Baby & Kleinkind
Polydaktylie: Wie kommt es zu überzähligen Fingern oder Zehen?
Veröffentlicht am:03.02.2025
5 Minuten Lesedauer
Wenn ein Baby mit einem oder mehreren Fingern oder Zehen zu viel auf die Welt kommt, sieht das auffällig aus, ist aber in den meisten Fällen kein großes gesundheitliches Problem. Hier erfahren Sie, wie Polydaktylie behandelt wird.
Sechs Finger oder Zehen: Wie schlimm ist Polydaktylie?
Manche medizinischen Phänomene erklären sich fast von selbst, wenn man den entsprechenden Fachbegriff ins Deutsche übersetzt. Die griechische Vorsilbe polý bedeutet „viel“ und dáktylos ist das griechische Wort für „Finger“ oder „Zehe“. Entsprechend lautet der deutsche Name für diese angeborene Fehlbildung: Vielfingrigkeit oder Mehrfingrigkeit. Die deutschen Bezeichnungen greifen jedoch begrifflich insofern zu kurz, als eine Polydaktylie sowohl die Finger als auch die Zehen betreffen kann. Werden Babys mit mehr als fünf Fingern oder Zehen an mindestens einer Hand oder einem Fuß geboren, spricht man von Polydaktylie.
Es ist nur allzu verständlich, dass Eltern zunächst geschockt sind, wenn ein Baby sechs Finger oder Zehen an einer Hand oder einem Fuß hat. Allerdings besteht selten Grund zur Sorge. In den meisten Fällen ist die Polydaktylie harmlos und kann in der Regel durch einen unkomplizierten chirurgischen Eingriff behoben werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn außer den überzähligen Zehen oder Fingern keine weiteren gesundheitlichen Auffälligkeiten vorliegen. Dies trifft auf die große Mehrzahl der Fälle zu und bedeutet: Die Kinder sind gesund und haben lediglich einen Finger oder eine Zehe zu viel. Seltener ist Polydaktylie ein Anzeichen für eine zugrunde liegende Erkrankung oder Beeinträchtigung. Deshalb müssen alle Neugeborenen mit überzähligen Fingern oder Zehen sorgfältig untersucht werden, um Krankheiten zu erkennen oder auszuschließen. Dieses routinemäßige Vorgehen sollte die Eltern nicht beunruhigen.
Passende Artikel zum Thema
Unterschiedliche Formen der Vielfingrigkeit
Je nachdem, um welche Finger oder Zehen es geht, gibt es drei Hauptarten der Polydaktylie:
- präaxiale Polydaktylie: zusätzliche Finger oder Zehen seitlich des Daumens oder der großen Zehe
- zentrale Polydaktylie: zusätzliche Finger oder Zehen in der Hand- oder Fußmitte
- postaxiale Polydaktylie: zusätzliche Finger oder Zehen seitlich des kleinen Fingers oder der kleinen Zehe
Weitere Begriffe beziehen sich jeweils nur auf die Hand oder den Fuß:
- radiale Polydaktylie: Daumendopplung
- ulnare Polydaktylie: Kleinfingerdoppelung
- tibiale Polydaktylie: Großzehendoppelung
- fibulare Polydaktylie: Kleinzehendoppelung
Meistens haben betroffene Kinder nur einen zusätzlichen Finger oder Zeh. Dafür gibt es den Begriff Hexadaktylie (Sechsfingrigkeit oder Sechszehigkeit). Generell können zusätzliche Zehen oder Finger sehr unterschiedlich entwickelt sein, von kleinen Anhängseln ohne Knochen und Muskeln bis zu voll ausgebildeten und funktionsfähigen zusätzlichen Fingern oder Zehen.
Manchmal geht die Polydaktylie mit Syndaktylie einher, dem Zusammenwachsen von Fingern oder Zehen. Das ist besonders oft bei der zentralen Polydaktylie der Hand der Fall: Das heißt, der zusätzliche Finger verwächst mit einem seiner Nachbarn zu einem breiten zentralen „Doppelfinger“.
Wie oft kommt Polydaktylie vor?
Polydaktylie ist eine der häufigsten angeborenen Fehlbildungen. Die Anzahl der Fälle variiert jedoch je nach Art der Polydaktylie, dem Geschlecht des Kindes und der Bevölkerungsgruppe:
- Ein sechster Finger oder Zeh (Hexadaktylie) ist häufiger als zwei zusätzliche Finger oder Zehen.
- Eine zusätzliche Gliedmaße neben dem kleinen Zeh oder Finger (Postaxiale Polydaktylie) ist häufiger als neben dem Daumen oder großen Zeh (präaxiale Polydaktylie).
- Männliche Babys kommen häufiger mit überzähligen Fingern oder Zehen zur Welt als weibliche.
- und dunkelhäutige Babys wesentlich häufiger als hellhäutige.
In einer umfangreichen Studie wurden folgende Zahlen für alle Formen der Polydaktylie nach Geschlecht und Hautfarbe ermittelt. Demnach sind von Polydaktylie betroffen:
- 2,3 von 1.000 männlichen hellhäutigen Neugeborenen
- 0,6 von 1.000 weiblichen hellhäutigen Neugeborenen
- 13,5 von 1.000 männlichen dunkelhäutigen Neugeborenen
- 11,1 von 1.000 weiblichen dunkelhäutigen Neugeborenen
Ursache: Wie entsteht eine Polydaktylie?
