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Imaginäre Freunde: So gehen Sie als Eltern am besten mit dem imaginären Freund Ihres Kindes um
Veröffentlicht am:20.08.2020
5 Minuten Lesedauer
Eltern sind oft verunsichert, wenn aus dem Kinderzimmer Gesprächsfetzen zu hören sind, obwohl nur eine Person im Raum ist. Ein imaginärer Freund ist allerdings meist kein Grund zur Sorge – Sie müssen nur wissen, wie Sie richtig damit umgehen können.
Ein imaginärer Freund ist keine Seltenheit in der Kindheit. Lange ging die Wissenschaft davon aus, dass der imaginäre Freund ein negativer Aspekt in der Entwicklung ist. Von dieser Sicht sind die Forscher allerdings abgerückt. Je nach dem Alter des Kindes und der Art des imaginären Freundes sollten Sie allerdings einiges beachten.
Ungewohnte Kindergespräche: Gründe für imaginäre Freunde
Seine „Anwesenheit“ verunsichert Eltern oft und macht ihnen Angst. Hat auch Ihr Kind einen imaginären Freund, dem Sie nicht so recht trauen?
Meist ist das Auftreten eines imaginären Freundes mit dem Entwicklungsniveau des Kindes verbunden. Allerdings hat es auch einen biografischen Hintergrund, wenn das Kind sich einem unsichtbaren Gast anvertraut. Und der kann eine ganze Weile bleiben, in vielen Fällen sogar gänzlich unbemerkt.
Kinder versehen ihren imaginären Kumpanen mit einem Namen und können – zur zusätzlichen Verunsicherung der Eltern – ihn auch für einen längeren Zeitraum in ihrer psychischen Welt real werden lassen.
Ein Grund für die Anwesenheit des imaginären Freundes kann auch sein, dass das Kind etwas Schlimmes erlebt hat und nun etwas sucht, das ihm Halt und eine gewisse Sicherheit gibt.
Meist sei der Grund allerdings schlicht Langeweile, wie die US-Psychologin Paige Davis betont.
Letztlich gibt es verschiedene Möglichkeiten, warum Ihr Kind sich für eine Zeit lang oder in bestimmten Situationen einen Gefährten schafft, den sie nicht sehen können, geschweige denn kennen. Inge Seiffge-Krenke, Professorin für Entwicklungspsychologie, hat fünf Hypothesen aus der Forschung herausgearbeitet, wie es zur Schaffung eines imaginären Freundes kommen kann:
- Psychopathologie-Hypothese: Der Freund wird aus einem pathologischen Prozess heraus entwickelt und deutet auf einen Mangel an Trennung von Fantasie und Wirklichkeit hin.
- Begabungs-Hypothese: Besonders begabte oder kreative Kinder erschaffen sich einen imaginären Freund.
- Defizit-Hypothese: Das Kind hat zu wenig soziale Kontakte und schafft sie sich selbst – so beispielsweise Anne Frank (s.u.).
- Hypothese der narzisstischen Wache: Der Freund schützt das Kind vor narzisstischen Verletzungen – was häufig bei Kindern mit älteren Geschwistern auftritt.
- Hypothese der Impulskontrolle: Der imaginäre Freund hilft dem Kind, seine Impulse zu kontrollieren, und trainiert es bei der Unterscheidung von Ich und Über-Ich.
Umgang mit einem imaginären Freund: Was Eltern wissen müssen
Doch ist der imaginäre Freund gefährlich für mein Kind? Nein, er ist eher ein Anzeichen ausgeprägter Fantasie als dafür, dass das Kind Entwicklungsverzögerungen aufweist, wie lange angenommen wurde. Es ist sich meist im Klaren darüber, dass der imaginäre Freund von ihm selbst geschaffen wird und er deswegen keine Gefahr darstellen kann.
Der Freund ist an die Realität geknüpft – und die Freundschaft unterliegt einer Dauer, die vom sogenannten „Konstrukteur“ der nicht realen Person bestimmt wird. Doch wie gehen Eltern damit um?
In den meisten Fällen brauchen sich Eltern nicht um ihren Nachwuchs sorgen. Wie die Psychologin Davis gegenüber dem „Süddeutsche Zeitung Magazin“ erzählte, wiesen neuere Studien darauf hin, dass Kinder, die einen imaginären Freund gehabt hätten, ihre echten Freunde eher anhand von Eigenschaften beschrieben. Gleichaltrige ohne diesen „Bonusfreund“ hätten sich eher an Äußerlichkeiten festgehalten.
Zudem seien Jugendliche, die auf eine gemeinsame Vergangenheit mit ihrem imaginären Freund blicken könnten, eher aufgeschlossen, anderen zu helfen. Imaginäre Freunde helfen Ihrem Kind also dabei, Grenzen auszutesten und den Umgang mit anderen zu trainieren – es entwickelt sich also auf eine spielerische Art und Weise aus sich selbst heraus weiter.
Doch wie gehen Sie als Eltern nun mit dem imaginären Freund ihres Kindes um? Die Antwort ist simpel: Nehmen Sie es, wie es kommt. Letztlich bräuchten sich Eltern keine Sorgen um den Geisteszustand ihres Kindes machen, so Davis, die Eltern rät, einfach mitzuspielen und den Freund so lange anzunehmen, wie er da sei.
Häufigkeit eines imaginären Freundes
Dass Kinder manchmal aus Langeweile imaginäre Spielkameraden entwickeln, ist nichts Neues. So ist beispielsweise aus den Tagebüchern der Anne Frank bekannt, dass sie mehrere fiktive Freundinnen hatte: Sie schrieb oft Briefe an Kitty, die ursprünglich eine Figur aus einem niederländischen Kinderbuch war.
Im Falle von Anne Franks Freundin Kitty handelt es sich um einen personalisierten Charakter, Anne Frank dachte sich aber auch einige Freundinnen komplett aus, hatte also auch unsichtbare Freunde. Insgesamt gibt es drei Arten imaginärer Freunde:
- Personalisierter Charakter: Es wird mit einem eigentlich fiktionalen Charakter interagiert.
- Unsichtbarer Freund: Hierbei handelt es sich um den tatsächlichen imaginären Freund.
- Personifizierter Gegenstand: Das Kind schreibt bspw. seinem Kuscheltier bestimmte Wesenszüge und Eigenschaften zu.
Eine deutliche Mehrheit der Kinder schafft sich eine dieser Arten von imaginärer Freundschaft oder sogar mehrere – es ist also ein ganz normaler Bestandteil der menschlichen Entwicklung und kein Grund zur Sorge.