Kinder
Entspannung für Kinder: Die besten Übungen
Veröffentlicht am:03.09.2021
7 Minuten Lesedauer
Wenn es Kindern zu viel wird, kann sich der Druck in eine dauerhafte Anspannung verwandeln. Entspannung ist für Kinder deshalb genauso wichtig wie für Erwachsene. Mit diesen vier Übungen kommt Ihr Kind zur Ruhe – egal ob vor der Schule, während des Lernens oder danach.
Inhalte im Überblick
- In der Ruhe liegt die Kraft: Warum auch Kinder Entspannung brauchen
- Qi Gong-Ohrenmassage: Fördert die Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit
- Progressive Muskelentspannung: Baut die Anspannung ab und schult die Körperwahrnehmung
- Autogenes Training: Entspannung für Grundschulkinder
- Fantasiereise: Der „Zauberhut“ lässt Kinder träumen
- Tipps für mehr Entspannung im Alltag
In der Ruhe liegt die Kraft: Warum auch Kinder Entspannung brauchen
Kinder brauchen nicht nur Zeit für Freunde, für Bewegung und Sport. Sie benötigen auch Zeit, um zur Ruhe zu kommen, damit sie Erlebtes und Erlerntes verarbeiten und einordnen können. Deshalb sollte es auch zu Hause Zeit und Raum für Entspannungsphasen geben.
Oft werden Kinder schon sehr früh in verschiedene Richtungen gefördert, sei es musikalisch, sportlich oder kreativ. Manche Kinder erleben die Vielzahl ihrer Hobbies als Stress – und leiden immer häufiger unter Kopfschmerzen, Konzentrationsschwierigkeiten, Übelkeit und Unruhezuständen. Auch die Anforderungen in der Schule empfinden Kinder laut langjähriger Studien als stressig – und das bereits im Grundschulalter.
Stress haben Kinder schon in der Kita
Stress beginnt für Kinder nicht erst mit der Grundschule. Schon der Eintritt in eine Kindertagesstätte kann bei den Kleinen Stress auslösen. Das konnten Psychologen in der Wiener Kinderkrippenstudie nachweisen. So hatten die Krippenkinder in den ersten Wochen der Betreuung einen deutlich erhöhten Wert des Stresshormons Cortisol. Zurückgeführt wir das unter anderem auf die neue und unbekannte Umgebung – neue Betreuer, neue Kinder, neue Räumlichkeiten und viel mehr Lärm als sonst. Dazu kommt der Trennungsschmerz, wenn die Eltern das Kind zurücklassen.
Die gute Nachricht: Pädagogen stellten fest, dass Kinder, die wissen, wie sie sich entspannen können, seltener gestresst sind. Verhelfen Sie deshalb auch Ihrem Kind zu mehr Ruhephasen und Entspannung. Mit diesen vier Übungen für Zuhause funktioniert dies ganz einfach:
Vortesten für Vorher-Nachher-Vergleich
Für diese Übung vom Kinderschutzbund sollten Sie mit Ihrem Kind zunächst einen „Vortest“ durchführen, um später einen Unterschied zum vorherigen Zustand wahrnehmen zu können. Dazu stellt sich das Kind aufrecht und gerade hin. Es blickt nun, bei geradem Körperstand und ohne die Schultern oder den Rest des Körpers zu bewegen, hinter sich. Dann merkt es sich den Punkt bis zu dem es schauen kann. Anschließend dreht Ihr Kind den Kopf wieder nach vorne, ohne sich mit dem restlichen Körper zu bewegen.
So geht die Übung
Los geht’s mit der Hauptübung:
- Ihr Kind massiert sich mit den Fingern beide Ohren. Ohrmuscheln hinauf und hinunter, bis sie warm werden.
- Dies darf ungefähr zwei Minuten dauern.
- Achten Sie dabei darauf, dass Ihr Kind aufrecht und gerade stehen bleibt. Im Anschluss schaut das Kind wieder hinter sich.
- Wichtig ist, dass es den Kopf wieder in die gleiche Richtung dreht wie zuvor. Auch dabei darf sich der Körper nicht mitbewegen.
Wie weit kann Ihr Kind nun schauen? Besprechen Sie mit Ihrem Kind das Erlebte.
