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Die Macht der Berührung: Wie das Kuschelhormon Oxytocin wirkt

Veröffentlicht am:25.06.2021

5 Minuten Lesedauer

Aktualisiert am: 26.11.2024

Berührt zu werden, ist eines der grundlegenden Bedürfnisse des Menschen. Kuscheln reduziert Stress und sogar das Immunsystem profitiert davon. Welche Mechanismen laufen dabei im Körper ab und welche Rolle spielt das sogenannte Kuschelhormon Oxytocin?

Ein Paar kuschelt miteinander und ist sich nah. Sie wissen: Kuscheln ist gesund.

© iStock / Motortion

Körperkontakt ist ein menschliches Grundbedürfnis

Körperliche Berührung gilt neben Atmen, Essen und Trinken als eines der elementaren Bedürfnisse. Schon in der frühen Kindheit spielen Berührungsreize, also die Verformung unserer Körperhaut durch ein anderes soziales Wesen, eine wichtige Rolle. Sie sind die einzige Garantie für eine stabile und gesunde Entwicklung. Bleiben diese Reize aus oder fehlen sie komplett, sind Säuglinge nicht lebensfähig.

Was in der Kindheit als Basis angelegt wird, setzt sich im weiteren Leben fort: Die Berührung durch andere Menschen stärkt die Beziehung zu ihnen und ist ein soziales Bindemittel. Eine Zeit lang kann man ohne Berührungen auskommen, aber ein Leben lang darauf zu verzichten, ist praktisch unmöglich.

Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen vermuten, dass durch fehlendes Kuscheln und menschliche Berührungen auf Dauer körperliche und seelische Krankheiten entstehen können. So sind Berührungen mitverantwortlich für körperliche Entspannung, die Regulation von Emotionen und die Stärkung der Immunabwehr. Denn bei sanften, als angenehm empfundenen Berührungen wie einer Umarmung, einem Streicheln oder Kuscheln wird das Hormon Oxytocin ausgeschüttet.

Die „heilende Berührung“

Frühchen, bei denen die Atmung bis zu 20 Mal in der Stunde aussetzt, werden mit dem sogenannten „healing touch“ behandelt. Sobald bei einem Säugling ein Atemstillstand einsetzt, berührt eine Krankenschwester das Kind an der Fußsohle. Durch diesen Körperreiz beginnt das Baby wieder zu atmen.

Oxytocin: Wie das Bindungshormon wirkt

Das Glückshormon Oxytocin wirkt sich auf Körper und Psyche aus. Um freigesetzt zu werden, braucht es bestimmte Reize. Körperkontakt wie Kuscheln und Sex – insbesondere beim Orgasmus – sind starke Auslöser.

Seine Hauptwirkung entfaltet Oxytocin während des Geburtsprozesses, übersetzt heißt es auch „schnelle Geburt“. Oxytocin löst die Wehen aus. Künstlich hergestelltes Oxytocin dient bei der klinischen Geburtshilfe auch als „Wehentropf“, in diesem Fall sorgt es für die schnelle Einleitung oder die Steigerung der Geburtswehen.

Darüber hinaus fördert Oxytocin den Milchfluss, wenn das Baby an der Brust saugt. Das ausgeschüttete Hormon verstärkt die emotionale Bindung zwischen dem Säugling und der Mutter. Der erhöhte Oxytocin-Spiegel beim Stillen beruhigt die Mutter und verringert das Stresshormon Cortisol. Selbst das Baby schüttet nach dem Stillen das Hormon Oxytocin aus. Es fühlt sich anschließend nicht nur satt, sondern auch ruhig und zufrieden. Bereits das Schreien des Babys kann schon Oxytocin und damit den Milchfluss bei der Mutter auslösen.

Ein Paar schaut sich an und ist sich nah. Sie wissen: Kuscheln ist gesund.

© iStock / stockfour

Angstlösende und entspannende Wirkung von Oxytocin

Untersuchungen und Erkenntnisse aus den letzten Jahren verdeutlichen immer mehr, dass Oxytocin die Bindung zwischen allen Menschen beeinflusst, nicht nur die zwischen Mutter und Kind. Es intensiviert Bindungen, verstärkt das Vertrauen zu Mitmenschen und steigert die emotionale Kompetenz. Zudem baut es Stress ab und löst Ängste. Es wird zum Beispiel ausgeschüttet, wenn sich Partner streicheln oder beim Geschlechtsverkehr. Umgangssprachlich wird es daher auch als „Kuschelhormon” bezeichnet.

