Vitamine
Wellness-Trend Drip Bar: Was steckt hinter der Infusionstherapie?
Veröffentlicht am:05.11.2024
5 Minuten Lesedauer
Strahlende Haut und ein starkes Immunsystem – wer wünscht sich das nicht? Drip Bars locken mit der Erfüllung dieser Träume; und zwar durch Nährstoff-Cocktails per Spritze. Doch Vorsicht: Eine Wirkung ist nicht belegt. Dafür gibt es etliche Risiken.
Was ist eine Drip-Spa-Infusion?
Hinter dem englischen Begriff „Drip Spa“ verbirgt sich das Spritzen von Vitaminen und Mineralstoffen direkt in die Vene. Dieses Prozedere wird auch intravenöse Vitamintherapie (IVVT) genannt. Die Flüssigkeit gelangt dabei über einen Tropf direkt in den Blutkreislauf. „Drip“ bedeutet übersetzt „Tropfen“ und ist eine Anspielung auf diesen Prozess. Der Zusatz „Spa“ steht für Wellness und bedeutet übersetzt „Kurort“ und „Heilbad“. Das vermittelt den Kundinnen und Kunden das Gefühl, sich vermeintlich etwas Gutes zu tun – wie bei einer harmlosen Massage oder Fußpflege. Sie erhoffen sich, eine gesündere Haut zu bekommen, einen Kater zu kurieren oder einfach ihr Immunsystem zu unterstützen. Einrichtungen, die über eine solche Infusionstherapie Vitamine verabreichen, nennen sich Drip Bar.
Warum das Ganze über eine Spritze geschieht? Weil Vitamine und Mineralien über die intravenöse Verabreichung direkt in den Blutkreislauf gelangen und keinen Umweg über den Magen-Darm-Trakt nehmen müssen. Das ermöglicht eine schnellere Aufnahme höherer Dosen. Bei Nahrungsergänzungsmitteln in Form von Tabletten, Kapseln oder Pulvern werden die Mikronährstoffe oft nicht vollständig vom Darm absorbiert. Eine Drip Bar lockt also damit, dass bei ihr Gesundheit und Schönheit direkt und sofort in den Körper tröpfeln.
Tatsache ist allerdings: Es gibt keine ausreichenden Beweise dafür, dass diese teure Lifestyle-Wellness-Anwendung Menschen nutzt, die nicht an einem Vitaminmangel oder einer bestimmten Erkrankung leiden. Dafür steht fest, dass der Besuch einer Drip Bar das Gegenteil bewirken kann. Es besteht nämlich die Möglichkeit, dass eine solche Infusionstherapie der Gesundheit schadet.
Drip-Spa-Infusionen: Keine medizinische Behandlung
Die sogenannten Drip Bars werden seit einigen Jahren immer beliebter. Wichtig ist dabei zu wissen: Eine Drip Bar hat nichts mit einem Krankenhaus oder einer Arztpraxis zu tun. Genau das könnte man im ersten Moment allerdings annehmen, denn eine Infusion wird von vielen Menschen automatisch einer medizinischen Behandlung zugeordnet. Und tatsächlich wird auch in der Medizin mit intravenösen Therapien gearbeitet – allerdings werden sie hier eingesetzt, um beispielsweise den Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt von Patientinnen und Patienten zu behandeln, die nicht schlucken können, dehydriert sind oder andere Erkrankungen haben. Auch Vitamine werden unter Umständen über die Vene verabreicht – beispielsweise bei bestimmten schweren Erkrankungen.
Mit diesen notwendigen medizinischen Eingriffen hat eine Drip Bar allerdings nichts zu tun. Die Angestellten dort setzen ihre teuren Spritzen häufig, ohne dass ihre Kundinnen und Kunden vorab ihre Hausarztpraxis darüber informiert haben. Auch ist nicht immer sicher, dass in einer Drip Bar vor der Behandlung Laborwerte, Gesundheitszustand oder die aktuellen Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel abgefragt und gecheckt werden. Und noch ein wichtiger Unterschied zu einer medizinischen Behandlung: In einer Drip Bar bekommen auch Menschen Infusionen, die unter keinerlei gesundheitlichen Beschwerden leiden. Sie sehen die Behandlung als Lifestyle-Dienstleistung.
Was sind Ziele der Infusionstherapie?
Was genau bei einer Drip-Bar-Infusionstherapie in den Körper fließt, kann variieren. Leitlinien, die die Behandlung transparenter und standardisierter gestalten würden, gibt es für eine Drip-Spa-Infusion nicht. Meist gelangen Mischungen verschiedener Stoffe in den Blutkreislauf – abhängig davon, ob sich der Kunde oder die Kundin mehr Energie, ein stärkeres Immunsystem oder ein weniger müdes Aussehen wünscht. So entstehen dann beispielsweise Cocktails aus den Vitaminen C und B12, Kochsalzlösung, Elektrolyten oder Glutathion, das die Zellen vor oxidativem Stress schützt. Wie bereits beschrieben, gibt es für eine positive Auswirkung solcher Nährstoff-Gemische jedoch keine ausreichend wissenschaftlichen Belege.
Welche Komplikationen können bei einer Infusionstherapie auftreten?
