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Rachitis erkennen und behandeln
Veröffentlicht am:24.03.2023
4 Minuten Lesedauer
Knochen benötigen Vitamin D, um knochenstärkendes Kalzium und Phosphat einlagern zu können. Besteht ein dauerhafter und ausgeprägter Vitamin-D-Mangel, kann dies bei Babys und Kindern zu einer Rachitis führen.
Was ist eine Rachitis, auch „Englische Krankheit“ genannt?
Eine Rachitis (von griechisch „rachis“ = Rücken) ist eine durch einen ausgeprägten und langanhaltenden Vitamin-D-Mangel ausgelöste Knochenerkrankung bei Kindern und Jugendlichen. Vitamin D ist wichtig für die Aufnahme von Kalzium und Phosphat im Körper. Diese Mineralstoffe sind für den Aufbau von Knochen und Zähnen unentbehrlich und sorgen für deren Stabilität. Ein Vitamin-D-Mangel stört das Knochenwachstum und die Skelettentwicklung. Infolgedessen werden die kindlichen Knochen weich und sind nicht ausreichend belastbar. Ein vergleichbares Krankheitsbild gibt es auch bei Erwachsenen: Es wird als Osteomalazie bezeichnet.
Früher nannte man die Rachitis auch „Englische Krankheit“. Um 1900 wurde die Erkrankung in den größeren Städten Englands häufiger beobachtet. Grund war ein durch Smog verursachter Sonnenlichtmangel. Heute ist Rachitis eher selten. Schätzungen zufolge treten in Deutschland jährlich rund 400 Fälle auf.
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Das Risiko, eine Rachitis zu bekommen, ist für Kinder mit dunkler Hautfarbe erhöht. Das gilt vor allem dann, wenn sie im ersten Lebensjahr keine Vitamin-D-Prophylaxe erhalten haben und in Mittel- und Nordeuropa leben. Der Grund hierfür ist, dass Vitamin D hauptsächlich durch UV-Strahlung in der Haut gebildet wird. Daher wird es auch „Sonnenschein-Vitamin“ genannt. Menschen mit dunkler Hautfarbe benötigen im Vergleich zu hellhäutigen Personen 10- bis 50-mal soviel UV-B-Strahlung, um die gleiche Menge an Calcitriol – so heißt der Wirkstoff von Vitamin D – bilden zu können. Junge Menschen, die ihren Körper aus kulturellen, religiösen oder persönlichen Gründen vollständig mit Kleidung bedecken, sind ebenfalls gefährdet, einen Vitamin-D-Mangel zu entwickeln. In seltenen Fällen kann auch ein erblich bedingter Phosphatverlust über die Nieren oder eine angeborene Störung des Vitamin-D-Stoffwechsels eine Rachitis auslösen.
Welche Symptome zeigen sich bei einer Rachitis?
Deutliche Symptome einer Rachitis zeigen sich wegen des schnellen Wachstums vor allem bei Babys und bei Jugendlichen in der Pubertät. Im Vordergrund stehen Skelettveränderungen und Knochenverformungen, bei Säuglingen treten aber meist zunächst andere Anzeichen auf:
- Im 2. bis 3. Lebensmonat: Unruhe, Schreckhaftigkeit, Schwitzen (besonders am Kopf), Hinterkopfglatze
- Im 3. bis 4. Lebensmonat: schwache Muskelspannung, schlaffe Bauchdecke, Verstopfung, Berührungsempfindlichkeit, mitunter Störungen der Motorik, epileptische Anfälle
Diese Symptome sind im weiteren Verlauf ebenfalls typisch:
- Der Schädelknochen ist ungewöhnlich weich.
- Der Hinterkopf flacht ab, dafür treten Stirn und Scheitel ungewöhnlich hervor.
- Veränderungen in bestimmten Knochenabschnitten, weil der Knorpelabbau gestört ist und sich Ablagerungen bilden, die hauptsächlich aus Kollagen bestehen.
- Ablagerungen treten auch an den Rippen auf, an der Grenze zwischen Knorpel und Knochen, und entlang des Brustbeins.
- An den Fußknöcheln und Fingern bilden sich Höcker (Perlschnurfinger).
- Die Beine biegen sich nach außen (O-Beine), was Schwierigkeiten beim Gehen verursacht.
- Das Längenwachstum ist eingeschränkt.
- Milchzähne brechen verzögert durch, es werden Zahnschmelzdefekte erkennbar.
Bei diesen Symptomen erfolgt die Diagnose der Rachitis auf zwei Arten:
- Röntgenaufnahme der langen Röhrenknochen, zum Beispiel der Handgelenke oder Unterarme, um typische Veränderungen zu erkennen.
- Blutuntersuchungen zur Bestimmung des Vitamin-D-, Kalzium- und Phosphatspiegels sowie gegebenenfalls des Parathormons (Nebenschilddrüsenhormon) und der alkalischen Phosphatase (einem Enzym, das am unter anderem am Knochenstoffwechsel beteiligt ist).
Wie wird eine Rachitis behandelt?
Die Behandlung der Rachitis richtet sich nach der jeweiligen Ursache. Sie zielt darauf ab, den Vitamin-D-Mangel zu beheben, der zu einem Mineralstoffmangel führt – beziehungsweise die Fähigkeit des Körpers beeinträchtigt, Mineralstoffe wie Kalzium richtig zu verwerten. Um einen akuten Mangel zu beheben und die körpereigenen Reserven wieder aufzufüllen, sollten Betroffene zwölf Wochen lang jeden Tag ein höher dosiertes Vitamin-D-Präparat und Kalzium einnehmen. Bei Kindern im ersten Lebensjahr sollte anschließend eine vorbeugende Weiterbehandlung mit Vitamin D erfolgen. Liegt eine seltene angeborene Störung des Vitamin-D-Stoffwechsels vor, muss dagegen lebenslang täglich die biologisch aktive Form von Vitamin D (Calcitriol) zugeführt werden.
Wie verläuft eine Rachitis?
Wird eine Rachitis frühzeitig erkannt und gezielt mit Vitaminpräparaten behandelt, ist die Prognose günstig, dass Fehlstellungen oder Achsverschiebungen auch ohne operative Korrekturen heilen.
Wie kann man einer Rachitis vorbeugen?
An erster Stelle steht ausreichend Sonnenlicht, da der Körper Vitamin D im Wesentlichen über die Haut selbst bildet. Ergänzend kann eine Vitamin-D-reiche Kost helfen, etwa mit fettem Seefisch, Innereien, Speisepilzen, Eiern, Butter und Milch. Zur gezielten Rachitis-Prophylaxe wird von der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde empfohlen, bis zum Ende des ersten Lebensjahrs täglich eine Tablette mit 400 bis 500 Internationalen Einheiten (12,5 Mikrogramm) Vitamin D einzunehmen. Bei Kindern, die im Winter geboren werden, ist die Vitamin-D-Bildung durch Sonnenlicht über die Haut unzureichend. Bei ihnen sollte die Einnahme deshalb auch noch in den Wintermonaten des zweiten Lebensjahres erfolgen. Dies ist insbesondere für Kinder mit dunkler Hautfarbe empfehlenswert. Rachitis bei Mutter und Kind als Folge eines schweren Vitamin-D-Mangels ist in der westlichen Welt heute selten. Wird bei Schwangeren ein echter Mangel festgestellt, sollte dieser durch die Gabe eines entsprechenden Vitaminpräparates ausgeglichen werden.