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Baby & Kleinkind

Affektkrampf: Wenn Kinder vor Wut ohnmächtig werden

Veröffentlicht am:08.07.2024

5 Minuten Lesedauer

Dem Kind ist die Wut deutlich anzusehen: es schimpft, tobt und dann ist plötzlich Funkstille – ein Affektkrampf, bei dem der Nachwuchs kurzzeitig das Bewusstsein verlieren kann, ist für Eltern oft sehr beunruhigend. Was führt dazu?

Nahaufnahme von oben: Ein weinendes blondes Kleinkind steht in einem gestreiften Strampler auf einem Holzfußboden. Zu seinen Füßen liegt verstreutes Spielzeug.

© iStock / Nadezhda1906

Was ist ein Affektkrampf?

Emotionale Hochs und Tiefs gehören bei Kindern zum Alltag – sie müssen erst lernen, mit Gefühlen wie Trauer, Wut und Freude umzugehen. In einigen Fällen passiert etwas, das Eltern zutiefst beunruhigt: Durch einen intensiven Gefühlsausbruch hört das Kind auf zu atmen und wird ohnmächtig.

Das Phänomen (respiratorischer) Affektkrampf, auch als Wutkrampf oder Schreikrampf bezeichnet, betrifft etwa drei bis vier Prozent aller Kleinkinder. Manche Eltern durchleben mit ihrem Kind schon während des ersten Lebensjahrs einen Affektkrampf. Der Höhepunkt der Anfälle zeigt sich zwischen dem ersten und zweiten Geburtstag. Wie häufig die Affektkrämpfe in dieser Zeit auftreten können, ist unterschiedlich: Einige Eltern berichten davon, dass ihrem Kind mehrmals am Tag vor Wut die Luft wegbleibt, andere Kinder erleiden einige wenige Anfälle jährlich, viele auch gar keine.

Die gute Nachricht: Bei den meisten Kindern verschwinden die Anfälle mit der Zeit von allein. Gut die Hälfte alle betroffenen Kinder hat im Alter von vier Jahren keine Affektkrämpfe mehr – bei den Achtjährigen sind nur noch 17 Prozent davon betroffen. Manchmal leiden jedoch auch Jugendliche und Erwachsene unter solchen Anfällen. Einen Unterschied zwischen den Geschlechtern gibt es bei der Anfallsart oder Anfallshäufigkeit übrigens nicht – beide sind gleichermaßen betroffen.

Wie sieht ein Affektkrampf bei Kindern aus?

Mediziner und Medizinerinnen unterscheiden aufgrund der Symptome zwischen blauen Affektkrämpfen und blassen Affektkrämpfen.

  • Blaue Affektkrämpfe: Alles beginnt damit, dass das Kind völlig aufgelöst ist – es weint und lässt sich nicht beruhigen. Durch den aufgewühlten Zustand verschließt sich krampfartig die Stimmritze, während der Ausatmung treten Atemaussetzer ein, die bis zu 30 Sekunden lang anhalten. In dieser Phase färbt sich die Haut durch den Sauerstoffmangel blau. Eine Erschöpfung oder Bewusstlosigkeit ist bei dem blauen Affektkrampf möglich, aber kein Muss. Manchmal berichten Eltern davon, dass ihr Kind für wenige Sekunden einen Krampf erleidet. In weniger als 60 Sekunden ist der Spuk jedoch vorbei und das Kind nach einigen Minuten wieder topfit. Die blauen Affektkrämpfe kommen am häufigsten vor – bei Wutanfällen, zum Beispiel nachdem sich die Kinder zu Unrecht kritisiert oder beschuldigt fühlen.
  • Blasse Affektkrämpfe: Das Kind erscheint dabei zunächst unauffällig, womöglich gibt es nach dem auslösenden Ereignis einen kleinen Aufschrei. Dann geht alles schnell: Das Gehirn sendet über den sogenannten Vagusnerv eine Nachricht durch den Körper – die Herzfrequenz verlangsamt sich, manchmal setzt der Herzschlag sogar für einige Sekunden aus. Eltern halten nun ein blasses, bewusstloses Kind im Arm, das die Gliedmaßen durchstreckt. Auch ein blasser Affektkrampf kann zu Krämpfen führen, die einige wenige Sekunden anhalten – wenn Kinder in der Situation die Kontrolle über die Blase verlieren, nässen sie sich ein. Nach etwa 10 bis 30 Sekunden ist der Anfall überwunden: Der Herzschlag beschleunigt sich, Atmung und Bewusstsein sind wieder da. Bevor Kinder einen blassen Affektkrampf entwickeln, erleiden sie oft eine Bagatellverletzung wie einen Stoß oder Sturz – Angst und Schmerz sind beim blassen Affektkrampf die treibenden Faktoren.

Bei den sogenannten gemischten Affektkrämpfen zeigen Kinder sowohl Symptome der blauen als auch der blassen Affektkrämpfe.

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Warum haben Kinder Affektkrämpfe?

