Vitamine
Expertin im Interview: „So decken Sie Ihren Bedarf an Omega-3-Fettsäuren“
Veröffentlicht am:12.11.2020
7 Minuten Lesedauer
Aktualisiert am: 23.04.2024
Omega-3-Fettsäuren spielen bei vielen Stoffwechselprozessen unseres Körpers eine wichtige Rolle. Da der Körper die Fettsäuren jedoch nicht selbst herstellen kann, muss der Mensch sie über die Nahrung aufnehmen. Dr. Petra Schulze-Lohmann ist Ernährungswissenschaftlerin und wissenschaftliche Leiterin der Sektion Schleswig-Holstein der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Im Interview erklärt sie, welche Funktionen die Fettsäuren im Körper haben, worauf wir bei der Ernährung achten sollten und wie auch vegan und vegetarisch lebende Personen ihren Bedarf an Omega 3 natürlich decken können.

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Inhalte im Überblick
- Frau Dr. Schulze-Lohmann, Fett macht fett und ist ungesund, sagt man. Stimmt das?
- Wodurch unterscheiden sich gesättigte von ungesättigten Fettsäuren?
- Zu welcher Gruppe gehören die Omega-3-Fettsäuren?
- Wann sind Nahrungsergänzungsmittel mit Omega-3-Fettsäure notwendig?
- Welche Rolle spielen Omega-3-Fettsäuren im Säuglingsalter und für die Entwicklung von Kindern?
Frau Dr. Schulze-Lohmann, Fett macht fett und ist ungesund, sagt man. Stimmt das?
Dr. Petra Schulze-Lohmann: So pauschal stimmt das nicht. Grundsätzlich ist es so, dass Nahrungsfette eine wichtige Funktion im Körper haben. Sie werden für Zellwände benötigt, liefern lebensnotwendige Fettsäuren, sind Träger von fettlöslichen Vitaminen und auch von Geschmacks- und Aromastoffen. Sie haben sehr viele gesundheitsrelevante Eigenschaften.
Wenn Fett „fett“ macht, liegt es daran, dass man zu viele Kalorien aufnimmt und schlichtweg über dem Bedarf liegt. Fett macht natürlich schneller „fett“ als Kohlenhydrate, denn ein Gramm Fett hat bereits neun Kilokalorien. Ein Gramm Kohlenhydrate hingegen hat nur vier Kilokalorien. Ob die Ernährung ungesund ist, hängt neben der Gesamtmenge an Fett auch von der Qualität der verschiedenen Fettsäuren ab. Möchte ich vorbeugend etwas für meine Gesundheit tun, muss ich die gesamte Fettzufuhr über den Tag hinweg und die Fettqualität angucken – und an beiden Stellschrauben drehen.
Wie wichtig sind Omega-3-Fettsäuren für die Gesundheit? Mit welchen Lebensmitteln können wir unseren Omega-3-Spiegel unterstützen?
Fischsorte | Anteil EPA und DHA pro 100 g Fisch |
---|---|
Lachs (Zucht) | 2.648 mg |
Hering | 2.014 mg |
Makrele | 1.203 mg |
Lachs (Wild) | 1.043 mg |
Forelle | 935 mg |
Thunfisch, weiß | 862 mg |
Heilbutt | 465 mg |
Kabeljau | 158 mg |
Wodurch unterscheiden sich gesättigte von ungesättigten Fettsäuren?
Schulze-Lohmann: Gesättigte Fettsäuren haben Doppelbindungen zwischen den Molekülen, ungesättigte nicht. Es gibt aber noch viel mehr Unterschiede: Die Kettenlänge der Fettsäure, den Sättigungsgrad, an welcher Stelle des Moleküls die Fettsäuren ungesättigt sind und ob sie für uns lebensnotwendig, sind.
Die gesättigten Fettsäuren sind nicht essenziell, das bedeutet, unser Körper kann sie auch selbst produzieren und wir müssen sie nicht von außen durch Nahrung zuführen. Außerdem weiß man, dass eine hohe Zufuhr an gesättigten Fettsäuren das Gesamtcholesterin und das ungünstige LDL-Cholesterin im Blut erhöhen. Die „guten“ Fettsäuren sind die ungesättigten. Man unterscheidet hier zwischen einfach und mehrfach ungesättigt. Sowohl einfach als auch mehrfach ungesättigte Fettsäuren haben einen positiven Einfluss auf die Gesundheit; vor allem hinsichtlich der Blutfettwerte, also des Cholesterinspiegels. Sie sind auch in der Lage, das Risiko der Koronaren Herzkrankheit zu senken.
