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Liebe & Sexualität

Gar kein Tabu, sondern gesund: Selbstbefriedigung der Frau

Veröffentlicht am:06.12.2022

5 Minuten Lesedauer

Sich selbst Lust zu verschaffen, daran ist nichts Verwerfliches. Ganz im Gegenteil: Selbstbefriedigung ist gesund. Das gilt natürlich auch für Frauen. Doch warum ist das eigentlich so und welche Rolle kann Masturbation in der Partnerschaft spielen?

Eine Frau liegt im Bett und entspannt nach der Selbstbefriedigung.

© iStock / albertogagna

Frau Dr. Heike Melzer ist Fachärztin für Neurologie mit der Zusatzbezeichnung Psychotherapie und Inhaberin der Arztpraxis für Coaching & Psychotherapie, Paartherapie/Sexualtherapie in München. Im Interview erklärt sie, welche Vorteile die weibliche Selbstbefriedigung hat und ob Spielzeuge dabei hilfreich sind.

Was bedeutet Selbstbefriedigung und ist das ein Tabuthema?

Selbstbefriedigung ist eine eigenständige Form der Sexualität. Im Wort „Selbstbefriedigung“ steckt der Begriff „Befriedigung“. Frauen führen mit der Masturbation also gezielt ihren Höhepunkt, den Orgasmus, herbei. Die Selbstbefriedigung ist etwas sehr Intimes. Daher ist es verständlich, dass nicht alle Frauen offen darüber sprechen möchten.

Manchmal ist die Selbstbefriedigung aber auch an sich ein Tabu, denn es gibt durchaus Partner oder Partnerinnen, die nicht möchten, dass sich die Frau in der Beziehung selbst befriedigt. Auch sexuelle Superreize, die von Pornographie oder Sextoys ausgehen, können aus der weiblichen Selbstbefriedigung ein Tabuthema machen. Nämlich dann, wenn sie zu einer übertriebenen Selbstbefriedigung führen. Diese Superreize können Frauen, aber auch Männer, derart stimulieren, dass sie mit der Selbstbefriedigung nicht mehr aufhören können – sie ziehen die Selbstbefriedigung dann beispielsweise dem partnerschaftlichen Sex vor oder befriedigen sich viele Male am Tag. Durch daraus entstehende Beziehungskonflikte und die ständig kreisenden Gedanken an die Selbstbefriedigung können einzelne Frauen einen Leidensdruck entwickeln. Darüber zu reden, fällt Betroffenen dann oft nicht leicht. Zunächst ist Selbstbefriedigung aber völlig normal, als gesund zu betrachten und sollte eben kein Tabu sein.

Welche Vorteile hat die weibliche Selbstbefriedigung?

Da die Selbstbefriedigung in der Regel alleine stattfindet, erhalten Frauen dabei einen geschützten Raum. Dort können sie sich völlig wertfrei und offen ihrer Sexualität widmen. Mädchen und Frauen können bei der Selbstbefriedigung beispielsweise ihren Körper ausgiebig erkunden, indem sie sich selbst streicheln oder Finger in ihre Vagina einführen. So bringen sie in Erfahrung, was ihnen gefällt und sie zum Höhepunkt bringt. Da sie sich nur um sich selbst kümmern müssen und nicht darüber nachdenken, was der Partner oder die Partnerin von den Berührungen hält, sind sie meist kreativer bei der Erforschung. Außerdem ist eine Schwangerschaft durch Selbstbefriedigung oder eine Infektion mit sexuell übertragbaren Krankheiten ausgeschlossen, Frauen können sich somit voll und ganz auf ihre Bedürfnisse konzentrieren. Die Selbstbefriedigung bietet Frauen also die Möglichkeit, ihren Körper kennenzulernen und beim gemeinsamen Sex ihre erprobten Methoden zu kommunizieren beziehungsweise anzuwenden. Erfahrene Frauen nutzen die Masturbation hingegen meist ganz gezielt, um sich selbst ein Wohlgefühl zu verschaffen.

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Ist Selbstbefriedigung gesund?

Frauen, die sich selbst befriedigen, tragen zu ihrer Selbstfürsorge bei. Bei der Selbstfürsorge nehmen sich Menschen Zeit für all das, was ihre körperliche oder seelische Gesundheit verbessert. Die Masturbation kann durchaus das Wohlbefinden optimieren, indem sie Anspannungen löst. Frauen und Mädchen können Selbstbefriedigung als Einschlafhilfe oder Belohnung nutzen, zum Beispiel nach einem anstrengenden Tag. Das Schöne ist, dass Frauen die Intensität der Berührungen und die Häufigkeit der Masturbation an ihre Situation anpassen können. So ist Selbstbefriedigung während der Schwangerschaft oder Selbstbefriedigung im Wochenbett problemlos möglich. Allerdings „macht die Dosis das Gift“. Die Masturbation sollte keine Allzweckwaffe bei jeglichen Problemen sein und das Leben nicht einschränken. Eine Frau, die sich ständig mit den Masturbationshandlungen oder den Gedanken an die Selbstbefriedigung beschäftigt, kann durchaus einen Leidensdruck und manchmal das Ausmaß einer seelischen Störung entwickeln.

