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Familienkonflikte an Weihnachten vermeiden

Veröffentlicht am:04.12.2024

6 Minuten Lesedauer

Knapp ein Viertel der Menschen streitet sich hierzulande immer oder gelegentlich an den Tagen, die für Harmonie stehen: An Weihnachten prallen viele Vorstellungen und Bedürfnisse aufeinander. Der Psychologe Prof. Dr. Peter Kaiser erklärt, wie Familien Stress und Konflikte umgehen.

Eine Frau sitzt mit vier Kindern an einem weihnachtlich gedeckten Tisch, auf dem Plätzchen stehen. Zwei der Kinder sehen betrübt aus.

© iStock / GMVozd

Herr Kaiser, warum kommt es gerade an Weihnachten oft zum Streit?

Portät von Prof. Dr. Peter Kaiser

© privat

Das hängt zunächst damit zusammen, dass die Erwartungen sehr hoch sind. Schließlich ist Weihnachten für die meisten Menschen ein bedeutsames Ereignis. Dieses wiederum ist mit besonderen Werten, wie Friede und Harmonie, verbunden. Auch religiöse Rituale und gemeinsame freudige Erlebnisse haben für viele einen wichtigen Stellenwert. Insbesondere dann, wenn die Erwartungen sehr hoch sind, besteht ein nicht zu unterschätzendes Enttäuschungsrisiko, falls persönliche Kriterien nicht erfüllt werden. Warum es nicht gelingt, den Erwartungen nachzukommen, hat sehr unterschiedliche Gründe. Dafür können persönliche Probleme verantwortlich sein – beispielsweise psychische Belastungen oder Erkrankungen. Auch Spannungen in Paarbeziehungen oder über die Generationen hinweg spielen dabei eine Rolle, diese werden durch die Festivitäten ja nicht hinweggefegt. An Weihnachten kommen oft Menschen in Konstellationen zusammen, die im Alltag so nicht stattfinden. Treffen beispielsweise beide Schwiegereltern aufeinander, kann das in einigen Familien zusätzliche Reibungspunkte bedeuten. Weihnachten ist für einige ein Fest, bei dem sie eher unliebsamen Verwandten und Bekannten schlecht aus dem Weg gehen können – auch das kann Streit provozieren. Hinzu kommt, dass der Stresspegel, beispielsweise durch aufwendige Vorbereitungen, und der Alkoholkonsum an den Feiertagen meist höher sind, so kann eins zum anderen kommen.

Worüber streiten sich Familien an Weihnachten?

Eigentlich streiten sich Menschen an Weihnachten über die gleichen Dinge, die auch im Alltag zu Konflikten führen. Der Unterschied ist jedoch, dass die Reizschwelle stressbedingt niedriger ist, daher steigt die Wahrscheinlichkeit für Auseinandersetzungen. Gerade wenn sich Familienmitglieder im Jahresverlauf weniger sehen, können an den Weihnachtsfeiertagen nicht oder zu wenig ausgetragene Differenzen aufbrechen. Genau das kann aber zu einem Zielkonflikt führen: Das Hauptziel der Zusammenkunft ist ein harmonisches Familienfest, das mit dem Ziel kollidiert, offene Konflikte auf den Tisch zu bringen. Zudem hat jeder Mensch bestimmte Erwartungen, was Umgangsregeln angeht, zum Beispiel in Bezug auf Tischmanieren oder Kriterien für Geschenke. Wenn diese Regeln von anderen nicht eingehalten werden, reagieren sie meist dünnhäutig und sind enttäuscht. Sie werten das sogar als einen persönlichen Angriff. Das liegt daran, dass sich viele Menschen mit ihren Regeln und Vorstellungen identifizieren sich persönlich angegriffen fühlen, wenn sie diese infrage gestellt wähnen.

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Hat der Familienstreit unter dem Christbaum immer eine Vorgeschichte?

Auf jeden Fall. Die Vorgeschichte liegt durch eine bestehende Erwartungshaltung teilweise in dem Angehörigen selbst, in der Unterschiedlichkeit der Menschen oder in den Beziehungen, die sie zueinander pflegen. Hinzu kommt, dass die Familien heute durch Trennungen und Folgebeziehungen sehr vielgestaltig sind. Wenn sich dann beispielsweise ehemals Liebende, die ihre Konflikte noch nicht aufgearbeitet haben, wegen der gemeinsamen Kinder an einem weihnachtlich gedeckten Tisch begegnen, kann das brisant werden. Daraus ergeben sich Loyalitätskonflikte für die übrigen Angehörigen die dann vielleicht nicht wissen, zu wem sie halten sollen, mit wem sie sprechen oder wen sie beschenken sollen. In einigen Familien kommt es durch bestehende Vorbeziehungen schon vor Weihnachten zum Stress – hier stellt sich beispielsweise die Frage, wer wann eingeladen/besucht werden soll, dabei sind Kränkungen nicht ausgeschlossen.

Welche Strategien gibt es, die Feiertage möglichst konfliktfrei zu erleben?

Herr Kaiser, was sollte man tun, wenn eine Person aus geliebten Weihnachtstraditionen ausbricht?

