Kinder
Was Eltern über Windpocken wissen sollten
Veröffentlicht am:11.10.2022
5 Minuten Lesedauer
Weil Windpocken bei ansonsten gesunden Kindern glücklicherweise meist glimpflich ablaufen, fragen sich manche Eltern, was besser ist: Impfung oder die Krankheit durchlaufen? Hier erfahren Sie das Wichtigste über diese Virusinfektion.
Windpocken: hoch ansteckend und weit verbreitet
Heutige Eltern von Kleinkindern haben Windpocken meist noch selbst als Kind durchlebt. Sie werden durch das Varizella-zoster-Virus ausgelöst und auch Varizellen genannt. Die hoch ansteckende Infektionskrankheit tritt in erster Linie vom Kleinkind- bis zum Grundschulalter auf. Am typischen Hautausschlag mit seinen roten Bläschen kann man sie gut erkennen.
Varizella-zoster-Viren gehören zu den Herpesviren und werden von Mensch zu Mensch übertragen. Kleinste Speicheltröpfchen, die durch Ausatmen, Sprechen oder Husten in der Luft schweben, genügen. Zudem ist die Flüssigkeit in den Bläschen ansteckend. Wenn sie aufgekratzt werden, treten Viren aus, und man kann sich auch über eine sogenannte Schmierinfektion anstecken.
Der Name ist Programm
Vielleicht haben Sie es selbst schon einmal beobachtet: Kinder mit Verdacht auf Varizellen werden beim Kinderarzt direkt ins Behandlungszimmer „durchgewunken“, um Kontakt mit anderen zu vermeiden. Ihrer hohen Ansteckungsgefahr verdanken Windpocken auch ihren Namen: Sie verbreiten sich buchstäblich so schnell wie der Wind. Meist reicht ein kurzer gemeinsamer Aufenthalt in einem Raum mit einer infizierten Person zur Übertragung der Viren.
Ein reines Kinderproblem?
Weil Windpocken vor allem Kinder betreffen, rechnet man sie zu den Kinderkrankheiten: ein missverständlicher Begriff für ansteckende Infektionskrankheiten, gegen die man in der Regel immun wird, wenn man sie einmal durchlaufen hat. Weil deren Erreger hoch ansteckend und weit verbreitet sind, können wir ihnen kaum aus dem Weg gehen und erkranken ohne Impfung meistens schon als Kinder. Aber Windpocken können auch Erwachsene befallen. Das ist dann oft mit größeren Beschwerden oder Komplikationen verbunden, besonders bei Menschen mit geschwächten Abwehrkräften. In den ersten fünf Monaten einer Schwangerschaft können Varizellen außerdem schwere Fehlbildungen des Kindes verursachen.
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Windpockensymptome
Mögliche Frühsymptome von Varizellen sind Unwohlsein oder Kopf- und Gliederschmerzen ein bis zwei Tage vor dem sichtbaren Ausbruch der Windpocken. Dieser wird meist von einem allgemeinen Krankheitsgefühl und leichtem Fieber begleitet, das nur selten über 39 Grad ansteigt. Das typische Merkmal von Windpocken ist aber der stark juckende Hautausschlag mit roten Flecken und Knoten und Bläschen.
Das Fieber klingt nach drei bis fünf Tagen ab. Der Hautausschlag selbst hält sich länger. Anfänglich bilden sich kleine rote Flecken, die sich innerhalb von Stunden zu Knötchen und dann zu flüssigkeitsgefüllten Bläschen weiterentwickeln. Die Flüssigkeit ist zuerst klar und trübt sich später ein, bevor nach ein paar Tagen die Bläschen austrocknen. Es entsteht Schorf, der schnell abfällt. Die einzelnen Bläschen heilen innerhalb von drei bis fünf Tagen ab, wobei das Besondere bei Windpocken ist: Auf der Haut befindet sich Ausschlag in allen Entwicklungsstadien gleichzeitig – Flecken, Knötchen, Bläschen und Schorf. Dieses auffällige Krankheitsbild bezeichnet man als Sternenhimmelmuster.
Wie lange ist mein Kind ansteckend?
Die Ansteckungsgefahr hält in der Regel ein bis zwei Tage vor Ausbruch des Ausschlages und bis zu fünf bis sieben Tage nach Beginn des Ausschlags an. Von einer Ansteckung bis zum Krankheitsausbruch vergehen meist 14 bis 16 Tage. In Ausnahmefällen treten Krankheitssymptome frühestens schon nach acht Tagen und spätestens erst nach 28 Tagen auf.
Vorsicht in der Schwangerschaft und bei Säuglingen!
