Kinder
Depressionen in der Familie – diese Unterstützungsangebote gibt es
Veröffentlicht am:13.11.2024
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Sind Vater oder Mutter an einer Depression erkrankt, hat das auch Auswirkungen auf die Kinder. Wie können sie die Krankheit ihrer Eltern begreifen? Und wo bekommen Eltern Hilfe, um ihre Kinder sanft und sensibel an das Thema heranzuführen?
Prof. Dr. Silke Wiegand-Grefe ist Leiterin der Forschungsgruppe Psychotherapie und Familienforschung an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am UKE Hamburg. Sie erklärt, welche Auswirkungen Depressionen in der Familie auf Kinder haben können, wie Eltern mit ihren Kindern über das Thema ins Gespräch kommen können und welche Unterstützungsangebote es für Eltern mit Depressionen gibt.
Welche Auswirkungen kann es auf Kinder haben, wenn ein Elternteil an einer Depression leidet?
Das ist abhängig davon, wie schwer die Depression von Vater oder Mutter ausgeprägt ist und wie sich die familiäre Situation sonst darstellt. Gibt es beispielsweise ein großes soziales Netzwerk, das dem Kind zur Verfügung steht oder ist das andere Elternteil gesund und verfügbar? Dann ist die Situation für das Kind eine andere, als wenn diese Faktoren nicht gegeben sind.
Die Depression eines Elternteils kann dazu führen, dass Kinder in dieser Person keinen verlässlichen Ansprechpartner oder -partnerin haben. Der erkrankte Vater oder die erkrankte Mutter ist schließlich phasenweise mit der Depression so beschäftigt, dass er oder sie abwesend und emotional nicht erreichbar ist.
Das kann bei Kindern verschiedene Emotionen auslösen – Schuldgefühle zum Beispiel, wenn das Kind sich fragt, ob es möglicherweise selbst schuld ist an dem Verhalten des erkrankten Elternteils. Auch Selbstwertkonflikte, also die Frage danach, ob etwas mit ihm nicht in Ordnung ist, können eine Folge sein. Außerdem kann es zu Einsamkeits- und Verlassenheitsgefühlen kommen. Kinder fühlen sich allein, da sie nicht wissen, an wen sie sich mit ihren Problemen wenden können. Besonders gravierend kann das sein, wenn die Bedürfnisse des Kindes vernachlässigt werden.
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Wie kann sich die Schwere der Depression bei Mutter oder Vater auf das Kind auswirken?
Die Schwere der Depression eines Elternteils spielt nur eine untergeordnete Rolle, wenn das Kind ein weiteres zuverlässiges Elternteil an seiner Seite hat – oder natürlich auch eine andere Bezugsperson. Dann lässt sich die Erkrankung häufig abpuffern.
Bei alleinerziehenden Elternteilen, die mit Depressionen leben, spielt deren Schwere allerdings eine entscheidende Rolle für die Entwicklung des Kindes. Während es bei einer leichten Form der Erkrankung auch immer wieder Phasen gibt, in denen das Familienleben gut funktioniert, kann es bei schweren Depressionen zu stationären Aufenthalten in einer psychiatrischen Klinik kommen. Das Elternteil kann dann zeitweise gar nicht für das Kind da sein.
Passende Angebote der AOK
Familiencoach Depression
Für Angehörige von an Depressionen erkrankten Erwachsenen hat die AOK ein Programm mit Informationen und Hilfestellungen zur Bewältigung des Alltags entwickelt.
Wie können Eltern mit ihren Kindern über die eigene Depression sprechen?
Wer sich allein damit überfordert fühlt, kann sich professionelle Hilfe suchen. Sowohl für Eltern als auch für Kinder gibt es verschiedene Unterstützungsangebote. Ein solches ist zum Beispiel das Verbund-Projekt CHIMPS-NET, das die Umsetzung neuer Versorgungsformen für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit psychisch erkrankten Eltern erprobt. An 20 Standorten des Verbunds CHIMPSNET kümmern sich ausgebildete Fachleute um Kinder und Jugendliche psychisch erkrankter Eltern. Dort können Mütter und Väter ihre Fragen ansprechen: Wie kann ich mit meinem Kind über meine Depression sprechen? Wie kann ich das Gespräch suchen? Es gibt auch die Möglichkeit, ein solches Gespräch moderieren zu lassen. Außerdem werden Familiengespräche angeboten, die nach den jeweiligen Bedürfnissen individuell gestaltet werden. Der Verbund leistet kurze präventive Hilfe und bietet darüber hinaus ein längerfristig angelegtes, therapeutisches Angebot an.