Ziel der Übung
In der Regel können Kinder ihren Hals und damit den Nacken weiterdrehen als zuvor, da die Nackenmuskulatur durch die Massage der Ohren besser durchblutet wurde. Die Muskulatur ist entspannt und vitalisiert. Das fördert die Konzentrationsfähigkeit und die Aufmerksamkeit, beugt Ermüdungserscheinungen vor und sorgt für geistige und körperliche Entspannung. Die Übung entstammt der Qi Gong-Lehre, welche meditative Elemente mit Bewegung kombiniert.
Progressive Muskelentspannung: Baut die Anspannung ab und schult die Körperwahrnehmung
- Übung für Kinder von 6 – 10 Jahren
- Dauer: 5-10 Minuten
- Material: Stuhl oder Unterlage
Am sinnvollsten ist es, diese Übung vom Kinderschutzbund in eine Geschichte zu verpacken. Das erleichtert Ihrem Kind den Zugang zu der Entspannungsübung.
Ihr Kind setzt sich dabei bequem auf einen Stuhl, die Augen sind geschlossen und die Hände liegen locker auf den Oberschenkeln. Beginnen Sie jetzt Ihre Geschichte, zum Beispiel:
„Stell dir vor, dass heute Experimentierstunde ist. Wir probieren heute ganz viele neue Dinge aus, bei denen du deine Kraft einsetzen kannst. Zuerst wollen wir einen Stein in Staub verwandeln. Wenn ich es dir sage, dann stellst du dir bitte vor, du würdest in deiner Schreibhand einen Stein zerdrücken. Deine Schreibhand musst du dafür zu einer Faust ballen. Auf meine Ankündigung sollst du deine Faust so lange fest zusammendrücken, bis ich dir ein Zeichen gebe:
- Drück den Stein so fest wie möglich in der Hand, mit der du schreibst
- 10 Sekunden warten
- Nun löse den Griff wieder
- 30 Sekunden warten
- Liegt der Stein immer noch schwer in deiner Hand? Oder ist er vielleicht zu Staub geworden und deine Hand fühlt sich ganz leicht und unbeschwert an? Was fühlst du?
- Wollen wir mal probieren, wie es in der anderen Hand funktioniert? Konzentriere dich nun auf diese Hand und den schweren Stein in ihr
- Drück den Stein so fest wie möglich in der Hand, mit der du nicht schreibst
- 10 Sekunden warten
- Nun löse den Griff wieder
- 30 Sekunden warten
- Ist der Stein noch schwer und ganz, oder konntest du ihn zu Staub zerbröseln?
- Fühlt sich deine Hand leicht oder schwer an?“
Ziel der Übung
Der Psychologe Edmund Jacobsen stellte Anfang des vergangenen Jahrhunderts fest, dass sich Angst, Unruhe und Stress auf die muskuläre Anspannung auswirken. Mit dem Mechanismus der Progressive Muskelrelaxation (PMR), im deutschen Sprachgebrauch Progressive Muskelentspannung, lässt sich der Muskeltonus aber wieder regulieren. Diese Übung für Schulkinder dient der Wahrnehmung von muskulären Spannungs- und Entspannungszuständen und verbessert die Konzentrationsfähigkeit und Gedächtnisleistung.
Autogenes Training: Entspannung für Grundschulkinder
- Übung für Kinder von 4 – 10 Jahren
- Dauer: 10 Minuten
- Material: dicke Decke und entspannte Musik
Für diese Übung des Landessportbunds Nordrhein-Westfalen sollten Sie zunächst eine ruhige Atmosphäre schaffen. Idealer Zeitpunkt ist die Phase nach den erledigten Hausaufgaben, nach dem Essen oder vor dem Zubettgehen. Ihr Kind legt sich dafür mit dem Rücken auf eine dicke Decke und schließt die Augen. Lassen Sie im Hintergrund ruhige, entspannte Musik laufen.
Sprechen Sie anschließend folgende Sätze mehrfach und bis zu sechsmal hintereinander:
- Ich bin ganz ruhig und entspannt.
- Meine Arme und Beine sind schwer.
- Meine Arme und Beine sind warm.
- Mein Herz schlägt ruhig und gleichmäßig.
- Mein Atem geht ruhig und gleichmäßig.
- Mein Bauch ist warm.
- Meine Stirn ist kühl.
Während der Übung sollte Ihr Kind ruhig atmen. Ist die Übung zu Ende, macht Ihr Kind eine Faust und streckt sich, erst danach öffnet es wieder die Augen. Diese aktive Zurücknahme führt dazu, dass Ihr Kind aus der Welt der intensiven Wahrnehmung zurück in die Realität kommt, in die wieder wache und bewusste Wahrnehmung seiner Umgebung.
