Kinder
Keine Angst vorm Zahnarzt: Was Kinder beim Zahnarzt erwartet
Veröffentlicht am:08.10.2020
8 Minuten Lesedauer
Aktualisiert am: 25.04.2024
Um Kindern die Angst vorm Zahnarzt zu nehmen, können Eltern selbst einiges tun – zum Beispiel ihren Kleinen erklären und zeigen, was beim Zahnarztbesuch passiert. Wie eine Vorsorgeuntersuchung beim Kind abläuft und was die Zahngesundheit stärkt.
Inhalte im Überblick
- Der erste Besuch für Kinder in der Zahnarztpraxis
- Was tun Sie, wenn das Kind nicht auf den Behandlungsstuhl will?
- Was unterscheidet einen Kinderzahnarzt von einem Arzt, der nicht auf Kinder spezialisiert ist?
- Karies bei Kindern frühzeitig behandeln
- Welche Rollen spielen die Milchzähne bei Kindern?
- Ist eine professionelle Zahnreinigung bei Kindern empfehlenswert?
- Zähneputzen-FAQ für Eltern
- Worauf können Eltern für die Zahngesundheit der Kinder im Alltag achten?
Die Kinderzahnärztin Dr. Susann Özel spricht in einem exklusiven Interview darüber, was für die Zahngesundheit für Kinder wichtig ist.
Sie ist Inhaberin einer Kinderzahnarztpraxis in Hamburg.
Ab wann sollte man mit dem Kind zum Zahnarzt gehen?
Wir schauen uns schon gern den ersten Zahn der Babys an, der sich in etwa mit sechs Monaten ankündigt. Die Besuchsintervalle sind von da an sehr individuell: bei einer guten häuslichen Mundhygiene und wenig Karieserfahrung sehen wir die Kinder gern halbjährlich. Wenn wir den Kindern gern mehr Übung beim Putzen zu Hause geben wollen oder die Kinder ängstlich sind, können auch alle drei Monate sinnvoll sein.
Wie läuft eine zahnärztliche Vorsorgeuntersuchung beim Kind ab?
Diese setzt sich aus den drei Bausteinen der Prophylaxe zusammen: Zunächst prüfen wir die Mundhygiene der Kleinen und fragen die Eltern nach der täglichen Routine. Dann führen wir eine sogenannte Mundgesundheitsaufklärung bei den Eltern und den Kindern durch. Die Zähne werden zum weiteren Schutz mit Fluorid bestrichen.
Was tun Sie, wenn das Kind nicht auf den Behandlungsstuhl will?
Glücklicherweise kommt dies bei uns nur äußerst selten vor. Denn den klassischen Behandlungsstuhl gibt es bei uns nicht. Stattdessen liegen die Kinder auf erhöhten Gummimatten, die als Behandlungsfläche dienen. Die Kinder fühlen sich darauf nicht nur entspannt, sie zeigen uns auch gern, wie toll sie selbst dort hinaufklettern können. Die bunten Farben und die kinderfreundliche Atmosphäre in unserer Praxis wirken auf die Kinder meist von Anfang an sehr einladend.
Kinder, die dennoch beim ersten Termin nicht kooperativ sind, bekommen bei uns eine zweite Verabredung, bei der sie dann unsere Gesichter und Stimmen schon kennen. Spätestens dann klappt es viel besser.
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Können Sie sich erklären, woher die Angst vor dem Zahnarzt bei Kindern kommt?
In den allermeisten Fällen stammt diese Angst tatsächlich nicht von den Kindern, sondern von den Eltern, die bereits schlechte Erfahrungen gesammelt haben. Allerdings wird oft auch in der Kita oder in der Schule über den Zahnarzt gesprochen: Manche Geschichte verkommt dabei leider zur Horror-Story.
Doch wir haben auch Kinder in Behandlung, die bereits selbst eine schmerzhafte Erfahrung mit ihren Zähnen gemacht haben und sich daher beim Zahnarzt unwohl fühlen.
Wenn ein Kind Angst hat, was raten Sie den Eltern? Und wie gehen Sie im Praxisalltag damit um?
Ängstliche Kinder sollten mit einer Person ihres Vertrauens zu uns kommen, die selbst gerne zum Zahnarzt geht. Das nimmt der Angst oft schon den Wind aus den Segeln. Darüber hinaus empfehlen wir den Eltern, vor dem Besuch bei uns mit einem Zahnarztspiegel und einer Taschenlampe zuhause im Liegen die Situation aus der Zahnarztpraxis nachzuspielen.
Für besonders schüchterne und vorsichtige Kinder haben wir dann noch die Gewöhnungssitzung konzipiert: In einer etwa 30-minütigen Behandlung wird den Kindern in ihrem eigenen Tempo das zahnärztliche Instrumentarium gezeigt und erklärt. Nur wenn die Kinder einverstanden sind, führen wir hierbei auch eine sanfte Reinigung der Zähne durch. Meist haben wir mit dieser Sitzung dann das Vertrauen der Kinder gewinnen können.
