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Gesundheitsmagazin

Gehirn & Nerven

Geruchssinn und Nase: ihre Funktionen und Aufgaben

Veröffentlicht am:16.10.2024

5 Minuten Lesedauer

Unser Geruchssinn schützt uns vor Gefahren, lässt Essen besser schmecken, weckt Erinnerungen und hilft bei der Partnerwahl. Doch wie funktioniert das Riechen? Wir fragen bei Riechforscher Hanns Hatt nach.

Eine Frau riecht an rosa Pfingstrosen in einer Vase und genießt den Duft der Blumen.

© iStock / Eva-Katalin

Warum Riechen, Nase und Geruchssinn wichtig sind

Überall im Alltag begegnen uns viele verschiedene Düfte und Gerüche. Wir erkennen und bewerten sie als angenehm oder abstoßend. Ein angenehmer Duft kann unsere Stimmung aufhellen, positive Gefühle in uns wecken und an schöne Momente erinnern, die längst vergangen sind. Zum Beispiel, wenn wir beim Italiener essen: Kaum steht der Teller mit den dampfenden Spaghetti mit Zitronensoße auf dem Tisch, kitzeln sommerliche Aromen in der Nase und Erinnerungen an den Italienurlaub werden wach. Für den Riechforscher Prof. Dr. Dr. Dr. med. habil. Hanns Hatt von der Ruhr-Universität Bochum, wäre so eine Situation ein perfekter Moment für Eltern, um ihrem Nachwuchs etwas fürs Leben mitzugeben: eine gute Riechfähigkeit.

„Wer seine Kinder anleitet, Gerüche blind zu erschnuppern – Essen, Blumen oder auch mal den Geruch eines Raums, den sie betreten, lehrt sie nicht nur, feine Duftnuancen zu unterscheiden, sondern erhöht so auch ihre spätere Genussfähigkeit.“

Professor Hanns Hatt
Ruhr-Universität Bochum

Ein guter Geruchssinn hilft Kindern und Erwachsenen gleichermaßen, natürliche Lebensmittel zu bevorzugen und sie von synthetischen Imitaten abzugrenzen – echte Vanilleschoten von Vanillinzucker oder eine Orange von einem Fruchtsaftgetränk wie Orangenlimonade. Die ersten „Geruchsstunden“ erhalten wir schon als Embryo. „Ab der 26. Schwangerschaftswoche werden die Nase und die dazugehörenden Hirnstrukturen angelegt. Schon im Mutterleib können Föten riechen“, sagt Professor Hanns Hatt.

Geruchssinn und Geschmackssinn hängen zusammen

Unser Geruchssinn ist einer der sechs menschlichen Sinne und ein komplexes System. Er hängt eng mit dem Geschmackssinn zusammen. Erst mit dem Geruch entsteht das Aroma eines Lebensmittels. Duftnoten prägen das Geschmacksempfinden. Ist der Geruchssinn gestört, ist meistens auch die Geschmackswahrnehmung beeinträchtigt.

Immer der Nase nach: Alphabet der Düfte

Doch was passiert genau, wenn wir Gerüche über die Nase einatmen? Zunächst gelangen die Duftmoleküle durch die Nasenöffnungen auf die Riechschleimhaut. Diese feine Zellschicht ist unser Empfangsorgan für Gerüche. Sie ist mit mehr als zehn Millionen Riechzellen bestückt, die sich auf drei bis fünf Quadratzentimeter Fläche verteilen. Jede dieser Nervenzellen trägt auf ihrer Oberfläche Andockstellen für bestimmte Duftmoleküle, sogenannte Rezeptoren. Etwa über 400 verschiedene Typen von Empfangsrezeptoren haben Forscher und Forscherinnen bislang identifiziert – sie sind die Buchstaben unseres Duftalphabetes. „Jeder Zelltyp ist spezialisiert auf eine bestimmte Gruppe von Duftmolekülen wie Limonen, Vanillin oder Moschus. Mit dieser Ausstattung deckt der Mensch seine gesamte Geruchswelt ab“, erklärt Riechforscher Professor Hanns Hatt.

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Von der Nase ins Gehirn: Was wir riechen, wird verarbeitet

Wenn die Duftmoleküle an die passenden Rezeptoren andocken, wandeln die Rezeptorzellen das chemische Signal in einen elektrischen Impuls um. Über dünne Nervenfasern rast dieser Reiz ins Gehirn. Dabei passiert er zunächst das Siebbein – einen mit Löchlein versehenen Knochen des Hirnschädels – und landet dann im sogenannten Riechkolben oberhalb der Nasenwurzel. In dieser Schaltstelle erfolgt die erste Verarbeitung des Geruchs. „Alle Riechsinneszellen, die zu einem bestimmten Typ zählen, enden mit ihren Nervenfortsätzen im Riechkolben auf derselben Nervenzelle“, sagt Professor Hanns Hatt. Dank dieser cleveren Idee der Natur können die Signale aus einer Duftquelle gebündelt auf eine Nervenzelle der Riechbahn übertragen werden und gelangen geballt vom Riechkolben ins Riechhirn.

Das Riechhirn setzt die eintreffenden Duftsignale zu einem Geruch zusammen, der schließlich ins Bewusstsein gelangt. Jetzt erst nehmen wir die Pasta in unserer Nase wahr. Zu diesem Zweck verknüpft das Wahrnehmungszentrum mitunter Hunderte von einzelnen Duftinformationen zu einem Sinneseindruck. Um den Appetit auf die Spaghetti mit Zitronen-Soße zu wecken, sind unzählige Nuancen beteiligt, die in Zitrone, Butter oder Parmesan stecken.