„Das Schöne ist, dass Frauen die Intensität der Berührungen und die Häufigkeit der Masturbation an ihre Situation anpassen können.“

Frau Dr. Melzer
Fachärztin für Neurologie mit der Zusatzbezeichnung Psychotherapie und Inhaberin der Arztpraxis für Coaching & Psychotherapie, Paartherapie/Sexualtherapie in München

Selbstbefriedigung und Partnerschaft – schließt sich das aus?

Nein, das schließt sich nicht aus. Die Masturbation eignet sich wunderbar, um sich Befriedigung zu verschaffen, wenn der Partner oder die Partnerin nicht zur Verfügung steht oder schlichtweg keine Lust auf Sex hat. Einige Paare binden die Selbstbefriedigung sogar in ihr Liebesspiel ein, weil sie es sehr erregend finden, ihrem Gegenüber dabei zuzusehen. Es ist grundsätzlich sinnvoll, in der Partnerschaft über Selbstbefriedigung zu sprechen. So können sich Paare abstimmen und ihre Lust füreinander aufsparen. Für den Partner oder die Partnerin kann es nämlich sehr frustrierend sein, wenn die Masturbation die Lust auf den Sex mindert oder ganz nimmt.

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Welche Tipps haben Sie für die weibliche Selbstbefriedigung?

Es gibt kein Geheimrezept, mit dem sich alle Frauen besonders schnell oder besonders lustvoll selbst befriedigen. Schließlich findet nicht jede Frau dieselbe Sache erregend. Während die eine vielleicht auf anale Selbstbefriedigung steht, bevorzugt die andere womöglich ausschließlich sanfte Streicheleinheiten an der Klitoris. Mein Tipp ist, mit verschiedenen Berührungen oder Elementen wie Wasser zu spielen. Viele Frauen empfinden beispielsweise den Duschkopf an der Klitoris sehr stimulierend. Die Selbstbefriedigung mit Vibrator kann eine weitere Möglichkeit sein, ist aber keine Voraussetzung für eine lustvolle Erfahrung. Auch die eigenen Finger in die Vagina einzuführen oder damit den Klitoriskopf zu berühren, kann Frauen zum Höhepunkt bringen. Ein weiterer Tipp ist, Lust im Kopf entstehen zu lassen, indem sich Frauen beispielsweise erotische Situationen ausmalen. Wenn Frauen spielerisch und experimentierfreudig an die Selbstbefriedigung herangehen, können sie viele neue Erfahrungen machen.

Eine Frau liegt im Bett, mit Armen nach oben und stellt sich bei der Selbstbefriedigung erotische Situationen vor.

© iStock / Delmaine Donson

Gedanklich ist alles möglich: Viele Frauen genießen es, sich bei der Selbstbefriedigung erotische Situationen auszumalen.

„Wenn Frauen spielerisch und experimentierfreudig an die Selbstbefriedigung herangehen, können sie viele neue Erfahrungen machen.“

Frau Dr. Melzer
Fachärztin für Neurologie mit der Zusatzbezeichnung Psychotherapie und Inhaberin der Arztpraxis für Coaching & Psychotherapie, Paartherapie/Sexualtherapie in München

Was raten Sie Frauen, die sich unwohl oder gehemmt fühlen?

Frauen, die sich gehemmt fühlen, können zunächst einmal hinterfragen, welche Glaubenssätze sie selbst haben. Dabei handelt es sich um tief verankerte Annahmen, die unsere Wahrnehmung beeinflussen können. Vielleicht haben sie den Glaubenssatz von ihren Eltern übernommen, dass Selbstbefriedigung schädlich ist. Sich diese Glaubenssätze und ihre Herkunft vor Augen zu führen sowie sie auf den Wahrheitsgehalt zu überprüfen, sind wichtige Schritte. Außerdem können sich Frauen, die sich bei der Masturbation zunächst unwohl fühlen, langsam an die Selbstbefriedigung herantasten, mit viel Fantasie und sanften Berührungen. Sie können sich dazu ein erotisches Szenario vorstellen: Was sehe ich, was fühle ich, welche Personen sind beteiligt und wo findet die Situation statt?

Ist die Selbstbefriedigung mit Vibrator oder anderen Spielzeugen sinnvoll?

Sexspielzeuge wie Vibratoren oder Dildos können die weibliche Selbstbefriedigung unterstützen – viele Frauen kommen damit sogar schneller zum Höhepunkt. Auch wenn Sextoys mittlerweile sehr populär sind, darf und sollte jede Frau für sich entscheiden, ob sie ein Hilfsmittel zur Hand nehmen möchte. Neben den Vorteilen, wie einem möglicherweise schnelleren Orgasmus, kann ein Vibrator auch Nachteile mitbringen. Es gibt beispielsweise Frauen, die sich so an diese Form der Befriedigung gewöhnen, dass es ihnen schwerfällt, den Höhepunkt ohne das Hilfsmittel zu erreichen. Eine abwechslungsreiche Selbstbefriedigung, die neben dem Vibrator sanfte Berührungen oder die Fantasie berücksichtigt, kann einem Gewohnheitseffekt entgegenwirken.


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