Was unterscheidet einen Kinderzahnarzt von einem Arzt, der nicht auf Kinder spezialisiert ist?
Ich sehe hier drei wichtige Unterschiede: Erstens signalisieren die Räumlichkeiten einer Kinderzahnarztpraxis bereits beim Betreten sofort, um wen es hier in erster Linie geht: die Kinder. Darüber hinaus sind Kinderzahnärzte bei der psychologischen Verhaltensführung ihrer kleinen Patienten oft geübter als andere Kollegen, da sie eine deutlich größere Anzahl an Kindern behandeln.
Und als wichtigstes Unterscheidungsmerkmal sehe ich die unterschiedlichen Behandlungsweisen: Beispielsweise sind Behandlungen mit Lachgas oder unter Vollnarkose nicht in jeder Zahnarztpraxis ohne Spezialisierung auf Kinder üblich.
„Wir empfehlen den Eltern, vor dem Besuch bei uns mit einem Zahnarztspiegel und einer Taschenlampe zu Hause im Liegen die Situation in der Zahnarztpraxis nachzuspielen.“
Dr. Susann Özel
Inhaberin einer Kinderzahnarztpraxis in Hamburg
Spricht etwas dagegen, sein Kind bei einem Zahnarzt ohne die Spezialisierung behandeln zu lassen?
Solange keine Ängste oder gar Panik einer Behandlung im Wege stehen, nicht. Im Gegenteil: Der Besuch beim „normalen“ Zahnarzt kann für eine Familie praktisch sein, wenn zum Beispiel die Eltern bereits gute Erfahrungen mit dem Kollegen gemacht haben. Ein Termin für die ganze Familie kann auch Zeit sparen und die Kinder sehen, dass ihre Eltern auch auf den Stuhl gehen und keine Angst haben.
Worauf können Eltern achten, wenn sie ihr Kind bei einem Zahnarzt behandeln lassen?
Das Wichtigste für mich ist, dass sich die Eltern selbst wohl und menschlich gut abgeholt fühlen. Diesen positiven Eindruck übertragen sie dann nämlich auf ihr Kind. Kinder sind kleine „Seismographen“, die oft spüren, wenn sich die Eltern unwohl oder ängstlich fühlen.
Eltern sollten das Gefühl haben, dem Arzt vertrauen zu können, da sie ihr Kind ja für einige Zeit in seine Hände geben. Je besser sich die Eltern in der Zahnarztpraxis aufgehoben fühlen, desto mehr kann sich in der Regel auch ihr Kind bei den Behandlungen entspannen.
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Wie und wodurch entsteht Karies bei Kindern? Und ab welchem Alter ist das überhaupt ein Thema?
Die jüngsten Kinder, die wir unter Vollnarkose aufgrund von Karies behandeln, sind zwei Jahre alt. Karies gibt es leider auch noch früher.
Zu den häufigsten Ursachen für Karies bei Kindern zählen vor allem süße Getränke, wie zum Beispiel Limonaden und Saft, aber auch Milch. Bei Kindern, denen mit fluoridfreier Zahnpasta die Zähne geputzt werden, beobachten wir mehr Karies. Weitere Faktoren sind das Nachputzen durch die Eltern, die Anzahl an Mahlzeiten, das Naschverhalten und die Häufigkeit der Zahnarztbesuche.
Wie wird Karies bei Kindern für gewöhnlich behandelt?
Das kommt sowohl auf die Größe der Karies als auch auf das Alter des Kindes an. In der Regel stehen uns zur Kariesbehandlung Füllungen, Wurzelkanalbehandlungen mit anschließender Kronenversorgung und das Entfernen von Zähnen zur Verfügung, um der Karies den Garaus zu machen.
Welche Rollen spielen die Milchzähne bei Kindern?
Die kleinen Milchzähne haben den Vorteil, dass die Kinder schon von früh an mit Zähnen zum besseren Essen ausgestattet sind, da sie in den kleinen Kiefer passen. Mit Größenzunahme der Kiefer wechseln dann auch die Zähne. So hat die Natur am Ende alles zu jeder Zeit im Mund passend gemacht.
In welchem Alter etwa hat der Mensch vollständig stabile und feste Zähne?
In etwa mit zwölf Jahren haben die meisten Kinder ein vollständiges, bleibendes Gebiss. Die Kiefer sind von Geburt an noch sehr klein und wachsen dann erst im Laufe der Jahre.
Ist es eine gute Idee, bei einem wackeligen Milchzahn etwas nachzuhelfen, damit er ausfällt?
Ja, unbedingt bitte. Häufig lassen sich die Kinder in dem Bereich des Wackelzahns die Zähne nicht mehr gern putzen und es kommt zu einer anschließenden Zahnfleischentzündung des benachbarten Gebiets. Also: sobald ein Zahn wackelt, gern schon mit Karotten, Äpfeln und hartem Brot nachhelfen, sodass die Zahnfee sich bald auf den Weg machen kann.
Ist eine professionelle Zahnreinigung bei Kindern empfehlenswert?