Da sind erst einmal Toleranz und Verständigung angesagt. Was die einen als Selbstverständlichkeit ansehen, wie den Besuch der Weihnachtsmesse oder ein fleischhaltiges Weihnachtsmenü, ist für die anderen vielleicht überhaupt nicht vorstellbar. Um Konflikten aus dem Weg zu gehen, ist eine gute Vorbereitung des Weihnachtsfestes wichtig, erfahrungsgemäß machen das viele Menschen aber gar nicht. Familienmitglieder können dazu den Ablauf, die Essensvorstellungen oder den Wert der Geschenke besprechen – bestenfalls finden sie bereits im Vorfeld eine Lösung. Die kann auch darin bestehen, einen Teil der Festivitäten getrennt zu verbringen – die einen besuchen die Kirche, die anderen decken währenddessen den Weihnachtstisch. Damit unterstützt man auch die Einladenden, die sich in der Regel für das Wohl der Gäste verantwortlich fühlen.

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Wie reagiert man, wenn Familienmitglieder pünktlich zum Fest alte Streitthemen neu aufrollen?

Eine gute Möglichkeit ist, die Person darauf aufmerksam zu machen, dass das nicht der richtige Zeitpunkt für ein solches Thema ist. Das machen am besten Angehörige, die nicht direkt an dem Streit beteiligt sind. Dabei ist es wichtig, dies in einer verständnisvollen und wertschätzenden Weise zu sagen. Schlägt dem Familienmitglied ein aggressiver oder herabsetzender Ton entgegen, gibt schnell ein Wort das andere. Jemand der verständnisvoll reagiert, drückt damit aber nicht automatisch seine Zustimmung aus oder ist gar unterwürfig. Diese Unterscheidung machen sich Angehörige am besten klar, damit erst gar nicht das Gefühl entsteht, dass sich jemand auf die Seite des anderen schlägt.

Was können Familien tun, wenn die Bedürfnisse zu weit auseinanderklaffen?

Lassen sich die Vorstellungen und Bedürfnisse trotz aller Bemühungen nicht miteinander vereinbaren, ist es vorstellbar, die Treffen in kleinere Grüppchen auf mehrere Festtage aufzuteilen. Das bietet sich vor allem dann an, wenn ansonsten Personen aufeinandertreffen, die sich schon im Alltag nicht gerne begegnen. Sehnen sich Teile der Familie eher nach einem Weihnachtsurlaub oder nach einer Auszeit, ist es unter Umständen besser, sie ziehen zu lassen. Sitzen sie stattdessen zähneknirschend mit Angehörigen über die Feiertage zu Hause, kann es zu Verstimmungen kommen.

Drei Generationen sitzen an einem Esstisch in einem weihnachtlich dekorierten Raum und lachen gemeinsam.

© iStock / skynesher

Um Familienkonflikte zu vermeiden, ist es wichtig, aufeinander Rücksicht zu nehmen und Kompromisse zu finden.

Wie verhalten sich Angehörige am besten, wenn es trotzdem kracht?

Wenn schon eine Verstimmung oder ein Konflikt entstanden ist, ist es auf jeden Fall sinnvoll, zu deeskalieren und zur Beruhigung beizutragen. Denn je weiter der Stresspegel steigt, desto weniger ist das Gehirn in der Lage, sich mit der Thematik rational auseinanderzusetzen – die emotionalen Reaktionen nehmen dann überhand. Dazu gibt es auch den Ausspruch „Stress macht dumm“, dadurch sinkt natürlich nicht der Intelligenzquotient, aber gestresste Personen haben weniger Zugriff auf die geistigen Funktionen. Häufig sind sich streitende Menschen dessen aber nicht bewusst. Bestenfalls greifen dann andere Familienmitglieder ein und schlagen ablenkende Aktivitäten vor, wie einen Spaziergang oder ein Brettspiel mit den Kindern. Hat sich der Sturm gelegt, kann die Feiergesellschaft zu unverbindlichen Gesprächsthemen übergehen, über die Betroffene vielleicht wieder zusammenfinden.

Wie vermeide ich Streit an Weihnachten?

Damit Konflikte an Weihnachten am besten gar nicht erst entstehen, können sich Familien mit einigen Tipps auf das „schönste Fest des Jahres“ vorbereiten.

  • Schwierige Themen vermeiden: Es gibt Gesprächsinhalte, die erfahrungsgemäß leichter zu Konflikten führen, wie politische Geschehnisse oder brisante Familienfragen, zum Beispiel: Wie oft kommen Enkelkinderzu Besuch? Bei solchen Themen prallen leicht Ansichten aufeinander oder es kommt zu Konkurrenzsituationen, v. a. wenn der Enkel bei der einen Oma häufiger vorbeikommt als bei der anderen.
  • Die eigenen Stressempfindungen hinterfragen: Viele Menschen gehen schon mit Bauchschmerzen an die Weihnachtsvorbereitungen. Hier ist es sinnvoll, für sich herauszufinden, was den Stress eigentlich auslöst – ist es die viele Arbeit, die vielen Leute, die schwierige Familienkonstellation oder kommen meine Bedürfnisse zu kurz? Damit man an Weihnachten auch auf seine Kosten kommt, ist es wichtig, die eigenen Bedürfnisse zu berücksichtigen, zum Beispiel, indem man sich die Vorbereitungen in der Familie aufteilt.

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