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Zu welcher Gruppe gehören die Omega-3-Fettsäuren?
Schulze-Lohmann: Zu den mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Bei den Omega-3-Fettsäuren gibt es jedoch auch wieder verschiedene Vertreter. Es gibt einmal die sogenannte Alpha-Linolensäure – das ist die Fettsäure, die relativ häufig in unseren Lebensmitteln vorkommt. Und dann gibt es die langkettigen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Am bekanntesten sind die Eicosapentaen- und Docosahexaensäuren (auch EPA und DHA). Diese Fettsäuren sind für den Körper besonders wichtig: Sie sind Bestandteil von allen Zellmembranen, haben eine Funktion im Entzündungsstoffwechsel und eine Bedeutung für die Aufrechterhaltung des Immunsystems und die Bildung des Nervengewebes. Ganz wichtig sind sie hier zum Beispiel für den Sehnerv und für die Netzhaut des Auges.

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Wann sind Nahrungsergänzungsmittel mit Omega-3-Fettsäure notwendig?
Schulze-Lohmann: Grundsätzlich gilt: Wer fettreichen Fisch auf seinem Speiseplan hat, braucht keine Omega-3-Nahrungsergänzungsmittel. Das Problem ist oft: Die Menschen ändern an ihrer Gesamternährung nichts und schlucken die Pille „obendrauf“, dann bringt es überhaupt nichts. Wichtig ist, die ungesunden gesättigten Fettsäuren gegen die gesunden, mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren auf dem Speiseplan auszutauschen.
Einige Fachleute in Deutschland empfehlen bei einer streng vegetarischen oder veganen Ernährung eine Nahrungsergänzung. Das sind dann entweder Fischölkapseln oder sogenannte Mikroalgenkapseln. Hierbei ist es wichtig, darauf zu achten, solche Nahrungsergänzungsmittel immer erst nach Rücksprache mit dem Arzt oder der Ärztin einzunehmen, weil es auch zu Wechselwirkungen kommen kann – beispielsweise zu einer erhöhten Blutungsneigung, denn Omega 3 wirkt blutverdünnend. Wenn man ohnehin Blutverdünner einnimmt, muss man aufpassen, dass die Wirkung des Medikaments nicht beeinflusst oder sogar verstärkt wird.
Zusätzlich spielt auch die Dosierung eine Rolle. Auch bei Omega 3 gilt: Die Dosis macht das Gift. Bei einer Überdosierung entsteht neben der verlängerten Blutungszeit auch ein Einfluss auf das Immunsystem auf den Glukose-Stoffwechsel. Die FDI (Food and Drug Administration) empfiehlt drei Gramm pro Tag als Obergrenze. Das ist schon eine ganze Menge. Die meisten Präparate sind zwar deutlich niedriger dosiert, aber man sollte diese Zahl im Hinterkopf haben. Über die normale Kost ist eine Überdosierung nicht möglich.
Welche Omega-3-Fettsäure-Quellen empfehlen Sie bei vegetarischer oder veganer Ernährung? Was ist grundsätzlich bei der Aufnahme von Omega-3-Fettsäuren zu beachten? Was ist der Unterschied zwischen Omega-3 und Omega-6?
Welche Rolle spielen Omega-3-Fettsäuren im Säuglingsalter und für die Entwicklung von Kindern?
Schulze-Lohmann: Eine ganz große Rolle. Man geht derzeit davon aus, dass insbesondere die langkettigen Omega-3-Fettsäuren einen wesentlichen Einfluss auf die Sehkraft und auf die motorische und kognitive Entwicklung des Kindes haben. Deshalb empfiehlt man heute Schwangeren und Stillenden, ein- bis zweimal die Woche fettreichen Seefisch zu essen. In der Muttermilch sind diese Fettsäuren nachweisbar. Sie werden aus dem Fettgewebe der Mutter für den Säugling freigegeben. Gestillte Säuglinge sind also nach dem derzeitigen Stand der Forschung gut mit Omega-3-Fettsäuren versorgt, wenn die Mutter ausreichend Omega 3 zu sich nimmt.