Aus Elternsicht sind es oft Kleinigkeiten, die zu einem Affektkrampf führen. Manchmal reicht es, wenn der Abendbrot-Teller einfach die falsche Farbe hat. Klingt nicht weiter dramatisch, oder? Bei einigen Kindern können solche Dinge, die sie als Widrigkeiten empfinden, jedoch starke Gefühle hervorrufen: Frustration, Wut oder Schmerz überkommt sie im wahrsten Sinne des Wortes.

Ist ein Affektkrampf gefährlich?

Plötzlich ist das Kind ohnmächtig und läuft blau an – keine Frage, ein Affektkrampf beim Kind ist erstmal beängstigend. Doch auch wenn die Situationen lebensbedrohlich erscheinen, ein Affektkrampf ist nicht gefährlich und hinterlässt auch keine bleibenden Schäden. Eine gewisse Gefahr gibt es aber: Setzt der Affektkrampf plötzlich ein, können Kinder stürzen und sich verletzen – daher ist es wichtig, dass Eltern ihren Nachwuchs bei Wutanfällen im Auge behalten, insbesondere, wenn das Kind zu Affektkrämpfen neigt.

Aufnahme eines weinenden Kindes, das einen blauen Pullover trägt. Vorn im Bild ist der Kopf einer erwachsenen Person zu sehen, die zu ihm aufblickt. Die Person umfasst die Handgelenke des Kindes und scheint auf es einzureden.

© iStock / Juanmonino

Affektkrampf: Was tun, wenn das Kind ohnmächtig wird?

Wie heißt es so schön? Vorbeugung ist der beste Schutz – im gewissen Umfang funktioniert das auch bei Affektkrämpfen. Der Schlüssel ist, das Kind rechtzeitig in seiner Wut zu bremsen. Eltern können leicht reizbare oder lebhafte Mädchen und Jungen, die besonders zu Affektkrämpfen neigen, zum Beispiel bei einem sich anbahnenden Anfall mit ungewohnten Klängen oder durch lautes Zurufen ablenken – eine kleine Glocke oder eine Eieruhr können dabei helfen, den Ärgerkreislauf zu durchbrechen.

Funktioniert der Plan nicht und tritt der Affektkrampf ein, sollten Eltern ihre Kinder in die stabile Seitenlage bringen. Ganz wichtig: Ruhe bewahren – und das Kind in keinem Fall schütteln, sonst läuft es Gefahr, ein Schütteltrauma zu erleiden.

Einmal durchlebt, ist der Drang bei Eltern groß, dem Willen des Kindes nachzugeben, um keine Wut und damit keine Anfälle mehr zu provozieren – das ist nur verständlich. Experten und Expertinnen halten das aber nicht für den richtigen Weg, denn so kann ein Teufelskreis entstehen. Durch fehlende Grenzen sind die Kinder dann künftig noch weniger kompromissbereit und steigern sich verstärkt in auslösende Faktoren hinein. Den Mittelweg zu finden, ist gar nicht so einfach – eine Praxis für Kinder- und Jugendmedizin kann Eltern bei Bedarf geeignete Beratungsstellen empfehlen.

Vorgehen bei Affektkrämpfen

  1. Ruhig bleiben
  2. Das Kind gut beobachten und vor Stürzen bewahren
  3. Betroffene Kinder in die stabile Seitenlage bringen
  4. Abwarten – der Affektkrampf ist in wenigen Sekunden bis Minuten vorbei, die regelmäßige Atmung sollte nach 30 Sekunden von allein wieder einsetzen
  5. Das Kind danach nicht ausschimpfen, sondern „normal“ behandeln

Beim Erstanfall ist ein Arztbesuch ratsam

Beobachten Eltern einen Anfall mit Bewusstlosigkeit und Atempause bei ihrem Kind, ist es sinnvoll, die möglichen Ursachen mit einer Ärztin oder einem Arzt zu besprechen. Der Kinderarzt oder die Kinderärztin überprüft dann, ob hinter den Anfällen eine Epilepsie stecken kann. Das ist eine chronische Erkrankung des Zentralnervensystems. Mediziner und Medizinerinnen müssen dafür meist keine umfangreichen Untersuchungen machen, eine genaue Schilderung der Umstände reicht in der Regel aus.

Zur besseren Einordnung können Eltern den Anfall, wenn möglich, mit einem Smartphone filmen und dem Arzt oder der Ärztin zeigen. Gut zu wissen: Für Affektkrämpfe gibt es keine Medikamente, die Mediziner und Medizinerinnen standardmäßig verschreiben. Manchmal verabreichen sie jedoch das Spurenelement Eisen – die Gabe kann einen eventuell bestehenden Eisenmangel ausgleichen, der als begünstigender Faktor gilt. Außerdem kann Eisen womöglich bei Überreizung des vegetativen Nervensystems helfen. In besonders schweren Fällen können Kinder ein spezielles Antiepileptikum erhalten.

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