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Beziehung

Fernbeziehung – Tipps, damit sie gelingt

Veröffentlicht am:19.12.2022

8 Minuten Lesedauer

In einer Fernbeziehung ist die Sehnsucht bei Paaren oft groß. Auch wenn die Liebe auf Distanz eine Herausforderung ist, können Fernbeziehungen klappen. Doch wie kann der Alltag aussehen und was ist beim Wiedersehen wichtig?

Junges verliebtes Paar führt eine Fernbeziehung und schließt sich zur Begrüßung am Bahnsteig in die Arme.

© iStock / Nikola Stojadinovic

Dr. Peter Wendel, Buchautor und wissenschaftlicher Projektleiter an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.

© Doreen Bierdel

Dr. Peter Wendl ist Buchautor und wissenschaftlicher Projektleiter an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Er forscht intensiv zum Thema Fernbeziehungen und gibt im Interview Tipps, mit denen eine Fernbeziehung gelingen kann.

Wann gilt eine Beziehung als Fernbeziehung?

Eine Fernbeziehung besteht dann, wenn ein Paar im Alltag regelmäßig länger getrennt voneinander lebt als zusammen. Hier gibt es sogenannte „Short-Termer“ und „Long-Termer“. Die „Short-Termer“ sind diejenigen, die regelmäßig, aber für eine überschaubare Zeit, getrennt sind – darunter fallen die Wochenendbeziehungen. Klassischerweise sehen sich die Paare dann nur am Samstag und Sonntag, den Rest der Woche verbringen sie ohne den Partner oder die Partnerin. Die „Long-Termer“ sind mehr als vier Wochen voneinander getrennt, in der Regel sogar Monate. Menschen, die in der Industrie oder bei der Bundeswehr arbeiten, können beispielsweise einmal oder mehrmals vorübergehend ins Ausland entsendet werden – dadurch ergibt sich dann eine Fernbeziehung. Zahlenmäßig überwiegen aber die Wochenendbeziehungen, bei denen die Trennung regelmäßig erfolgt. Diese Lebensform ist nicht selten: Schätzungen zufolge führt etwa jedes siebte Paar eine Fernbeziehung. Warum Paare ihre Beziehung in dieser Form gestalten, ist ganz unterschiedlich – oft trägt die Arbeit dazu bei. Personen, die in der Transportbranche oder im Außendienst arbeiten, können eine Fernbeziehung führen. Genauso kann ein Studium im Ausland eine vorübergehende räumliche Trennung nötig machen. Neben dem Beruf beziehungsweise der Ausbildung gibt es aber noch andere Gründe. Menschen, die sich übers Internet kennenlernen, möchten ihr Wohnumfeld für die Beziehung vielleicht nicht verlassen, weil die Kinder aus der ersten Partnerschaft dort die Schule besuchen. Manche Paare entscheiden sich auch ganz bewusst dafür, nicht zusammenzuziehen, weil sie den vorübergehenden Abstand schätzen.

Hat eine Fernbeziehung eine Zukunft?

Eine Fernbeziehung kann auf jeden Fall eine Zukunft haben, wenn das Paar sie erfüllend gestaltet. In dem Zusammenhang gibt es vier verschiedene Säulen, die in der Regel darüber bestimmen, ob eine Fernbeziehung scheitert oder klappt. Die erste Säule ist die Motivation. Dabei können sich Paare fragen: Warum führen wir überhaupt eine Fernbeziehung – ist es der Job oder der Wunsch nach Distanz? Hier überwiegen die Vorteile der vorübergehenden Distanz am besten die Nachteile der Fernbeziehung. Durch ein klärendes Gespräch finden Paare heraus, ob einer der Beteiligten unglücklich mit der Situation ist und ob ein dauerhaftes Zusammenziehen eine Option darstellt. Die zweite Säule ist die Perspektive. Ein Paar in einer Fernbeziehung braucht eine Perspektive, einen Plan: Wie oft sehen wir uns? Wie lang soll die Fernbeziehung andauern? Hier ist Offenheit sehr wichtig. Es kann ja durchaus sein, dass ein Partner oder eine Partnerin niemals zusammenziehen möchte – darauf sollte sich der oder die andere einstellen können und frei entscheiden, ob diese Lebensform für ihn oder sie dauerhaft akzeptabel ist. Die dritte Säule ist ein erfüllender Solo-Alltag. Wer beispielsweise nur auf das Wiedersehen mit dem Partner wartet, wird schnell mürbe. Sich beruflich zu verwirklichen, soziales Engagement oder Hobbys können den Alltag sinnvoll gestalten. Die vierte Säule ist die Lebensphase. Je nachdem, in welcher Lebensphase Paare sich befinden, kann die Fernbeziehung herausfordernder oder einfacher sein. Menschen mit einem Kinderwunsch tun sich mit der andauernden Distanz wahrscheinlich schwerer. Bei Personen, bei denen die Kinder gerade aus dem Haus sind, kann eine Fernbeziehung belebend sein – die beiden Partner planen ihren Alltag unter der Woche dann sehr unabhängig.

