nennen ist hier vor allem Buttersäure (Butyrat). Sie wirkt entzündungshemmend, was besonders beim Reizdarmsyndom von Interesse ist, und beeinflusst unter anderem den Fettstoffwechsel sowie die Erneuerung des Darmephitels. Diese Zellschicht bedeckt die Innenseite der Darmwand und erneuert sich alle paar Tage – alte Darmzellen werden gegen neue Darmzellen ausgetauscht. Das Darmephitel wehrt unter anderem Viren, Gifte und Antigene ab und trägt so einen Teil zur Immunabwehr bei.
Präbiotika als Nahrungsmittelzusatz
Inulin und Oligofruktose werden häufig Lebensmitteln hinzugefügt. Sie kommen zum Beispiel in Backwaren, Milcherzeugnissen, Fruchtsäften, Müsliriegeln, Wurst oder auch Säuglingsnahrung vor. Hersteller haben dies gern mit „unterstützt eine gesunde Darmflora“ oder „verbessert die Verdauungsfunktion“ auf den entsprechenden Produkten beworben. Das ist seit 2012 verboten. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit hat die Werbesprüche geprüft und für wissenschaftlich nicht belegbar befunden. Erlaubt ist aber weiterhin die Kennzeichnung, dass die Produkte zur „normalen Verdauungstätigkeit beitragen“ oder „das Stuhlvolumen erhöhen“.
Welche präbiotischen Lebensmittel gibt es?
Präbiotika kommen in verschiedenen Gemüsesorten wie Spinat und Mangold, in Hülsenfrüchten, zum Beispiel Linsen und Bohnen, und in Beerenobst wie Himbeeren, Brombeeren und Johannisbeeren vor. Aufgrund ihrer gesamtgesundheitlichen Wirkung hat auch die Industrie Präbiotika längst für sich entdeckt. Die meisten Präbiotikaprodukte haben eine Dosierung von 1,5 bis 5 g pro Portion. Für einen positiven Effekt auf die Gesundheit bedarf es einer täglichen Dosis von 2,5 bis 10 g Präbiotika. Ernährungsexperten und -expertinnen weisen aber darauf hin, dass für gesunde Menschen eine Aufnahme von Präbiotika mittels einer ausgewogenen Ernährung vollkommen ausreichend ist. Übermäßiger Verzehr von Präbiotika wie Inulin und Oligofruktose kann leichte bis mittelschwere Nebenwirkungen wie Durchfall, Blähungen und Verstopfung verursachen.
Diese präbiotischen Lebensmittel gibt es zum Beispiel:
- Spargel
- Zuckerrüben
- Knoblauch
- Chicorée
- Zwiebeln
- Topinambur
- Weizen
- Honig
- Bananen
- Gerste
- Tomaten
- Roggen
- Sojabohnen
- Kuhmilch
- Erbsen
- Algen
- (Süß-) Kartoffeln, Reis und Nudeln (abgekühlt, weil die Stärke so ihre chemische Struktur verändert, man spricht dann von resistenter Stärke. Diese ist für den Darm fast unverdaulich, was sich positiv auf die Darmflora auswirkt.)
Welche Tipps für die tägliche Ernährung gibt es? Präbiotische Lebensmittel lassen sich ohne viel Aufwand in den täglichen Ernährungsplan integrieren. Versuchen Sie, präbiotische mit probiotischen Lebensmitteln zu kombinieren. Das kann zum Frühstück Joghurt mit Beerenobst und Haferflocken oder zum Mittagessen Kartoffeln mit Joghurt-Kräuter-Dip sein. Mit einer dauerhaften darmgesunden Ernährung kann der Anteil von Bifidobakterien im Darm erhöht und die Darmflora stabilisiert werden. Wer seine Ernährung umstellen möchte, sollte dies aber immer Schritt für Schritt tun und bei eventuellen Beschwerden oder Vorerkrankungen einen Ernährungsberater oder eine Ernährungsberaterin zu Rate ziehen.