Eltern
Wie Kinder mehrsprachig aufwachsen und gefördert werden können
Veröffentlicht am:10.05.2023
5 Minuten Lesedauer
In Deutschland wachsen immer mehr Kinder mit mehr als einer Sprache auf – und bringen bereits im Vorschulalter die unterschiedlichen Sprachen meist spielend unter einen Hut. Eltern können ihre Kinder beim mehrfachen Spracherwerb gezielt unterstützen.
Was ist Mehrsprachigkeit?
Mehrsprachigkeit oder Multilingualität bedeutet mehr als Fremdsprachenkenntnisse in der Schule erworben zu haben. Andererseits muss man, um als mehrsprachig zu gelten, nicht zwei oder mehrere Sprachen gleich gut beherrschen. Diese Ansicht herrschte früher in der Wissenschaft vor. Heute versteht man unter Mehrsprachigkeit, dass Menschen in zwei oder mehreren Sprachen kommunizieren können und mehrere Sprachen in unterschiedlichen Lebensbereichen auch tatsächlich benutzen.
Auf die Praxis kommt es an
Es gibt verschiedene Formen und Niveaus der Mehrsprachigkeit. Bei den einzelnen Sprachen können Unterschiede beim Hörverständnis und Lesen oder beim Sprechen und Schreiben bestehen. Entscheidend ist nicht die Kompetenz in einer Sprache, sondern dass ein Mensch mehr als eine Sprache alltäglich verwendet: etwa die Landessprache bei der Arbeit mit Kollegen und Kolleginnen und im familiären Umfeld die Herkunftssprache – dieser Begriff wird heute oft statt „Muttersprache“ benutzt.
Unterschiedliche Arten der Mehrsprachigkeit
Die häufigste Form der Mehrsprachigkeit ist die Zweisprachigkeit oder Bilingualität: Ein Kind teilt zum Beispiel mit seinen Eltern eine Herkunftssprache und spricht außerhalb der Familie eine andere Landessprache. Aber auch die Trilingualität (Dreisprachigkeit) ist nicht selten. Sie kann beispielsweise vorkommen, wenn Eltern unterschiedliche Herkunftssprachen haben, die beide nicht die Sprache des Landes sind, in dem die Familie lebt. Ein mögliches konkretes Beispiel: ein Kind mit einem marokkanischen Vater und einer spanischen Mutter, das in Deutschland lebt.
Vorteile von Mehrsprachigkeit
In der Forschung herrscht weitgehender Konsens darin, dass Mehrsprachigkeit Vorteile hat. Mehrsprachigen Menschen wird über die Herkunftssprache viel über die Heimat der Eltern vermittelt. Das kann sich positiv auf das Interesse an anderen Kulturen auswirken. Deshalb verfügen mehrsprachige Menschen oft nicht nur über sprachliche, sondern auch über sogenannte interkulturelle Kompetenz. Das heißt, sie können sich manchmal in Menschen aus unterschiedlichen Kulturen gut einfühlen oder in Konflikten vermitteln. Solche Kompetenzen zählen zu den sogenannten Soft Skills, die im modernen Berufsleben immer wichtiger werden. Mehrsprachigkeit kann deshalb zu guten beruflichen Startvoraussetzungen beitragen.
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Mehrsprachigkeit bei Kindern – die Sorge vor Überforderung
Je nach der Konstellation im Elternhaus gibt es unterschiedliche Entwicklungen der Mehrsprachigkeit:
- Mehrsprachig von Anfang an: Wenn die Eltern unterschiedliche Herkunftssprachen haben, die sie mit dem Kind sprechen, wachsen Kinder ab ihrer Geburt zweisprachig auf. Der zweifache Spracherwerb läuft dann meist selbstverständlich ab.
- Später erworbene Mehrsprachigkeit: Wenn beide Eltern dieselbe und von der Landessprache abweichende Sprache sprechen, lernen ihre Kinder während der ersten Lebensjahre oft nur diese Herkunftssprache. Erst durch Kontakte außerhalb der Familie, meist den Besuch einer Kindertagesstätte, kommt eine zweite Sprache hinzu. Durch das Miteinander mit anderen Kindern und Erwachsenen lernen auch solche Kinder meist problemlos die zweite Sprache.
