Baby & Kleinkind
Was tun bei Milchstau?
Veröffentlicht am:17.08.2022
7 Minuten Lesedauer
Ein schmerzhaftes Ziehen und kleine verhärtete Stellen in der Brust – so kündigt sich ein Milchstau oft an. Wer rechtzeitig handelt, wirkt einer Brustentzündung entgegen. Doch wie können Stillende den Stau im Milchgang beheben?
Frau Christiane Stange ist Stillberaterin und zweite Vorstandsvorsitzende bei La Leche Liga Deutschland e.V.
Im Interview erklärt sie, was ein Milchstau ist und wie Stillende ihm vorbeugen können.
Was ist ein Milchstau und welche Ursachen hat er?
Bei einem Milchstau bildet sich in den Milchgängen der Brust eine Verengung – die Milch fließt dann nicht mehr richtig ab und es kommt zu einem Stau. Das kann mehrere Gründe haben. In vielen Fällen steckt eine mechanische Ursache dahinter. So kann die weibliche Brust einen Milchstau entwickeln, wenn sie Druck ausgesetzt ist, zum Beispiel durch eine Tragehilfe oder durch einen zu eng sitzenden Büstenhalter (BH). Manchmal führen auch ganz banale Situationen wie eine ungünstige Schlafposition, bei der ein hartes Kissen auf die Brust drückt, zu einem Milchstau. Eine weitere mögliche Ursache ist, dass sich die produzierte und die getrunkene Milchmenge noch nicht eingespielt haben – dadurch kann die Brust übervoll sein und ein Stau entstehen. Allerdings führt eine sehr volle Brust nicht automatisch zu einem Milchstau. Wenn sich der Säugling eine falsche Trinktechnik angewöhnt oder ein zu kurzes Zungenbändchen hat, kann das ebenfalls die unangenehmen Staus begünstigen. In diesen Fällen erfasst das Baby die Brustwarze oft nicht richtig und leert die Brust demnach nicht effektiv.
Stress und Überlastung spielen manchmal eine Rolle, allerdings sind sie selten die einzige Ursache. Zwar können Stresshormone sich ungünstig auf die Milchbildung und den Milchfluss auswirken, der Ratschlag: „Entspann dich, dann fließt alles von alleine“ reicht aber meist nicht aus und setzt Frauen unnötig unter Druck.
Was ist der Unterschied zwischen einem Milchstau und einer Mastitis?
Ein Milchstau kann fließend in eine Brustentzündung, auch Mastitis genannt, übergehen. Bei einem Milchstau bemerken Frauen eine druckempfindliche Stelle an der Brust, Rötungen oder andere unangenehme, aber nicht kritische Beschwerden. Verstärkt sich die Entzündung, liegen Frauen mit grippeähnlichen Symptomen wie Gliederschmerzen oder Fieber richtig flach – der ganze Körper reagiert nun auf das lokale Entzündungsgeschehen in der Brust. Ganz wichtig ist: Ein Milchstau kann sich zu einer Brustentzündung entwickeln, das muss aber nicht sein. Mit Kühlen oder viel Stillen können Frauen eine Mastitis häufig vermeiden.
Passende Artikel zum Thema
Woran erkennen Stillende einen Milchstau?
Frauen können in jedem Stillabschnitt einen Milchstau entwickeln – er kann also Mütter mit Neugeborenen genauso treffen wie Frauen mit älteren Stillkindern. Der Milchstau tritt dann in einer Brust oder in beiden Brüsten auf und löst verschiedene Beschwerden aus.
Dazu zählen:
- die Brust reagiert empfindlich auf Druck,
- sie bildet verhärtete, knotige und schmerzende Stellen aus,
- die Brust ist an den betroffenen Stellen gerötet,
- sie fühlt sich großflächig warm an.
Auch wenn die Milchstau-Symptome für Stillende sehr unangenehm sind, lösen sie kein ausgeprägtes Krankheitsgefühl aus. Hohes Fieber tritt bei Milchstau beispielsweise nicht auf. Die Frauen können ihren Alltag also in der Regel noch bewältigen – bei einer Brustentzündung oft nicht mehr.