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Welche Probleme können sich durch die Fernbeziehung ergeben?

Ein Fernbeziehungspaar hat zunächst die gleichen Herausforderungen zu bewältigen wie ein Nahbeziehungspaar. Die Partner müssen miteinander reden und streiten lernen, sich vertrauen, eine erfüllende Erotik führen, und sich immer wieder neu Wertschätzung spüren lassen. Trotzdem gibt es natürlich Aspekte, die eine Fernbeziehung besonders machen. Das sind folgende Schnittstellen: der Abschied, das Getrenntsein und das Wiedersehen. Paare müssen sich immer wieder aneinander gewöhnen und sich dann wieder trennen. Außerdem müssen sie über die Distanz eine Form der Kommunikation entwickeln, um den Partner oder die Partnerin am eigenen Leben teilhaben zu lassen. Das klappt beispielsweise über kleine Zeichen zwischendurch oder auch Videotelefonate. Beim Wiedersehen vor Ort kann die dichte Nähe unter Umständen erstmal zu einer Herausforderung werden. Einerseits ist das Wiedersehen ersehnt. Andererseits sind Fernbeziehungspaare nicht selten Profis in der Ferne und fangen bei jedem Wiedersehen gewissermaßen ein bisschen neu miteinander an. Übrigens: Fernbeziehungen halten nicht weniger lang als klassische Beziehungen. Die Motivation der Beteiligten bestimmt darüber, ob und wie lange diese Lebensform funktioniert.

„Fernbeziehungen halten nicht weniger lang als klassische Beziehungen. Die Motivation der Beteiligten bestimmt darüber, ob diese Lebensform funktioniert.“

Dr. Wendl
Buchautor und wissenschaftlicher Projektleiter an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt

Hat eine Fernbeziehung auch Vorteile?

Eine Fernbeziehung gibt Partnern und Partnerinnen beispielsweise die Gelegenheit, viel für sich selbst zu tun. Sie können Hobbys nachgehen, die Zeit für wichtige Erledigungen nutzen oder ihre Freizeit anderweitig völlig selbstständig einteilen. Ein weitaus wichtigerer Punkt ist aber, dass die Fernbeziehung wie eine Art Trainingslager für die Liebe ist. Läuft hier etwas nicht rund, leben sich Paare beispielsweise auseinander, zeigt sich das im Alltag schnell. Auch deshalb, weil sie sich an den gemeinsamen Wochenenden in dem Wohnraum des Partners oder der Partnerin kaum zurückziehen können, um die Emotionen wieder „herunterzufahren“. Bisweilen fühlen sich die Heimkehrenden auch wie Gäste im eigenen Zuhause. Streiten Paare nur noch, wenn sie sich sehen, hinterfragen sie die Beziehung schneller: Lohnt es sich überhaupt noch, die Strecke zum Partner oder zur Partnerin zu fahren? Durch das Analysieren und Aufarbeiten der Probleme können Paare stetig an ihrer Beziehung arbeiten. Nicht zuletzt kann der Wechsel zwischen Nähe und Distanz die Partnerschaft beleben – zwar gibt es auch in einer Fernbeziehung einen Alltag, der ist jedoch meist abwechslungsreicher.

Kriselt es in der Fernbeziehung, ist gute Kommunikation gefragt

Klappt die Fernbeziehung besser, wenn Paare vorher näher zusammenwohnten?

Wer schon länger zusammen ist und in räumlicher Nähe zueinander gewohnt hat, ist meist vertrauter. Paare wissen genau, was ihr Gegenüber braucht, beispielsweise um getröstet zu werden. Auch Eifersucht ist durch das gefestigte Vertrauen meist ein nicht so großes Thema. Eine Herausforderung ist es allerdings, die Kommunikation neu zu gestalten und sich verändernde Konflikte immer wieder bewältigen zu lernen. Vorher war es das Paar gewohnt, sich gegenüber zu sitzen und auszutauschen. Den Partner oder die Partnerin auf Distanz am Leben zu beteiligen, fühlt sich anders an. Für Personen, die von Anfang an eine Fernbeziehung führen, ist es genau umgekehrt. Fernbeziehungspaare können oft besonders gut über die Distanz kommunizieren, aber sie kennen sich noch nicht gut genug in der Nähe. Ist ein Partner oder eine Partnerin traurig, weiß der oder die andere vielleicht nicht, was zum Trost hilft. In beiden Fällen haben Paare Lernprozesse vor sich.

Zwei junge Frauen führen eine Fernbeziehung und sprechen via Videotelefonie miteinander.

