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Weihnachten mit Demenzkranken: Tipps für ein schönes Fest

Veröffentlicht am:19.12.2024

7 Minuten Lesedauer

Weihnachten ist für viele gleichbedeutend mit Familienzeit. Was, wenn ein Familienmitglied an Demenz erkrankt ist? Welche Herausforderungen entstehen können und wie sie sich meistern lassen, weiß Sophia Sädler, Fachberaterin der AOK-Servicestelle Demenz.

Ein älterer Mann schmückt gemeinsam mit einer jüngeren Person einen Weihnachtsbaum in einem gemütlichen Wohnzimmer.

© iStock / FG Trade

Sophia Sädler, Fachberaterin der AOK-Servicestelle Demenz

© AOK

Sophia Sädler ist zertifizierte Pflegeberaterin bei der AOK-Servicestelle Demenz der AOK Rheinland/Hamburg. Seit 2021 unterstützt sie Angehörige von Menschen mit Demenz mit Beratungen und Schulungen rund um das Thema Demenz und Pflege. Die AOK-Servicestelle Demenz steht pflegenden Angehörigen mit Rat und Tat zur Seite. Neben Fragen zum Krankheitsbild geht es insbesondere um die Versorgungsplanung und die praktische Unterstützung im Alltag.

Weihnachten mit an Demenz erkrankten Verwandten: Welche Herausforderungen kann es geben?

Oft ist es fehlendes Wissen um die Erkrankung. Es gibt Familien, in denen nicht alle Mitglieder über den Gesundheitszustand eines oder einer Angehörigen aufgeklärt sind. Vielleicht, weil die erkrankte Person das selbst nicht möchte oder weil die nächsten Angehörigen sich dagegen entschieden haben. Das kann im Zusammentreffen zu Irritationen und Kommunikationsproblemen führen.

Raten Sie also, die Demenz-Erkrankung vor dem Weihnachtsfest zu thematisieren?

Ja, wir empfehlen in der Regel immer, so offen wie möglich mit einer Demenzerkrankung umzugehen. Darüber zu reden hilft – das gilt auch für die Vorbereitung auf das Weihnachtsfest: Wenn die Gäste über die Krankheit Bescheid wissen, haben sie die Chance, die Nachricht im Vorfeld zu verarbeiten, sich darauf einzustellen und Fragen zu stellen, wie sie mit der betroffenen Person am Weihnachtsabend am besten umgehen können.

Haben Sie konkrete Tipps für den Umgang mit Demenz-Erkrankten an den Feiertagen?

Generell ist es hilfreich, sich in die Lage der betroffenen Person hineinzuversetzen – beispielsweise dann, wenn man am Weihnachtsabend den Drang verspürt, falsche Aussagen immer wieder korrigieren zu wollen. Das ist grundsätzlich keine gute Idee, weil Menschen mit Demenz sich dadurch sehr unwohl fühlen können.

Wie kann ich Menschen mit Demenz, die eher zurückgezogen wirken, in das Weihnachtsfest integrieren?

Erst einmal ist es ratsam, sich zu fragen, ob die betroffene Person wirklich unglücklich mit der Situation ist. War sie vielleicht früher auch eher zurückhaltend in Gesprächen? Hat sie lieber zugehört als aktiv mitgemischt? Wenn ja, empfindet sie es vielleicht als angenehm, sich an Weihnachten ein wenig „berieseln“ zu lassen und genießt es, auch ohne große Worte mitten im Geschehen zu sein. Wir müssen also nicht zwanghaft Menschen mit Demenz in große Gespräche integrieren. Auch hier kommt es wieder darauf an, die Perspektive der erkrankten Person einzunehmen. Das gilt übrigens auch für die Räumlichkeiten und die Dekoration. Menschen mit Demenz fühlen sich in der Regel wohler, wenn sie ihre Umgebung gut wahrnehmen und einschätzen können – das ist eher in vertrauten, gemütlichen Zimmern der Fall. Lassen Sie den Menschen mit Demenz am besten die Weihnachtsdekoration mitgestalten. Neue Dekoration oder eine unübersichtliche Fülle könnten schnell eine ungewollte Unruhe auslösen.