Tritt eine Polydaktylie ohne weitere Erkrankungen auf, kann ihre Ursache oft nicht geklärt werden. Die Forschung hat in einigen Fällen genetische Auffälligkeiten nachgewiesen, zum Beispiel Veränderungen auf bestimmten Chromosomen, die für die Fehlbildung verantwortlich sein könnten. Solche Veränderungen können auch vererbt werden. Wenn eine Stammbaumanalyse weitere Fälle von Polydaktylie in der Familie aufdeckt, ist eine autosomal-dominante Vererbung anzunehmen – das heißt, die Fehlbildung wird in einer Familie von Generation zu Generation weitergegeben. Ein anderer Erklärungsansatz geht davon aus, dass es in einer bestimmten Phase der Schwangerschaft zu einer Störung der Embryonalentwicklung kommt, die zur Ausbildung von zu vielen Fingern oder Zehen führt.
Polydaktylie als Teil eines Syndroms
Etwas Anderes ist eine Polydaktylie im Rahmen eines Syndroms. Syndrom beschreibt in der Medizin ein komplexes Krankheitsbild mit einer Kombination verschiedener Symptome, die oft gemeinsam auftreten. Syndrome, die von Geburt an bestehen, sind manchmal Erbkrankheiten oder entstehen durch zufällige Fehler bei der Zellteilung, bei der es zum Beispiel zu einer zusätzlichen Kopie eines Chromosoms kommt. Solche Syndrome haben also eine genetische Ursache. Wenn die Polydaktylie Ausdruck eines Syndroms ist, so sind die überzähligen Finger oder Zehen auf den hierfür charakteristischen Gendefekt zurückzuführen.
Syndrome, die mit Polydaktylie einhergehen können
Syndrome mit genetischer Ursache, bei denen Polydaktylie zu den Symptomen gehören kann, sind zum Beispiel:
- Meckel-Gruber-Syndrom
- Trisomie 13 (Pätau-Syndrom)
- Akrokallosales Syndrom
- Basalzellnävussyndrom (Gorlin-Goltz-Syndrom)
- Down-Syndrom (Trisomie 21)
Viele dieser Syndrome sind mit zahlreichen Beschwerden und Beeinträchtigungen verbunden. Die Polydaktylie selbst stellt demgegenüber ein geringes Problem dar. Allerdings sind diese Syndrome selten und auch selten die Ursache einer Polydaktylie.
Die AOK übernimmt die Kosten für alle notwendigen Früherkennungsuntersuchungen und Tests
Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft
Regelmäßige Kontrolluntersuchungen während der Schwangerschaft sind für das Wohl Ihres Kindes wichtig.
Wie wird eine Polydaktylie behandelt?
Kommt ein Kind mit überzähligen Fingern oder Zehen zur Welt, können bildgebende Verfahren, also beispielsweise eine Röntgenuntersuchung, zeigen, wie die Knochen des zusätzlichen Fingers oder der zusätzlichen Zehe entwickelt sind und welche Möglichkeiten zur Behandlung sich daraus ableiten.
Meist werden operative Eingriffe aus ästhetischen Gründen vorgenommen. Das heißt, dass die Hand oder der Fuß auch ohne einen solchen Eingriff voll funktionsfähig wäre. Auch praktische und soziale Gründe spielen eine Rolle: (Hand-)Schuhe sind nun einmal auf fünf Zehen oder Finger ausgelegt. Außerdem wollen Eltern vermeiden, dass ihr Kind wegen der überzähligen Finger oder Zehen gehänselt wird. In einigen Fällen ist eine Operation jedoch zwingend notwendig, um die Greiffähigkeit der Hand oder die Gangsicherheit zu verbessern.
So unterschiedlich die Formen der Polydaktylie sind, so verschieden sind auch die Operationsmethoden. Kleine Anhängsel lassen sich unkompliziert ambulant entfernen; entweder durch Abbinden oder durch einen kleinen Schnitt unter örtlicher Betäubung. In anderen Fällen, insbesondere bei Verwachsungen, reicht eine einfache Amputation der überzähligen Finger und Zehen nicht aus. Dann ist eine anspruchsvollere Operation erforderlich, um die volle Funktionsfähigkeit des Fußes oder der Hand zu gewährleisten. In der Regel wird im ersten Lebensjahr operiert, manchmal aber auch länger gewartet. Welche Operation zu welchem Zeitpunkt durchgeführt wird, ist eine individuelle, auf das Kind abgestimmte Entscheidung. Die Heilungschancen sind in jedem Fall sehr gut: Die meisten Kinder können nach der Operation ihre Finger und Zehen mit voller Beweglichkeit benutzen.
Hilfe für Eltern bei Fragen rund um die Gesundheit ihres Babys
AOK-Baby-Telefon – medizinische Elternberatung
Krankheiten, Impfungen oder Diagnose – medizinische Fachleute unterstützen Eltern mit Babys und kleinen Kindern direkt am Telefon.