Kinder
Wie kann ich mein Kind richtig loben?
Veröffentlicht am:12.01.2021
4 Minuten Lesedauer
Kinder brauchen Anerkennung. Das motiviert sie und stärkt ihr Selbstbewusstsein. Aber auch hier gilt: weniger ist mehr. Der Experte Dr. Herbert Renz-Polster, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, ist selbst vierfacher Vater und befasst sich seit Jahrzehnten mit Fragen rund um die Entwicklung und Gesundheit von Kindern und Jugendlichen.
Inhalte im Überblick
- Herr Renz-Polster, Sie sind Kinderarzt, haben den Bestseller „Kinder verstehen“ geschrieben und sind selbst Vater von vier Kindern. Wie viel Lob brauchen Kinder?
- Was kann man beim Loben sonst noch falsch machen?
- Sie sprechen von manipulierendem Lob …
- Inwiefern?
- Kann man sagen, dass durch Lob die Leistung nachlässt?
- Wie lobt man Ihrer Meinung nach richtig? Worauf muss man achten?
- Wie heikel ist vergleichendes Lob?
- Viele Eltern loben ihre Kinder dafür, wie klug sie sind. Wie beurteilen Sie das?
- Lob darf also nicht zum Normalzustand werden.
- Warum fehlt das Feingefühl?
- Statt was zu tun?
- Welches ist das schönste Lob?
- Wann wird Lob zum Hindernis?
Herr Renz-Polster, Sie sind Kinderarzt, haben den Bestseller „Kinder verstehen“ geschrieben und sind selbst Vater von vier Kindern. Wie viel Lob brauchen Kinder?
Weniger, als man glaubt. Ein Kind sollte nicht jeden Tag für jeden kleinen Anlass mit überschwänglichen Worten bedacht werden. Wenn gelobt wird, sollte das in angemessenem Ausmaß geschehen. Denn alles, was als „unglaublich toll“ und „super“ beurteilt wird, kann später unmöglich übertroffen werden – und das ist eine bittere Erfahrung für Kinder.
Was kann man beim Loben sonst noch falsch machen?
Ein Erwachsener, der auf erwünschtes Verhalten sofort mit Lob und Bestätigung reagiert und auf unerwünschtes mit Tadel und Strafe, kann bei einem Kind den Eindruck erwecken, dass es sich elterliche Zuneigung erst einmal verdienen muss. Auf diese Weise werden Kinder gelenkt und beeinflusst.
Inwiefern?
Kinder sollten sich nicht nach äußerer Motivation richten, denn langfristig wirkt das hemmend auf ihre Entwicklung. Echte Motivation muss von innen kommen, wie eine sprudelnde Quelle. Kinder sollten Dinge tun, weil sie ihnen Freude bereiten und für sie sinnvoll sind. Dieser eigene innere Ansporn ist sehr viel mehr wert als ein gezieltes, erzieherisches Lob der Eltern. Er ist wie Dünger für das Lernen.
Wann wird Lob zum Hindernis?
Lob ist Balsam für die Seele. Das denkt man jedenfalls. Doch Lob kann sich auch ganz anders auswirken. Das zeigt eine Untersuchung, die die Psychologin Carol Dweck von der Stanford Universität, Kalifornien, in amerikanischen Schulklassen durchführte.
Für die Langzeitstudie besuchten die Motivationsforscherin und ihr Team mehrere Klassen der fünften Jahrgangsstufe. Sie luden Kinder zu einem einfachen Geschicklichkeitstest ein. Anschließend teilten sie den Schülerinnen und Schülern ihre Ergebnisse mit. Unabhängig davon, wie die Aufgabe bewältigt wurde, bekamen einige das Feedback: „Du bist wirklich klug“, anderen wurde gesagt: „Du hast dich offenbar wirklich angestrengt“. Während also einer für seine Intelligenz gelobt wurde, bekam der andere ein Lob für Einsatzbereitschaft.
Dann ging das Experiment in die zweite Runde. Nun hatten die Schüler die Wahl zwischen einem komplizierten und einem leichten Test. Wie sich zeigte, wirkte sich das unterschiedliche Feedback der ersten Runde aus: Von den Kindern, die nach dem ersten Test für ihre Anstrengung gelobt worden waren, wählten 90 Prozent den schwierigeren. Wer ein Lob für seine Intelligenz erhalten hatte, wählte meist den leichteren Test. Die Vermutung: Diese Kinder hatten Angst, dumm dazustehen, wenn sie Fehler machen.
In der nächsten Runde des Experiments bekamen die Schüler einen Test, der für ihre Klassenstufe eigentlich viel zu kompliziert war. Wieder reagierten die Kinder unterschiedlich. Die, die Lob für ihre Einsatzbereitschaft bekommen hatten, strengten sich im Test umso mehr an und probierten verschiedene Lösungswege aus. Auch wenn es nicht klappte, hatten sie Spaß an der Denksportaufgabe. Ganz anders in der Vergleichsgruppe: Die Kinder, die für ihre Klugheit gelobt worden waren, gaben die Aufgabe nach kurzer Zeit schlecht gelaunt auf. Offenbar glaubten sie, es könne ihre Intelligenz infrage stellen, wenn sie Fehler machen, und lehnten die Herausforderung somit ab.
Im letzten Teil des Versuchs bekamen alle einen Test, der so leicht war wie der erste. Wieder überraschte das Ergebnis: Wer für seinen Einsatz gelobt worden war, verbesserte sich im Vergleich zum Anfang des Experiments um etwa 30 Prozent. Die, denen Intelligenz bescheinigt worden war, schnitten diesmal um bis zu 20 Prozent schlechter ab.