Ein älterer Mann und eine ältere Frau sitzen auf einem Sofa. Über ihren Beinen liegt eine kuschelige roteDecke. Der Mann hat ein in einer goldenen Schachtel verpacktes Geschenk auf den Knien und lacht die Frau an.

© iStock / jacoblund

Menschen mit Demenz freuen sich häufig über Geschenke, die einen biografischen Bezug haben oder die sie an ein geliebtes Hobby erinnern.

Wie gelingt es, an Demenz Erkrankte nicht unbewusst auszuschließen?

Für Menschen mit Demenz ist es häufig einfacher, einem Gespräch zu folgen und daran teilzunehmen, wenn die Gesprächsrunden nicht so groß sind und die Gesprächspartnerinnen und -partner versuchen, in kürzeren Sätzen zu sprechen. Etwas über den Festtagstisch zu rufen, ist hingegen eher schwierig. Besser ist es, mit der erkrankten Person in direkten Blickkontakt zu treten und sie gezielt anzusprechen, um auch eine visuelle Verbindung herzustellen. Auf Hintergrundmusik sollte besser verzichtet werden. Eine schöne Möglichkeit der Teilnahme ist es auch, hochkommende Erinnerungsfragmente an frühere Weihnachtsfeste der Person mit Demenz zuzulassen – auch wenn es sich vielleicht um Erinnerungen aus der lange zurückliegenden Kindheit handelt. Das Weihnachtsfest und die jeweiligen Familienbräuche sind oft so fest verankert, dass auch Menschen mit Demenz sich daran erinnern; vielleicht in Form eines alten Gedichts oder eines Liedes, das sie gern aufsagen beziehungsweise vorsingen möchten. Schön ist es natürlich, wenn die anderen Familienmitglieder dafür offen sind – und vielleicht das Enkelkind gleich auch noch ein Gedicht oder Lied beisteuert.

Menschen mit Demenz brauchen oft Routinen, um sich sicher zu fühlen. Wie gelingt es in der eher trubeligen Weihnachtszeit?

Ein Tipp wäre, sich vorab mit dem Tagesablauf der betroffenen Person zu beschäftigen und zu schauen, ob man den ein oder anderen „Tagesordnungspunkt“ vielleicht auch in die Weihnachtstage integrieren kann. Im Pflegeheim wird immer um 18 Uhr gegessen – aber der Gottesdienst an Heiligabend beginnt auch zur selben Uhrzeit? Vielleicht kann der Kirchgang auf den Nachmittag verschoben werden, sodass der Gänsebraten doch um 18 Uhr auf dem Tisch stehen kann. Ganz wichtig ist es, die betroffene Person selbst nach ihren Wünschen zu fragen. Die Diagnose Demenz heißt ja nicht automatisch, dass Betroffene überhaupt keine eigenen Bedürfnisse mehr mitteilen können. Diesen Raum sollten sie unbedingt bekommen, um sich auch weiterhin ernstgenommen zu fühlen. Natürlich kann es aber auch dann passieren, dass die eigenen Erwartungen enttäuscht werden.

Wie meinen Sie das?

Wenn zum Beispiel eine Person mit Demenz in einem Pflegeheim oder Altersheim lebt und den Weihnachtsabend lieber nicht im großen Familienkreis verbringen möchte. Das kann natürlich auch Traurigkeit bei den Angehörigen auslösen. Wir raten aber immer dazu, die Bedürfnisse zu berücksichtigen und dann nach einem Kompromiss zu suchen, der sich für alle gut anfühlt. Das kann beispielsweise ein ausgedehnter Besuch am Nachmittag sein, an dem gemeinsam Plätzchen gegessen werden. Und: Auch eine Bescherung außerhalb des eigenen Wohnzimmers kann sehr schön sein!