Unabhängig davon, um welche Art von Mehrsprachigkeit es sich handelt, fragen sich viele Eltern, ob eine bilinguale Erziehung ihr Kind überfordern könnte. Sie befürchten, dass das Kind die Sprachen nicht auseinanderhalten kann. Das ist so gut wie nie der Fall – nicht einmal Kinder, bei denen eine spezifische Sprachentwicklungsstörung festgestellt worden ist, haben größere Probleme, wenn sie zwei- statt einsprachig aufwachsen. In dieser Hinsicht bringt Mehrsprachigkeit keine Nachteile für die kindliche Sprachentwicklung mit sich. Dass mehrsprachig aufwachsende Kinder Sprachen manchmal vermischen und durcheinander sprechen, hält meist nur phasenweise an. Trotzdem gibt es Verhaltensweisen und familiäre Strukturen, mit denen Eltern ihre Kinder unterstützen können.
Mehrsprachigkeit fördern: So gelingt es
Das Ziel bei der Förderung von Mehrsprachigkeit ist, Kinder so zu stärken, dass sie ihre Fähigkeiten in der Herkunftssprache oder den Herkunftssprachen weiterentwickeln und gleichzeitig Sicherheit in der jeweiligen Landessprache erwerben. Mit einigen Grundregeln kann das gut klappen.
Herkunftssprache zuerst
Als Elternteil die eigene Herkunftssprache zu unterdrücken, erleichtert dem Kind den Erwerb der Landesprache nicht. Es beraubt das Kind zudem eines kulturell-sprachlichen Schatzes. „Sprechen Sie mit Ihrem Kind ausschließlich deutsch!“, ist ein falscher Rat. Eltern sollten in derjenigen Sprache mit ihren Kindern sprechen, in der sie sich selbst am sichersten fühlen. So können sie ein sprachliches Vorbild sein. Eine gute Kenntnis der Erstsprache ist die beste Voraussetzung, um auch in der Zweitsprache ein gutes Sprachniveau zu erreichen.
Frühzeitiger und regelmäßiger Kita-Besuch
Das ist vor allem wichtig, wenn beide Eltern nur unsicher oder wenig Deutsch sprechen, damit ein Kind früh mit der Sprache des Landes vertraut wird, in dem es lebt. Auch wenn ein Kind noch überhaupt kein Deutsch beherrscht, ist die Kita die Umgebung, in der Zweisprachigkeit entsteht. Die Eltern sollten aber weiter in ihrer Herkunftssprache mit dem Kind kommunizieren.
Eine Person – eine Sprache
Dieses Prinzip hilft, wenn die Eltern unterschiedliche Sprachen sprechen. Jedes Elternteil spricht konsequent in der eigenen Herkunftssprache mit dem Kind, wenn es mit dem Kind allein ist. Für das Kind ist wichtig, dass eine bestimmte Sprache mit einer bestimmten Person in Verbindung steht. Eltern sollten selbst darauf achten, die Sprachen nicht zu mischen. Außerdem sollten beide Sprachen häufig vom Kind gehört werden.
Familiensprache
Bei unterschiedlichen Herkunftssprachen der Eltern sollte man sich für die Kommunikation des Kindes mit beiden Eltern auf eine gemeinsame Familiensprache verständigen. Wenn eine der beiden elterlichen Sprachen gleichzeitig die Landessprache ist, empfiehlt es sich, diese zu verwenden. Bei trilingual aufwachsenden Kindern kann die jeweilige Landessprache als „Verkehrssprache“ anstelle der beiden Herkunftssprachen gewählt werden. Entscheidend ist in jedem Fall, dass klare Regeln bestehen, wann welche Sprache gesprochen wird.
Kein Zwang
Hat ein Kind keine Lust, eine bestimmte Sprache zu sprechen, sollte es nicht gezwungen werden. Meist geht der Widerwille vorüber.
Sprache mit Freude vorleben
Genau wie beim einsprachigen Spracherwerb wirken sich das Erzählen von Geschichten, Vorlesen, Bilderbücher anschauen und Kommentieren sowie allgemein häufige sprachliche Kommunikation positiv aus. Eltern sollen sprachliche Vorbilder sein – egal in welcher und in wie vielen Sprachen.
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