So hilft die AOK
AOK-Clarimedis
Mit AOK-Clarimedis erhalten AOK-Versicherte medizinische Informationen am Telefon.
Milchstau, was tun?
Es gibt einiges, was Frauen bei einem Milchstau tun können, um die Beschwerden zu lindern und dem Körper bei der Regeneration zu helfen.
- Dem Körper Ruhe gönnen: Das Allerwichtigste ist, dass sich die Frauen jetzt ausruhen. Im Familienleben, vor allem mit einem Säugling, ist das gar nicht so einfach. Allerdings benötigt der Körper jetzt eine Auszeit, um seine Kräfte zu bündeln und den Milchstau zu beheben. Wenn immer es der turbulente Alltag zulässt, sollten sich Stillende deshalb Pausen gönnen und sich ausruhen.
- Die Milch am Fließen halten: Damit sich die Milch nicht noch weiter staut, entleeren Frauen ihre Brust am besten oft. Das klappt beispielsweise mit häufigem Anlegen des Säuglings (mindestens alle zwei Stunden) oder einer Milchpumpe, die Frauen mit und ohne Rezept in der Apotheke erhalten. Eine weitere Möglichkeit ist, den Milchstau auszustreichen, wobei der Begriff irreführend ist. Frauen streichen die Milch dabei nicht nach vorne aus, wie der Begriff nahelegt, sondern entleeren die Brust mit „Melkbewegungen“. Wie das genau geht, können Stillende in dem Infoblatt „Milchstau und Brustentzündung“ nachlesen. Leider hält sich das Gerücht noch immer hartnäckig, dass Frauen bei einem Milchstau abstillen sollten, dabei ist häufiges Anlegen vielmehr die Lösung für das Problem.
- Wärme und Kälte auf die Brust geben: Wärme vor dem Stillen und Kälte nach dem Stillen haben sich ebenfalls bewährt. Die Wärme sorgt dafür, dass sich alles in der Brust weitet, entspannt und die Milch besser fließen kann. Betroffene empfinden die Kälte nach dem Stillen als sehr wohltuend – sie dient also zur Beschwerdelinderung.
„Leider hält sich das Gerücht noch immer hartnäckig, dass Frauen bei einem Milchstau abstillen sollten, dabei ist häufiges Anlegen vielmehr die Lösung für das Problem.“
Christiane Stange
Stillberaterin und zweite Vorstandsvorsitzende bei dem Verein La Leche Liga Deutschland e.V.
Welche Hausmittel können bei einem Milchstau helfen?
Ein aufgewärmtes Kirschkernkissen, eine Wärmflasche oder ein warmer Waschlappen – all das versorgt die Brust mit wohltuender Wärme. Um Kälte an die Brust zu bringen, können Frauen Gelpacks aus dem Kühlschrank nutzen und auf bewährte Hausmittel wie Kohlblätter oder Quarkwickel setzen. Die Lebensmittel spenden nicht nur Kälte, sondern besitzen auch entzündungshemmende Eigenschaften. Für die Quarkwickel tragen Stillende den kalten Quark auf die Brust auf und können sie danach mit dünnem Verbandsmaterial umwickeln. Die Kohlblätter besitzen ätherische Öle, die beim Zerkleinern austreten – Frauen lagern die Blätter also am besten zunächst im Kühlschrank und zerdrücken sie dann mit einem Nudelholz. Danach können Stillende die Kohlblätter mit einem Büstenhalter an der Brust fixieren. Wie lange der Quark oder die Kohlblätter auf der Brust verbleiben, dafür gibt es keine feste Vorgabe. Hier können Stillende nach ihrem Gefühl gehen. Die Anwendung der Hausmittel ist unterschiedlich aufwendig – wichtig ist, dass die Maßnahmen keinen zusätzlichen Stress verursachen, sondern zum Alltag der Mütter passen.
Wann sollten Frauen mit einem Milchstau einen Arzt oder eine Ärztin aufsuchen?