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Welche Geschenke eignen sich für Menschen mit Demenz? Haben Sie Tipps?

Meist freuen sich betroffene Personen über Weihnachtsgeschenke, die einen biografischen Bezug haben. Hat die Oma ihr Leben lang in Berlin gelebt, ist eventuell ein besonderer Bildband genau das richtige. Beim gemeinsamen Durchblättern kommen dann vielleicht sogar die ein oder anderen Erinnerungen zurück. Vielleicht hatte sie auch immer schon eine Leidenschaft fürs Malen? Dann könnte sie sich sehr über einen schönen Malkasten mit Pinseln freuen. Eine Idee wäre es dann auch, mit ihr einmal pro Woche einen Maltag einzuführen, an dem gemeinsam gemalt wird. Ebenfalls schön ist es, wenn ehemals leidenschaftliche Gärtnerinnen und Gärtner beispielsweise ein Aufzuchtset geschenkt bekommen, das sie auch in einer Pflegeeinrichtung hegen können. Einmal habe ich auch mitbekommen, wie eine Enkelin ihrer Großmutter eine große, pinkfarbene Trinkflasche geschenkt hat. Dieses Geschenk hatte einen sehr guten Hintergedanken: Ältere Menschen mit Demenz vergessen oft das Trinken. Das Geschenk der Enkelin war aber so positiv besetzt, dass die Großmutter die Flasche immer bei sich trug – und dadurch auch mehr trank.

Demenz: Schulungen für Angehörige

Eine Demenz-Erkrankung ist nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Angehörigen eine ganz neue Herausforderung im Leben. Wie geht man damit um? Welche Hinweise zur Pflege sind nützlich? All das und noch viel mehr erfahren Sie in den AOK-Schulungsangeboten.

Manchmal braucht es einen Rat von außen

Was tun, wenn Angehörige wütend sind, dass die erkrankte Person nicht mehr ist wie früher?

Wir sagen immer: Die eigenen Gefühle dürfen da sein. Es ist menschlich, dass wir nicht immer geduldig und rücksichtsvoll sein können – vor allem nicht in außergewöhnlichen Situationen wie dem Weihnachtsfest, an dem so viele Erwartungen hängen. Wichtig ist, dass Angehörige ebenso nachsichtig mit sich selbst sind wie mit der erkrankten Person. Wenn sie große Überforderung spüren, ist es immer sehr hilfreich, mit anderen darüber zu sprechen. Wir erleben beispielsweise oft, dass sich die jeweiligen Ehepartner und -partnerinnen alleinverantwortlich fühlen und ihre Kinder mit der Situation nicht belasten möchten. Dabei ist es häufig so, dass die Kinder sehr gerne helfen möchten, aber sich abgeblockt fühlen. Solche Missverständnisse lassen sich durch offene Gespräche aufklären.

Was raten Sie, wenn die Überforderung der Angehörigen zu groß wird?

Dann gibt es glücklicherweise Anlaufstellen wie die unsere. AOK-Versicherte und insbesondere ihre Angehörigen können sich jederzeit an unsere Servicestelle Demenz wenden. Wir nehmen uns ausreichend Zeit, um am Telefon über die jeweilige Situation zu sprechen und Hilfsmöglichkeiten aufzuzeigen. Manchmal unterstützt ein Blick von außen gut dabei, Sorgen und Ängste aus einer anderen Perspektive zu betrachten und ungesunde Gedankenschleifen zu durchbrechen. In vielen Städten gibt es zudem Angehörigengruppen, die sich regelmäßig zum Austausch treffen. Auch diese Gruppen sind für viele hilfreich, weil man dort auf Augenhöhe mit anderen Betroffenen ins Gespräch kommen kann. Wenn Angehörige starke Überlastungen spüren und beispielsweise unter Schlafstörungen leiden, sollten sie natürlich einen Arzt oder eine Ärztin aufsuchen.

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