Beziehung
Toxische Beziehung: So erkennen Sie psychische Gewalt
Veröffentlicht am:23.05.2022
4 Minuten Lesedauer
Sie lieben Ihre Partnerin oder Ihren Partner, leiden aber unter der Beziehung, die Sie führen? Sie fühlen sich weder respektiert noch gleichberechtigt? An welchen Zeichen Sie erkennen, ob Sie in Ihrer Partnerschaft emotionalen Missbrauch erfahren.
Was zeichnet eine toxische Beziehung aus?
„Toxisch“ bedeutet „giftig“, „schädlich“ – seit einiger Zeit wird der Begriff „toxische Beziehung“ häufig verwendet, um das Verhaltensmuster eines Beteiligten oder beider Beteiligter in intimen, dysfunktionalen Beziehungen zu beschreiben. Toxische Beziehung ist kein wissenschaftlicher Begriff, der eindeutig definiert ist. Gemeint ist eine Form von häuslicher Gewalt: Eine beteiligte Person unterdrückt die andere systematisch, um langfristig Macht und Kontrolle über ihn aufrechtzuerhalten.
Im Vergleich zu körperlicher Gewalt ist ein solches Verhaltensmuster nicht immer einfach zu erkennen. Betroffene erkennen häufig gar nicht, dass ihnen Gewalt widerfährt. Doch auch bei psychischer Gewalt handelt es sich um echte Gewalt, der niemand ausgesetzt sein sollte.
Sie können psychische Gewalt erleben, egal aus welcher gesellschaftlichen Schicht Sie stammen, egal ob Sie weiblich oder männlich sind. Frauen sind allerdings deutlich häufiger betroffen. Eine repräsentative Umfrage in Deutschland aus dem Jahr 2004 zeigte: Jede zweite Frau hat bereits psychische Gewalt erlebt.
- Manipulation
- Kontrolle
- Einschüchterung
- Demütigung
- Beleidigungen
- Drohungen
- Isolierung von Freunden und Familie
- Stalking
Anzeichen für psychische Gewalt in einer Beziehung
Viele Betroffene merken erst sehr spät, dass sie sich in einer Beziehung befinden, in der sie emotionale Misshandlung erfahren. Tatsächlich erscheinen viele „toxische“ Beziehungspartnerinnen oder Partner zunächst als ideale Person. In der Regel enthüllt sich ihr Verhalten erst nach und nach.
Kommen Ihnen eines oder mehrerer dieser Anzeichen bekannt vor? Ihre Partnerin oder Ihr Partner …
- … sagt Ihnen, dass Sie nie etwas richtig machen.
- … ist extrem eifersüchtig auf Ihre Freunde oder auf Zeit, die Sie nicht mit ihm verbringen.
- … hindert oder entmutigt Sie, Zeit mit Ihrer Familie, Freunden oder Bekannten zu verbringen.
- … beleidigt, erniedrigt oder beschämt Sie, insbesondere vor anderen Menschen.
- … hindert Sie daran, Ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Das kann die Entscheidung miteinschließen, welcher Arbeit oder Ausbildung Sie nachgehen.
- … übt Kontrolle über die Finanzen in Ihrem gemeinsam Haushalt aus, ohne mit Ihnen darüber zu diskutieren. Das kann so weit gehen, dass er Ihr Geld an sich nimmt oder sich weigert für notwendige Ausgaben Geld zu Verfügung zu stellen.
- … setzt Sie unter Druck, Sex zu haben oder sexuelle Handlungen durchzuführen, mit denen Sie sich nicht wohlfühlen.
- … setzt Sie unter Druck, Drogen oder Alkohol zu konsumieren.
- … schüchtert Sie durch bedrohliche Blicke oder Handlungen ein.
- … beleidigt Ihre Eltern oder droht Ihren Kindern oder Haustieren Schaden zuzufügen oder sie Ihnen wegzunehmen.
- … beschädigt Ihr Eigentum oder Ihre Wohnung/Haus.
Welche Ursachen hat psychische Gewalt?
Die beteiligte Person, die das Leben der anderen einschränkt und kontrolliert, glaubt das Recht zu diesem Verhalten zu haben. Sie sieht die eigenen Bedürfnisse und Gefühle in der Beziehung als vorrangig an oder genießt die Macht, die sie über sein Gegenüber ausübt. Egal welche Form von psychischer Gewalt angewendet wird, sie hat oft das Ziel die Gleichberechtigung in einer Partnerschaft aufzuheben, damit sich die missbrauchte Person weniger wertvoll und respektiert fühlt.
Dieses Verhaltensmuster wurde erlernt. Wer bei anderen psychische Gewalt anwendet, hat diese womöglich selbst in der Familie erfahren. Es kann aber auch sein, dass sie sich vom Bekanntenkreis oder aufgrund struktureller Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft angeeignet wurde. Es spielt keine Rolle, warum die missbrauchende Person ihr Verhaltensmuster entwickelt hat: Sie trägt die Verantwortung dafür. Sie trifft die Entscheidung, sich in seiner Beziehung so zu verhalten, wie sie es tut. Viele Menschen erfahren psychische Gewalt oder erleben sie bei anderen mit, ohne sie später bei Ihren Beziehungspartnerinnen oder Beziehungspartnern anzuwenden. Sie können den Kreislauf durchbrechen, indem sie sich für ein anderes Verhalten entscheiden.
Jeder Mensch hat eine Beziehung verdient, in der ihm Liebe und Respekt widerfährt. Ist das bei Ihnen nicht der Fall, ist eine Trennung die einzige sinnvolle Lösung. Denn psychische Gewalt kann ernste psychische und körperliche Folgen haben.
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Mögliche Folgen psychischer Gewalt
Sie fühlen sich schon seit längerer Zeit niedergeschlagen und empfinden an nichts mehr Freude? Missbräuchliche Beziehungen können auszehren und das Selbstwertgefühl vernichten, sind aber oft von außen nicht sichtbar. Die Folgen können psychische Erkrankungen wie Depressionen, Ängste, Essstörungen, Schlafstörungen, posttraumatische Belastungsstörungen bis hin zu suizidalem Verhalten sein. Sie erhöhen außerdem das Risiko, dass die missbrauchte Person exzessiv Alkohol und Drogen konsumiert.
Hier finden Sie Hilfe
Es kann helfen, sich den Kummer einmal von der Seele zu sprechen. Die Telefonseelsorge erreichen Sie kostenlos unter 0800/1110111. Die Beratungsstellen von ProFamilia bieten ebenfalls Hilfe bei Partnerschaftsproblemen an. Eine Alternative ist das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, das Sie ebenfalls kostenlos unter 08000 116 016 erreichen.
Was Angehörige und Freunde tun können
Jemand, der Ihnen nahesteht, befindet sich in einer missbräuchlichen Beziehung, aus der er sich nicht lösen kann? Konfrontieren Sie die Person mit den Fakten. Vermitteln Sie ihr, dass sie langfristig ihre psychische und physische Gesundheit aufs Spiel setzt und überzeugen Sie sie davon, dass sie auf Ihre Unterstützung zählen kann. Freunde und Angehörige können auch bei der Einschätzung möglicher neuer Partnerinnen und Partner eine Hilfe sein – und so vielleicht verhindern, dass sich die gleichen Beziehungsmuster wiederholen.