Eltern
Jetzt bloß die Ruhe bewahren
Veröffentlicht am:14.08.2020
3 Minuten Lesedauer
Geduld ist für Eltern oft eine echte Herausforderung – gerade, wenn sich eine Konfliktsituation mit dem Nachwuchs hochschaukelt. Der Kinderpsychologe Dr. med. Tim Schlüter verrät, wie sich der Eskalationskreislauf durchbrechen lässt.
Inhalte im Überblick
- Wann verlieren Eltern die Nerven?
- Spüren Kinder es denn, wenn Mama oder Papa gestresst sind?
- Was macht es mit dem Kind, wenn Eltern jetzt schimpfen?
- Lautwerden ist also keine Lösung?
- Was wäre jetzt besser?
- Und wenn die Zeit knapp ist?
- Aber wohin mit der Wut?
- Und was, wenn man doch einmal die Fassung verliert? Entschuldigen?
Natürlich lieben Eltern ihre Kinder über alles. Trotzdem gibt es im familiären Alltag immer wieder Situationen in denen die Kleinen den Großen den letzten Nerv rauben. Allein beim Gedanken an den morgendlichen Kampf beim Anziehen, den Trotzanfall an der Supermarktkasse oder die Diskussionen ums unaufgeräumte Zimmer erhöht sich bei vielen Eltern die Herzfrequenz.
Dr. Tim Schlüter, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie vom KJP-Centrum Hamburg, appelliert jedoch an die Eltern, möglichst die Ruhe zu bewahren.
Was macht es mit dem Kind, wenn Eltern jetzt schimpfen?
Das Kind gerät selber unter Stress und dreht oft noch mehr auf. Es will seine eigenen Bedürfnisse schließlich nicht zurückstellen. Im schlimmsten Fall geht es künftig schon angespannt in ähnliche Situationen, und das Risiko einer Eskalation steigt.
„Kinder haben sehr feine Antennen. Sie spüren sehr genau, wenn wir ihnen etwas vormachen.“
Dr. Tim Schlüter
Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie vom KJP-Centrum Hamburg
Lautwerden ist also keine Lösung?
Im Gegenteil. Wiederholtes Schimpfen und Lautwerden aktiviert über den Botenstoff Cortisol das Stresssystem im kindlichen Körper und kann so langfristig sogar seine psychische und körperliche Gesundheit beeinträchtigen.
Hinzu kommt, dass gerade kleine Kinder gar nicht verstehen können, was da gerade passiert, wenn die Eltern laut werden. Für sie ist ein gleichbleibendes, verlässliches Verhalten besonders wichtig.
Was wäre jetzt besser?
Sich Zeit zu nehmen und sich dem Kind bewusst zu widmen. Wälzt es sich gerade auf dem Boden im Supermarkt? Okay dann lassen Sie es das noch kurz tun. Je mehr Sie versuchen – ob körperlich oder verbal – dagegen anzugehen, desto mehr wird die Situation eskalieren und umso mehr Stress ist es für beide.
Und wenn die Zeit knapp ist?
Je nach Alter kann es auch sinnvoll sein, im Vorhinein das gewünschte Verhalten beim Kind anzukündigen und eine Belohnung in Aussicht zu stellen. Dann sind Kinder häufig gewillt, das auch gut hinzubekommen. Zum Beispiel: Wenn du mir dabei hilfst, dass wir das Einkaufen schnell erledigen, können wir danach noch auf den Spielplatz gehen.
Aber wohin mit der Wut?
Seien Sie ruhig authentisch und sagen Sie, dass Sie das Verhalten sehr wütend macht. Für Kinder ist es wichtig, dass sie sich auf ihre Eltern verlassen können. Durch diese ruhige, aber klare und ehrliche Rückmeldung lernen sie, welche Auswirkungen ihr Verhalten hat, und können es zukünftig besser einschätzen.
Dieses Video ist Teil des AOK ADHS-Elterntrainers. Hier finden Sie weitere Informationen zu dem Programm.
Und was, wenn man doch einmal die Fassung verliert? Entschuldigen?
Auf jeden Fall. Es gibt keine perfekten Eltern, und das ist auch nicht das Ziel. Die Entschuldigung sollte zeitnah stattfinden und ehrliche Gefühle zeigen.
Etwa: Es tut mir leid, dass ich laut geworden bin, aber dein Verhalten vorhin war aus den und den Gründen schwierig, und das hat mich geärgert. Kinder dürfen ruhig wissen, dass Mama und Papa auch Fehler machen.
Verhaltensprobleme meistern
ADHS-Elterntrainer
Das Online-Programm bietet Eltern von sehr impulsiven, unaufmerksamen oder hyperaktiven Kindern – mit oder ohne ADHS-Diagnose – Informationen und konkrete Tipps, wie sie in schwierigen Phasen ihres Kindes reagieren können. Das kostenfreie Angebot enthält Trainings und viele Videos mit Verhaltensratschlägen für wiederkehrende Konfliktsituationen.
Der Elterntrainer wurde von dem ADHS-Experten Prof. Manfred Döpfner von der Uniklinik Köln entwickelt. Exklusiv für AOK-Versicherte besteht die Möglichkeit, Fragen telefonisch – auf Wunsch auch anonym – mit seinem Expertenteam zu klären.