© iStock / Drazen_

Paaren, die eine Fernbeziehung führen, hilft der regelmäßige Austausch miteinander dabei, die Distanz leichter zu verkraften.

Wie oft sollten sich Paare in einer Fernbeziehung sehen?

Wie oft sich Paare in einer Fernbeziehung sehen müssen, um sich nicht schleichend aus den Augen zu verlieren, gilt es für jedes Paar individuell herauszufinden. An dieser Stelle ist ein guter Kompromiss gefragt. Menschen, die mehr Nähe brauchen, sollten nicht zu kurz kommen. Partner oder Partnerinnen, die weniger Nähe benötigen, sollten sich hingegen nicht überfordert fühlen, beispielsweise durch die Anreise. Soziale und berufliche Verpflichtungen, aber auch finanzielle Möglichkeiten können sich auf die Häufigkeit der Treffen auswirken. Ebenso wichtig wie fixe und spontane Treffen ist die Herausforderung sich gegenseitig zu vermitteln, auch über die Distanz ein Team zu sein und zusammenzugehören. Zwischendurch sind klassische Telefonate und jeder Austausch hilfreich. Videogespräche bieten dabei eine wertvolle Ergänzung. Sich real gegenüber zu sitzen, sich zu berühren und sich dabei in die Augen schauen zu können, bleibt dabei aber unersetzlich.

„Ebenso wichtig wie fixe und spontane Treffen ist die Herausforderung sich gegenseitig zu vermitteln, auch über die Distanz ein Team zu sein und zusammenzugehören.“

Dr. Wendl
Buchautor und wissenschaftlicher Projektleiter an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt

Was können Menschen tun, wenn die Gefühle durch die Fernbeziehung nachlassen?

Genauso wie bei Paaren, die dauerhaft vor Ort zusammenleben, können auch bei einer Fernbeziehung die Gefühle nachlassen. In dem Fall ist es sinnvoll, zunächst herauszufinden, ob das tatsächlich an der bestehenden Distanz liegt. Falls ja, gibt es Möglichkeiten gegenzusteuern: Das Paar kann sich öfter sehen, die Distanz zwischen den Wohnorten zumindest verkürzen oder ganz zusammenziehen. Vielleicht gibt es aber auch andere Gründe: Nicht immer muss ein Partner oder eine Partnerin dann schon eine andere Person kennengelernt haben oder beide sich nicht mehr voneinander angezogen fühlen. Es kann schon helfen, Belastendes und Wünsche zu identifizieren sowie gemeinsam Änderungen in der Kommunikation und auch in der Erotik umzusetzen. In jedem Fall aber gilt es veränderte Wünsche und Befürchtungen des anderen unbedingt ernst zu nehmen und aktiv zu werden, um dem schleichenden Auseinanderleben entgegenzuwirken.

Welche Fernbeziehungstipps haben sich bei Paaren bewährt?

Es gibt einige Tipps für Fernbeziehungen, die das Lieben auf Distanz vereinfachen können. Zunächst sollten sich Paare nach dem Abschied ablenken, damit der Trennungsschmerz sie nicht immer wieder zu sehr belastet. Ein Besuch im Fitnessstudio oder eine Verabredung mit Freunden am selben Tag sind zum Beispiel Möglichkeiten. Während der Trennungszeit halten Paare optimalerweise Kontakt und zeigen sich, dass sie trotz der Ferne zusammengehören. Dazu eignen sich beispielsweise Briefbotschaften oder ein heimlich in den Koffer gelegtes Geschenk. Wer sich wiedersieht, braucht Zeit, um sich aneinander zu gewöhnen und um sich zu erholen. Die Anreise kostet den Partner oder die Partnerin schließlich einiges an Kraft. Deshalb ist ein weiterer Tipp, das Wochenende nicht mit Aktivitäten zu überfrachten, sondern sich bewusst eine schöne gemeinsame Zeit zu machen und Raum für Leerlauf und Spontanität zu lassen. Das ist eine gute Gelegenheit, um sich aufeinander einzustimmen: Was beschäftigt dich gerade, was befürchtest du? Mit diesen einfachen, aber einfühlsamen Fragen bekommt der Partner oder die Partnerin ein Gefühl für das Gegenüber. Grundsätzlich ist es gut, nicht zu hohe Erwartungen an das gemeinsame Wochenende zu haben. Auch wenn sich das Paar besonders harmonische Stunden zu zweit wünscht: Wenn beide von der Arbeitswoche erschöpft sind, kann es zu Spannungen kommen, das ist völlig normal und ist in der Nahbeziehung nicht anders. Lange Wochenenden eignen sich perfekt, um den Druck etwas herauszunehmen. Paare können beispielsweise immer wieder mal auch den Montag gemeinsam freinehmen und haben so am Sonntag nicht schon wieder die anstrengende Rückfahrt im Kopf.

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