Betroffene Frauen können zunächst die verschiedenen Maßnahmen wie häufiges Stillen, viel Ruhe und Wärme sowie Kälte ausprobieren. Außerdem ist es sinnvoll, den Milchstau gemeinsam mit der Hebamme im Blick zu behalten – Hebammen haben meist viel Erfahrung damit und wissen genau, wann ein ärztlicher Rat notwendig ist. Generell gilt: Fühlen sich Frauen sehr krank, haben sie hohes Fieber, oder verschlimmern sich die Beschwerden, kann das auf eine Brustentzündung hindeuten – und das klärt am besten ein Gynäkologe oder eine Gynäkologin ab. Schließlich kann nicht nur ein Milchstau, sondern auch eine bakterielle Infektion zu einer Mastitis führen.
Wie lange dauert es, bis der Milchstau weg ist?
Das ist von Frau zu Frau verschieden. Häufig dauert es nur wenige Tage, bis sich die sichtbaren Symptome des Milchstaus wie Rötungen oder Schwellungen zurückbilden. Eine Besserung der Beschwerden bedeutet aber nicht automatisch, dass der Milchstau bereits ausgestanden ist. Manchmal berichten Frauen davon, dass sie innerhalb von drei Wochen dreimal einen Milchstau hatten – oft handelt es sich dabei aber um ein und denselben. Deshalb empfehle ich Frauen, die Maßnahmen wie Wärme- und Kältepackungen noch einige Tage länger fortzuführen. Ein weiterer Tipp ist, die betroffenen Bereiche gut zu beobachten – damit bemerken Stillende rechtzeitig ein „Aufflammen“ des Milchstaus und können mit den Hausmitteln erneut dagegenhalten.
„Eine Besserung der Beschwerden bedeutet nicht automatisch, dass der Milchstau bereits ausgestanden ist.“
Christiane Stange
Stillberaterin und zweite Vorstandsvorsitzende bei dem Verein La Leche Liga Deutschland e.V.
Können Stillende einem Milchstau vorbeugen?
Ja, auf jeden Fall. Frauen vermeiden dazu in erster Linie das, was einen Milchstau auslösen kann, zum Beispiel zu enge Büstenhalter. Am besten legen sich Stillende nicht auf eine bestimmte Größe oder ein Modell fest. Die Brüste verändern sich mit der Schwangerschaft und in der Stillzeit meist erneut. Da die Größenentwicklung nicht genau vorhersehbar ist, bleiben Frauen im optimalen Fall flexibel, falls nötig kaufen sie einen neuen Büstenhalter hinzu – ein unangenehmes Druckgefühl oder Druckstellen auf der Haut deuten darauf hin, dass ein BH-Wechsel sinnvoll ist.
Da die richtige Trinktechnik des Säuglings dabei hilft, einem Milchstau entgegenzuwirken, bietet sich bei Stillproblemen eine Stilberatung an. Haben Mütter den Eindruck, dass ihr Kind nicht mit „Saugnapftechnik“, sondern eher nach Strohhalmprinzip trinkt, oder verspüren sie Schmerzen beim Stillen, profitieren sie oft von einer Stillberatung. Auch hierbei kann die Hebamme helfen. Frauen können sich auch beispielsweise bei den ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen der La Leche Liga informieren, wie sie ihr Baby richtig anlegen.
Auch wenn Stress meist nicht die Hauptursache ist, kann er einen Milchstau begünstigen. Im optimalen Fall verfügen Mütter über ein Netzwerk, das sie vor Überlastungen schützt. Wenn der Partner oder die Freundin mit dem Baby einen Spaziergang macht, ist das schon eine große Entlastung. Letztendlich ist das Stillen ein Vollzeitjob, bei dem Frauen keine geregelten Arbeitszeiten, Pausen oder ein Handbuch haben – diese besondere Form der Fürsorge nimmt viel Zeit in Anspruch. Verbringen Mütter zu Beginn der Stillzeit den Großteil des Tages mit dem Baby auf dem Sofa, ist das vollkommen in Ordnung.