Ich finde sie sogar insbesondere bei Kindern empfehlenswert: Die Milchzähne haben eine wesentlich dünnere schützende Schmelzschicht als die bleibenden Zähne. Je mehr Zahnreinigungen die Milchzähne erhalten, desto höher ist die Chance, dass sie trotz dieser anatomischen Besonderheit gesund bleiben.
Regelmäßige Zahnreinigungen bei Kindern verdeutlicht schon den Kleinen, welche Wichtigkeit die Mundhygiene hat. So haben nachgewiesenermaßen Kinder mit häufigen Zahnreinigungen auch später weniger Karieserfahrung.
Wichtig ist mir bei den Zahnreinigungen von Kindern auch, dass wir den Kindern in Ruhe das Zähneputzen für zu Hause demonstrieren können. Zähneputzen ist nach wie vor einer der wichtigsten Bausteine für lebenslang gesunde Zähne.
Ab welchem Alter sollten Kinder damit beginnen, ihre Zähne zu putzen? Und ist das auch bei Babys schon notwendig?
Ja, sobald die erste Zahnspitze herausragt, soll diese bitte mit fluoridhaltiger Zahnpasta gereinigt werden. Auch bei den Babys darf schon eine kleine Zahnbürste spielerisch in die Hand gegeben werden. Allerdings sollten Eltern ihren Kindern bis zum zehnten Geburtstag die Zähne nachputzen. Erst dann ist die Feinmotorik genügend ausgeprägt.
„Eltern sollten ihren Kindern bis zum zehnten Geburtstag die Zähne nachputzen. Erst dann ist die Feinmotorik genügend ausgeprägt.“
Dr. Susann Özel
Inhaberin einer Kinderzahnarztpraxis in Hamburg
Warum ist Zähneputzen bei Kindern überhaupt wichtig?
Beim Putzen erwirkt man zweierlei Vorteile: Es werden kariesverursachende Beläge mechanisch entfernt. Wird zudem Zahnpasta mit Fluorid verwendet, stärkt Zähneputzen den Schmelz vor dem nächsten Säureangriff. Das gilt bei Kindern genauso wie bei Erwachsenen.
Worauf sollten Eltern beim Zähneputzen achten?
Eltern sollten das Zähneputzen zu einem spielerischen Ritual werden lassen. Dies gelingt meiner Meinung nach am besten, indem die Eltern mit gutem Beispiel vorangehen. Wir geben gern Belohnungskalender mit, sodass nach dem vierten Abend, an dem das Zähneputzen gut geklappt hat, von den Eltern ein kleines Geschenk an die Kinder gegeben wird.
Auch mögen fast alle Kinder Zahnputzlieder, die man im Internet findet und während des Putzens singen kann. Und manchmal darf auch mit Fernsehen oder Handy abgelenkt werden, solange die Zähne dabei geputzt werden können. Beim Nachputzen hilft es, wenn die Kinder sich hinlegen: So haben die Eltern die beste Sicht in den Mund.
Da Kinder gern früh selbstverantwortlich sein möchten, können Eltern dies nutzen und die Kinder beim eigenen Zähneputzen beobachten. Dabei sollte immer klar sein: Bis zum zehnten Geburtstag wird nachgeputzt.
Was kann helfen, Kindern das Zähneputzen beizubringen?
Meiner Meinung nach wird durch die Kindergarten- und Schulzahnärzte bereits viel beigebracht. Darüber hinaus gibt es auch schöne Online-Videos, die das richtige Zähneputzen zeigen.
In der Praxis verwenden wir am liebsten das Krokodilmodell „Schnapp“, um das Putzen zu demonstrieren. Mit einer geeigneten Färbelösung können die Kinder im Nachgang bei sich selbst in verschiedenen Farben sehen, wo im Mund noch Beläge sind und welche Stellen gut geputzt worden sind. Das gleiche kann man dann zuhause noch einmal wiederholen.
Worauf können Eltern für die Zahngesundheit der Kinder im Alltag achten?
Am meisten sollte auf die Getränke geachtet werden. Es ist leider so, dass die harmlos wirkende Apfelschorle die meiste Karies bei den Kindern verursacht. Süßigkeiten möchten wir den Kindern gern erlauben. Hier ist für die Zahngesundheit wichtig, dass höchstens einmal am Tag genascht wird und danach die Zähne wieder geputzt werden.
Wenn in der Familie dann noch dreimal täglich mit fluoridierter Zahnpasta geputzt wird, haben die Zähne der Kinder beste Chancen, gesund zu bleiben.
Ab wann bekommen Kinder ein Bonusheft beim Zahnarzt?
Es gibt zwei verschiedene Bonushefte: Viele gesetzliche Krankenversicherungen haben auch schon für die Kleinsten ein Bonusheft. Das erfragen die Eltern dort am besten individuell. Das Bonusheft für den Zuschuss der Krankenversicherungen der prothetischen Leistungen kann auch schon ab dem ersten Besuch mitgegeben werden.