Doch wie gelingt es den Spaghetti, uns zurück in den Urlaub zu versetzen? Das hat damit zu tun, dass die Duftinformation vom Riechkolben auch in jene Hirnareale geleitet wird, die am Gedächtnis und an der Verarbeitung von Emotionen beteiligt sind. „Ein Duftmolekül, das wir mit der Nase wahrnehmen, wird im gleichen Atemzug im Erinnerungszentrum abgespeichert. Zugleich wird die beteiligte Emotion mit verpackt“, sagt Duftexperte Hatt.

Intime Nahaufnahme einer Frau und eines Mannes in einer zärtlichen Begegnung. Der Mann nimmt den Geruch der Frau wahr.

© iStock / puhhha

Liebe geht durch die Nase: Der Geruch eines Menschen beeinflusst, ob wir ihn anziehend und unwiderstehlich finden.

So beeinflusst der Geruchssinn die Liebe

Der Geruch eines Menschen beeinflusst, ob wir ihn anziehend und unwiderstehlich finden oder ablehnen. Wer einen Menschen auf Anhieb nicht riechen kann, hat demnach mit einem, der ähnlich duftet, schlechte Erfahrungen gemacht. Stimmt umgekehrt die Chemie, kann das, – so Professor Hatt,  am Eigengeruch liegen: Körperdüfte weisen uns den Weg zum passenden Liebespartner oder zur passenden Liebespartnerin.

Riechen lässt sich trainieren

Düfte prägen unser ganzes Leben. Die Nase nimmt feinste Spuren auf und schützt uns vor Gefahren, zum Beispiel vor verdorbenem Essen, Gas oder Feuer. Dabei ist die Nase von Frauen übrigens nicht feiner als die von Männern. „Jeder Mensch ist mit den gleichen 400 Riechrezeptortypen und mehr als zehn Millionen Riechzellen ausgestattet“, sagt Duftforscher Professor Hatt. „Wie gut jemand Gerüche wahrnehmen kann, hängt vor allem davon ab, wie intensiv man diese Fähigkeit trainiert.“

Bewusstes Riechen ist Gehirntraining

Nicht umsonst schulen Parfümeure und Parfümeurinnen ihr Riechsystem ein bis zwei Stunden pro Tag. Professor Hatt fordert sogar Riechstunden an Schulen, um dadurch das Gehirn zu besseren Leistungen der Schülerinnen und Schüler anzuspornen. „Wenn wir bewusst riechen, also auch die Emotionen zulassen, die ein Duft auslöst, werden mehr Gehirnzentren aktiviert als beim Sudoku oder bei anderen Formen des Gehirnjoggings.“

Der Geruchssinn kann verloren gehen

Der Geruchssinn kann verloren gehen, zum Beispiel durch eine COVID-19-Infektion oder durch Long-COVID. Auch mit zunehmendem Alter nimmt das Riechvermögen ab. Das wird als Presbyosmie bezeichnet. Den eigenen Körpergeruch nicht mehr riechen zu können oder das Essen, das auf dem Herd anbrennt, ist ein starker Einschnitt im Leben.

Riechforschung und Krebsbehandlung

Geruchsrezeptoren sind in mehreren gesunden und krebsartigen Geweben identifiziert worden. Ihre Aktivierung hat einen Einfluss auf das Wachstum und Fortschreiten von Krebszellen. Forscher und Forscherinnen um Professor Hanns Hatt und Dr. Lea Weber von der Ruhr-Universität Bochum entdeckten, dass sich das Wachstum von Darmkrebszellen mit dem Duftstoff Troenan bremsen lässt. Die Bochumer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fanden den Rezeptor OR51B4 in großen Mengen in Darmkrebszellen und identifizierten das Molekül Troenan als Aktivator für OR51B4. Dann behandelten sie bestimmte Krebszellen und Tumorgewebeproben von Patienten und Patientinnen mit Troenan. Das Ergebnis: Die Zellen wuchsen nicht mehr so schnell und bewegten sich langsamer als vorher. Das behindert die Bildung von Metastasen. Durch die Troenan-Behandlung starben zudem vermehrt Krebszellen ab. Allerdings sind weitere Studien dazu notwendig.

Riechspiele für die ganze Familie

Es gibt viele Sinnes- und Riechspiele für die ganze Familie. Sie machen Spaß, und Eltern können damit den Geruchssinn ihres Kindes spielerisch fördern. Wir haben zwei Tipps für Sie.

Schnüffeln statt kniffeln 

Suchen Sie gemeinsam zehn Testobjekte aus und legen Sie sie auf den Tisch. Geeignet ist alles, was duftet oder stinkt: Gewürze, Kräuter, Tee, Seife, Gemüse, Käsesorten etc. Verbinden Sie jedem Familienmitglied die Augen. Jetzt müssen alle die zehn Duftobjekte, ohne sie anzufassen, richtig identifizieren. Für jeden Treffer gibt es einen Punkt.

Ich schmecke was, was du nicht riechst

Schälen Sie einen Apfel, eine Birne, einen Kohlrabi und eine rohe Kartoffel. Schneiden Sie alles in gleich große Stücke. Nun erraten alle mit verbundenen Augen – erst mit zugehaltener Nase, dann ohne –, was sie essen.

Gut zu wissen: Wer nicht riecht, schmeckt kaum etwas. Die Zunge erkennt nur süß, sauer, bitter, salzig und fleischig-würzig (umami). Alle anderen Geschmäcker spürt die Nase auf.

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