Neueste Erkenntnisse lassen darauf schließen, dass das durch Berührung ausgeschüttete Oxytocin auch als körpereigenes Schmerzmittel wirkt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entdeckten bei Ratten einen Bereich im Gehirn, der als Schmerz-Kontrollzentrum fungiert. Darin fanden sie auch Nervenzellen, die Oxytocin produzieren und bei chronischem Schmerz oder Entzündungen die Schmerzempfindung lindern können.

Körperliche Berührung als medizinische Behandlung

Die sogenannte Berührungstherapie gilt besonders bei der Behandlung von Frühchen als sehr erfolgreich. Zu früh geborene Babys, die in den Genuss dieser Therapie kommen, legen fast doppelt so schnell an Gewicht zu wie Kinder, die diese Behandlung nicht erhalten. Doch nicht nur Kinder profitieren von Berührungsreizen, auch bei manchem Erwachsenen wird eine Kontakttherapie eingesetzt. Allerdings als vorbeugende Maßnahme, denn Berührungsreize an sich gelten nicht als direktes Heilmittel.

Auch in der Krebstherapie zeigen verschiedene Metastudien, dass spezielle Massagen helfen können, die Nebeneffekte einer klassischen Chemotherapie oder Bestrahlung zu lindern. Eine Massagetherapie kann dabei helfen, Ängste abzubauen, Schmerzen zu mindern und Depressionen bei Krebspatientinnen und -patienten entgegenzuwirken. Auch bei Pflegebedürftigen können sanfte Berührungen das Wohlbefinden steigern und die Beziehung zur Pflegekraft fördern.

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Auch Selbstberührung entspannt

Die 400 bis 800 Selbstberührungen am Tag, beispielsweise im Gesicht, haben eine wichtige Funktion für unseren gesamten Organismus. Sie wirken stressreduzierend und entspannend. Der Grund: Während oder nach einer psychischen Irritation, ausgelöst beispielsweise durch große Freude oder tiefe Trauer, versucht unser Körper wieder einen Zustand des psychischen Gleichgewichts herzustellen. Eine spontane Selbstberührung bewirkt in unserem Körper offenbar eine neurobiologische Homöostase, verhilft uns also zu einem inneren Gleichgewicht.

Wie wirkt sich fehlende Berührung aus?

Nicht immer ist es jedoch so, dass das individuelle Bedürfnis nach Berührungen auch erfüllt wird. Menschen, die alleine leben oder sogar einsam sind, haben oft weniger Körperkontakt mit anderen und sind sozusagen unterversorgt, was das Kuscheln betrifft.

Gerade im Alter leben viele Menschen alleine oder haben im Ruhestand weniger soziale Interaktionen. Die Kinder sind möglicherweise aus dem Haus, der Partner oder die Partnerin ist verstorben, Freunde und Freundinnen sind weniger mobil und man trifft sich seltener. Wer über einen langen Zeitraum alleine und isoliert lebt, kann laut Studien eine verkürzte Lebenserwartung und ein erhöhtes Krankheitsrisiko haben. Auch das hängt vermutlich mit dem mangelnden Körperkontakt zusammen, unter dem alleinstehende Menschen häufig leiden.

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Kuschelbedürfnis mit Tieren

In Studien fanden Forschende heraus, dass das Streicheln von und der Kontakt mit Haustieren und insbesondere mit Hunden die Ausschüttung von Glückshormonen, den sogenannten Endorphinen, auslöst. Wie auch beim Bindungshormon Oxytocin wird dadurch Stress abgebaut.

Menschen, die sich sehr alleine fühlen, könnten sich daher überlegen, ein Haustier anzuschaffen. Neben Hunden kommen auch andere Haustiere in Frage, zum Beispiel eine Katze oder ein Kaninchen. So können Haustiere ein „Kuscheldefizit“ bei alleinlebenden Menschen lindern. Wichtig sind Anschlussgedanken dazu, wo man das Tier kauft (Tierheime freuen sich über Abnahmen) und ob und wie man sich wirklich auf Dauer um den Hund oder die Katze kümmern kann und will.

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