Windpocken sind meistens nach zwei Wochen überstanden. Die Symptome, vor allem der Juckreiz, sind äußerst unangenehm, aber in der überwiegenden Zahl der Fälle nicht schwerwiegend. Wenn eine schwangere Frau in den ersten sechs Schwangerschaftsmonaten Windpocken bekommt, können die Viren beim Ungeborenen schwere Fehlbildungen verursachen. Für Neugeborene sind Windpocken lebensbedrohlich. Vor allem eine Erkrankung der Mutter in der Zeit um den Geburtstermin ist äußerst gefährlich für das Baby. Erkrankte sollten in jedem Fall den Kontakt zu Babys meiden. Wenn dennoch der Verdacht besteht, dass sich ein Neugeborenes mit Windpocken angesteckt hat, sollten Sie bitte unverzüglich Ihren Kinderarzt, Ihre Kinderärztin oder eine Klinik kontaktieren.
Behandlung von Windpocken
Bei milden Verläufen wird rein symptomatisch behandelt, das heißt Fieber oder Gliederschmerzen können mit Paracetamol behandelt werden. Um den Juckreiz zu lindern und die Bläschen auszutrocknen, kommen Puder, Gele oder Lotionen zum Einsatz. Oft fällt es Kindern schwer, sich nicht zu kratzen. Aber wenn die Bläschen aufgekratzt werden, erhöht sich nicht nur das Ansteckungsrisiko, sondern es kann auch zu Entzündungen und Narben kommen.
Sinnvoll ist es daher, wenn Sie ihrem Kind die Fingernägel kurz schneiden. Bei Kleinkindern können Sie es mit Baumwoll-Fäustlingen versuchen. Lockere, weite Kleidung ohne Synthetikfasern mindert zusätzliche Hautreizungen. Vermeiden Sie außerdem ein Aufweichen der Haut: also keine Bäder und nach dem Waschen die Haut Ihres Kindes lediglich vorsichtig trocken tupfen.
Windpocken-Impfung
Weil Windpocken meist harmlos verlaufen, gibt es Eltern, die mit ihren Kindern „Windpockenpartys“ besuchen, damit diese sich infizieren und immun werden. Das ist strafbar und unabhängig davon grob fahrlässig. Eltern setzen ihre Kinder nicht nur bewusst den äußerst unangenehmen Symptomen aus, sondern riskieren auch Komplikationen. Sie sind zwar sehr selten, aber das Virus kann das zentrale Nervensystem angreifen und dadurch eine Gehirn- oder Hirnhautentzündung auslösen oder eine Lungenentzündung hervorrufen. Das sollten Sie als verantwortungsbewusste Eltern keinesfalls riskieren.
Deshalb – und zum Schutz der Allgemeinheit – empfiehlt die Ständige Impfkommission seit 2004 die Impfung für Kinder in zwei Dosen: die erste zwischen 11 und 14, die zweite zwischen 15 und 23 Monaten. Seitdem ist die Zahl der Erkrankungen stark zurückgegangen. Waren es vor 2004 noch 750.000 bekannte Fälle jährlich, so liegen sie seit 2014 bei gut 20.000. Wegen der zusätzlichen Wirkung der Corona-Schutzmaßnahmen wurden 2020 nur 11.325 und 2021 sogar nur 5.659 Erkrankungen gemeldet.
Windpocken und Gürtelrose
Nach überstandenen Windpocken „schlummern“ die Viren im Körper, können aber noch nach Jahrzehnten wieder aktiv werden und einen Hautausschlag auslösen: die sogenannte Gürtelrose. Ihr wissenschaftlicher Name ist Herpes zoster, was auf den gemeinsamen Erreger verweist. Sie beginnt meist mit einem Brennen im Schulter-, Hals- oder Rumpfbereich. Danach bilden sich halbseitig Bläschen, deren streifenförmige Anordnung manchmal an einen Gürtel erinnert. Eine Gürtelrose kann sehr schmerzhaft sein, heilt aber meist nach ein bis zwei Wochen ab. Bei immerhin 10-20 Prozent der Patienten und Patientinnen kommt es zu einer Post-zoster-Neuralgie, die durch dumpfen, brennenden Dauerschmerz teilweise auch mit zusätzlich einschießenden elektrisierenden Schmerzattacken charakterisiert ist. Eine frühe Behandlung des Herpes zoster ist zur Vermeidung dieser Komplikation angeraten.
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Gürtelrosen treten am häufigsten bei älteren Menschen und Menschen mit geschwächtem Immunsystem auf. Erkrankte können durch direkten Kontakt mit dem Bläscheninhalt die Viren auf nicht immune Menschen übertragen, die dann an Windpocken erkranken können. Die STIKO empfiehlt allen Personen ab einem Alter von 60 Jahren und Personen mit Grundkrankheiten oder Immunsuppression ab 50 Jahren die Impfung gegen Herpes zoster mit einem Totimpfstoff. Eine Schutzimpfung gegen Windpocken verringert auch das Risiko einer späteren Gürtelrose oder führt zu leichteren Verläufen – ein weiterer guter Grund für die Impfung Ihres Kindes.