Ziel der Übung
Das Autogene Training ist eine Form der Selbstentspannung, die auch für Kinder hilfreich ist. Es beruhigt und führt schon in kürzester Zeit zu einer ruhigen Atmosphäre.
Fantasiereise: Der „Zauberhut“ lässt Kinder träumen
- Übung für Kinder von 6 – 10 Jahren
- Dauer: 10 Minuten
- Material: weiche Unterlage und leichte Decke
Auch diese Übung des Landessportbundes Nordrhein-Westfalen ist eine Entspannungsübung, die als Übung zwischendurch oder als „Abendritual“ geeignet ist. Schaffen Sie eine ruhige, entspannte Atmosphäre und verdunkeln Sie den Raum. Ihr Kind legt sich dafür auf eine weiche Unterlage und deckt sich leicht zu. Jetzt beginnen Sie langsam von der Traumreise zu erzählen:
Die Traumreise zum Vorlesen
„Du liegst auf der Wiese, es geht dir gut.
Da kommt ein Zauberer mit großem Hut.
Er sagt: „Der Hut macht dich unsichtbar.
Und das wird dir ganz schnell klar.Du setzt den Hut auf.
Die Zauberei nimmt ihren Lauf.
Du genießt es ganz und gar unsichtbar zu sein.
Du findest Unsichtbarsein ganz fein.
Der Zauberhut bringt dich an jeden Ort.
Du kommst dorthin sofort.Und so reist du eine Weile,
ohne Hast und ohne Eile.
Keiner kann dich nun sehen.
Du kannst überall hingehen.Doch nach einer Weile ist die Zauberei vorbei.
Der Zauberhut gibt dich wieder frei.
Du kommst zurück in diesen Raum.
Zu Ende ist dein Zaubertraum.“Vielleicht hat Ihr Kind nach der Traumreise das Bedürfnis über seine Erlebnisse zu sprechen und von den besuchten Orten zu erzählen. Planen Sie deshalb auch Zeit für einen inspirierenden Gedankenaustausch ein.
Ziel der Übung
Kurze Fantasiegeschichten eignen sich wunderbar als Entspannungsgeschichten. Die Kinder lernen so, für eine Weile einfach nur zuzuhören, der Geschichte zu folgen und entspannt dazuliegen. Besonders unruhige Kinder haben so die Möglichkeit, die Unruhe und den Stress ganz unbewusst fallen zu lassen.
Tipps für mehr Entspannung im Alltag
Auch im Alltag gibt es für Eltern viele Möglichkeiten, Ruhe- und Entspannungsphasen für ihre Kinder zu schaffen. Dafür benötigen Sie weder Smartphone, Fernseher noch Computer, denn damit kommen Kinder nicht zur Ruhe, auch wenn sie dabei ruhig sitzen. Einige Tipps:
- Gönnen Sie Ihrem Kind mehrmals am Tag Ruhepausen. Auch nach dem Sport oder nach dem Toben ist eine Phase des Ausruhens förderlich. Um zu entspannen, können Kinder lesen, malen, träumen, schlafen oder Musik hören.
- Wählen Sie beim riesigen Sport-, Musik- und Freizeitangebot für Kinder sorgsam aus: Was macht Ihrem Kind Spaß und was tut ihm gut? Denken Sie daran, dass Kinder auch Zeit zum Spielen und für das Verabreden mit Freunden brauchen. Um Stress zu vermeiden ist es ratsam, Termine nicht direkt hintereinander zu legen.
- Lassen Sie Ihr Kind seinen eigenen Weg finden, wie es am besten entspannen kann. Manche Kinder sind gerne allein, andere suchen die Nähe eines Erwachsenen oder eines Geschwisterkindes. Manche Kinder kuscheln gerne, andere brauchen Zeit für sich.
- Hören Sie Ihrem Kind zu, wenn es etwas Erlebtes erzählt. Nehmen Sie sich Zeit, um mit ihm in Ruhe darüber reden zu können.
- Führen Sie Familienrituale ein, zum Beispiel feste Ruhezeiten oder eine Vorlesestunde am Abend.
Wichtig
Integrieren Sie die verschiedenen Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen am besten spielerisch in den Alltag des Kindes. Mit Druck und Zwang könnte nur noch mehr Stress und Anspannung entstehen.