Inzwischen gibt es gute Kinderbücher zu dem Thema Depression, die kindgerecht aufbereitet sind und die man gemeinsam lesen kann.
Papas Seele hat Schnupfen – und weitere Buchtipps
Im Jahr 2014 hat die Deutsche Depressionsliga e.V. mit Unterstützung des AOK-Bundesverbandes im Monterosa-Verlag das Kinderbuch „Papas Seele hat Schnupfen“ der Autorin Claudia Gliemann herausgebracht.
Weitere Kinder- und Jugendbücher, die das Thema Depressionen bei Eltern behandeln, finden Sie auf der Webseite der Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder psychisch erkrankter Eltern.
Warum ist es wichtig, dass in der Familie über das Thema Depressionen gesprochen wird?
Kinder bekommen so viel mehr mit von dem, was in der Familie los ist, als Eltern manchmal vermuten. Deshalb ist eine Tabuisierung des Themas fatal. Väter und Mütter sollten sich Zeit nehmen und mit ihrem Nachwuchs über die Depression sprechen, ansonsten kann es dazu führen, dass sich Kinder mit großer Fantasie katastrophale Gedanken machen. Die sind dann oft schlimmer als die eigentliche Realität.
Etwa 30 bis 40 Prozent der Kinder machen sich mehr Sorgen als nötig. Wir wissen aber, dass dies zu Verunsicherung und negativen psychischen Folgen bei Kindern führen kann.
Welche Unterstützungsangebote für Eltern mit Depressionen gibt es noch?
Im Rahmen des Verbunds CHIMPS-NET gibt es zusätzlich ein familienorientiertes Angebot, das zum Ziel hat, die Selbsthilfe der Eltern zu stärken, die Familien miteinander zu vernetzen und in den Austausch miteinander zu bringen. Die nachhaltige Idee hierbei ist, dass über die direkte Intervention hinaus Kontakte mit anderen betroffene Familien entstehen, die sich dann auch später noch austauschen können. In den meisten Kliniken gibt es Selbsthilfegruppen oder Gesprächsgruppen, in denen sich solche wichtigen Kontakte entwickeln können.
Wie können Eltern erkennen, wenn ihr Kind psychische Probleme entwickelt oder Hilfe braucht?
Es ist wichtig zu wissen, dass seelisch belastete Kinder selbst psychisch erkranken können. Besteht ein entsprechender Verdacht, sollte eine diagnostische Abklärung erfolgen. Der Kinderarzt oder die Kinderärztin ist dafür eine gute Anlaufstelle. Viele Eltern fragen sich natürlich, auf welche Warnzeichen sie achten sollten. Dazu lässt sich sagen: Immer, wenn sich das Verhalten des Kindes deutlich ändert – mehr als die normale Entwicklung vermuten lässt – könnte eine ernsthafte psychische Belastung dahinterstecken. Das kann sich beispielsweise in sozialem Rückzug oder Interessenverlust äußern. Ihr Kind trifft sich nicht mehr mit Klassenkammeraden oder geht seinen Hobbies nicht mehr nach? Auch Nachdenklichkeit oder Freudlosigkeit können wichtige Signale sein, dass etwas nicht in Ordnung ist. Oder es stellt sich das gegenteilige Verhaltensmuster ein: Das Kind zeigt sich aggressiv, gerät in Konflikte oder fällt in der Schule auf. Manchmal ist es schwer zu unterscheiden, ob das zum Beispiel die normale Pubertät ist oder eine überschießende Reaktion auf Probleme. Am besten suchen Eltern das Gespräch mit dem Kind und versuchen herauszufinden, was los ist. Das kann zum Beispiel im Rahmen einer gemeinsamen Aktivität gelingen, die das Kind gerne mag.