Unser Körper benötigt täglich bestimmte Mengen an Vitaminen und Mineralstoffen, die wir als gesunder Mensch bei ausgewogener Ernährung ganz einfach über die Nahrung aufnehmen können. Nun könnte man meinen: Viel hilft viel – und es kann doch nur gut sein, noch etwas mehr hinterher zu schießen! Aber so ist es nicht. Für einige wasserlösliche Vitamine hat unser Körper obere Toleranzgrenzen. Bei einer Infusionstherapie in einer Drip Bar besteht immer das Risiko, diese Grenzen zu überschreiten, was sich nachteilig auf die Gesundheit auswirkt. Fangen wir also an, mit Hilfe von hochdosierten Cocktails aus Vitaminen und Mineralstoffen in unsere ausgeklügelte Nährstoff-Balance einzugreifen, kann das zu kritischen Nährstoffungleichgewichten, negativen Wechselwirkungen mit Medikamenten und auch zu einem erhöhten Infektionsrisiko führen.
Beispiele für mögliche Überdosierungen
- Vitamin C
Nehmen wir während einer Drip-Bar-Infusionstherapie eine Überdosis Vitamin C zu uns, produziert unser Körper mehr Oxalate. Sie sind in hoher Konzentration giftig und haben eine antinutritive Eigenschaft. Das heißt, sie reduzieren die Aufnahme wichtiger Nährstoffe wie Calcium, Eisen und Magnesium. Auch erhöht zu viel Oxalat im Körper das Risiko für Nierensteine. - Elektrolyte
Akute Veränderungen der Elektrolyte, zum Beispiel durch Überdosierungen von Kalium, können zu tödlichen Herzrhythmusstörungen führen. - Natrium
Wird der Natriumspiegel durch eine Drip-Bar-Infusionstherapie manipuliert, beispielsweise mit isotonischer Kochsalzlösung, kann das zu einer Hirnhernie – einer Verschiebung des Hirngewebes weg von seiner normalen Position – oder zu einem Schlaganfall führen. - Magnesium
Eine schnelle Ansammlung von Magnesium kann zu einer Reihe neurologischer Symptome wie Verwirrung, prickelnden Schmerzen und Muskelschwäche/-zittern führen. - Vitamin K
Vitamin K spielt unter anderem bei der Blutgerinnung eine wichtige Rolle. Bei einer Überdosierung laufen Menschen, die gerinnungshemmende Mittel (Blutverdünner) einnehmen, Gefahr, dass ihr Medikament nicht mehr so gut wirkt. - Vitamin A
Bei einer Überdosis Vitamin A kann es zu Sehstörungen kommen.
Und noch ein wichtiger Hinweis zu möglichen Komplikationen einer Drip-Bar-Behandlung:
Bei wöchentlicher Infusionstherapie besteht ein erhöhtes Risiko einer Hyperhydration (übermäßige Flüssigkeitszufuhr), die zu Blutdruckanstieg, Gewichtszunahme oder einer Wasservergiftung führen kann. Sie kann Herzrhythmusstörungen auslösen. Außerdem können sich durch eine Wasservergiftung Lungenödeme oder Hirnödeme bilden. Letztere sind oft lebensgefährlich.
Abgesehen davon ist jeder Einstich in unseren Körper ein Eingriff – und somit auch mit Risiken verbunden. Die Gefahren dabei sind:
- Venenentzündungen
- Paravasationen (wenn Flüssigkeit nicht in die für die Infusion vorgesehene Vene läuft, sondern in das Armgewebe)
- Luftembolien (entsteht, wenn Luft in die Blutbahn gelangt)
- Infektionen durch Hautverletzungen
Tipp: In Deutschland dürfen nicht nur Ärztinnen und Ärzte Injektionen setzen, sondern beispielsweise auch Heilpraktikerinnen und -praktiker. Allerdings nur, wenn es sich nicht um apothekenpflichtige Arzneimittel oder verschreibungspflichtige Arzneimittel handelt – dies ist bei einer Drip-Spa-Infusion der Fall. Drip Bars können also durchaus von Nicht-Medizinerinnen und -Medizinern betrieben werden. Wer eine solche Einrichtung besuchen und Klarheit darüber haben möchte, wer die Injektion durchführt, kann im ersten Schritt ins Impressum und in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der jeweiligen Drip Bar schauen. Meist erhält man hier schon Anhaltspunkte über die Betreiberinnen und Betreiber der Einrichtungen. Natürlich darf ruhig auch direkt in der Einrichtung nachgefragt werden, um mehr über die Erfahrung des dortigen Personals herauszufinden.
Fazit: Besser Abstand nehmen von Drip-Spa-Infusionen
Generell gilt: Gesunde Menschen, die sich ausgewogen ernähren, müssen sich keine zusätzlichen Nährstoffe zuführen – weder über Nahrungsergänzungsmittel in Tablettenform noch über Injektionen. Wer das Gefühl hat, unter einem Mangel zu leiden, sollte dies aber natürlich nicht ignorieren. Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin empfiehlt, sich in diesem Fall von einem Allgemeinmediziner oder einer Allgemeinmedizinerin untersuchen zu lassen, um mögliche Ursachen abzuklären und eine fachgerechte Behandlung zu bekommen. Sie rät dringend davon ab, sich ohne fundierte ärztliche Beratung und Überwachung Infusionen in Drip Bars verabreichen zu lassen. Alle, die sich rundum gesund fühlen, und sich dennoch etwas Gutes tun möchten, sind mit einer schönen Massage oder einem leckeren Essen mit den Liebsten auf jeden Fall besser beraten als mit einer Nadel in der Vene.
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