Gehirn & Nerven
Was ist eine vaskuläre Demenz?
Veröffentlicht am:31.05.2023
6 Minuten Lesedauer
Eine Demenz ist eine enorme Belastung für Betroffene und Angehörige. Die vaskuläre Demenz ist keine Ausnahme. Ihre Ursache sind Durchblutungsstörungen im Gehirn. Sie ist nicht heilbar und sollte daher möglichst früh erkannt und behandelt werden.
Inhalte im Überblick
Vaskuläre Demenz – zweithäufigste Form der Demenz
Der Begriff Demenz bezeichnet ein sich oft ähnelndes Muster aus Symptomen, das ganz unterschiedliche Ursachen haben können. In jedem Fall nehmen geistige Fähigkeiten ab oder gehen verloren und das ganz überwiegend im höheren Lebensalter ab 65 Jahren: Betroffen sind zum Beispiel die Konzentrationsfähigkeit, zeitlich-örtliche Orientierung, Kommunikationsfähigkeit, Auffassungsgabe, Urteilsvermögen, die Planung von Tätigkeiten oder das Erinnerungsvermögen. Das schwere Stadium der Demenz bedeutet häufig eine völlige Abhängigkeit von anderen.
Weil sich die Symptome oft ähneln, unterscheidet man Demenzen anhand ihrer Ursache. Die meisten Demenzen sind Folge einer Erkrankung des Gehirns. So auch die häufigste und bekannteste Demenz: die Alzheimer-Krankheit, der bis zu 70 Prozent der Demenzerkrankten zugeordnet werden. Die zweithäufigste Form mit rund 15 bis 25 Prozent ist die vaskuläre Demenz.
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Wie kommt es zu einer vaskulären Demenz?
„Vaskulär“ bedeutet, dass diese Form der Demenz etwas mit den Blutgefäßen zu tun hat: Sie ist eine Folge von Durchblutungsstörungen des Gehirns, wodurch Hirnzellen geschädigt oder zerstört werden. Fachleute nennen diesen Prozess vaskuläre Enzephalopathie. Durchblutungsstörungen des Gehirns können mit oder ohne Schlaganfall auftreten. Ursache kann ein Blutgerinnsel sein, oder es kommt zu Verdickungen der Gefäßwände oder Ablagerungen in den Gefäßen. Wenn die Blutgefäße dadurch verstopfen oder weniger Blut durchlassen, gelangt nicht mehr genügend in die betroffenen Gehirnbereiche. In der Folge werden Hirnzellen geschädigt oder sterben ab.
Auch Schlaganfälle beziehungsweise Hirninfarkte führen zu Störungen der Hirndurchblutung. Eine vaskuläre Demenz kann nach mehreren kleinen Schlaganfällen auftreten (Multiinfarkt-Demenz) und seltener nach nur einem einzigen, der eine funktionell entscheidende Region betrifft. Dann spricht man von einer vaskulären Demenz nach strategischem Infarkt. Schließlich, wenn auch seltener, können Hirnblutungen eine vaskuläre Demenz zur Folge haben, in der Regel nach langjährigem Bluthochdruck.
Was begünstigt eine vaskuläre Demenz?
Die Hauptrisiken für die vaskuläre Demenz sind kardiovaskuläre sowie metabolische Vorerkrankungen. Sie betreffen das Herz-Kreislauf-System und/oder den Stoffwechsel. Solche Risikofaktoren, die unbedingt behandelt werden sollten, sind:
- Bluthochdruck
- Starkes Übergewicht (Adipositas)
- Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus)
- Veränderter Fettstoffwechsel – insbesondere ein erhöhter LDL-Cholesterinspiegel
- bestimmte Herzkrankheiten wie Vorhofflimmern, koronare Herzkrankheit oder Herzschwäche
Auch Bewegungsmangel, Rauchen und ungesunde Ernährung können zur Entwicklung einer vaskulären Demenz beitragen.
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Vaskuläre Demenz: Symptome
Die Krankheitszeichen von Demenzerkrankungen ähneln sich zwar, aber es lassen sich Besonderheiten bei der vaskulären Demenz benennen. Wie bei der Alzheimer-Demenz kann auch das Gedächtnis gestört sein, muss es aber nicht. Dafür sind andere geistige Fähigkeiten stärker beeinträchtigt.
Mögliche Symptome sind:
- Sprachstörung
- Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörung
- eingeschränkte Handlungsfähigkeit (Apraxie)
- Verlangsamung
- Antriebsstörung
- Veränderungen der Stimmung sowie Stimmungsschwankungen
- Wesensänderung
- Vergesslichkeit
- rasche geistige und körperliche Erschöpfbarkeit
Mögliche körperliche Begleitsymptome, die bei einer vaskulären Demenz zusätzlich auftreten können und sich vom Krankheitsbild der Alzheimer-Demenz unterscheiden, sind:
- Gehstörung
- verstärkter Harndrang oder Inkontinenz (Miktionsstörung)
- Kau- und Schluckbeschwerden (Pseudobulbärparese)
- Schwindelgefühl
- nach Schlaganfall auch neurologische Störungen, zum Beispiel eine Halbseitenlähmung
Wie verläuft eine vaskuläre Demenz?
Der Verlauf ist sehr unterschiedlich und abhängig vom Ausmaß der Durchblutungsstörung und vom betroffenen Bereich des Gehirns: Manchmal bleibt ein Zustand über einen längeren Zeitraum stabil und kann sich sogar wieder verbessern. In anderen Fällen verschlechtert er sich langsam und kontinuierlich oder auch in größeren Schüben.
Wenn Betroffene gleichzeitig auch an Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden, ist bei der vaskulären Demenz die Lebenserwartung ab dem Zeitpunkt der Diagnose geringer als zum Beispiel bei Menschen mit der Alzheimer-Krankheit.
Sonderfall gemischte Demenz
Nicht immer lassen sich die einzelnen Demenzformen klar voneinander abgrenzen. Eine gemischte Demenz ist die Kombination einer Alzheimer-Erkrankung mit einer anderen Demenzart. In den meisten Fällen ist eine gemischte Demenz die Überlagerung von Alzheimer- und vaskulärer Demenz. Demenzkranke, die von einer solchen Mischform betroffen sind, leiden oft unter schwerwiegenderen Demenzsymptomen als Menschen mit einer reinen Alzheimer-Demenz.
Vaskuläre und Alzheimer-Demenz: Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Viele Risikofaktoren für eine gefäßbedingte Demenz sind auch für die Alzheimer-Demenz relevant. Den entscheidenden Risikofaktor haben beide ohnehin gemeinsam: das Alter. Weil in Deutschland die Menschen immer älter werden, gibt es demzufolge auch immer mehr Demenzkranke. Der vaskulären Demenz kommt unter den anderen Demenzen insofern eine Sonderrolle zu, als sich die Behandelbarkeit der zugrunde liegenden Erkrankungen und Risikofaktoren verbessert hat. Damit dürfte auch der Anteil der an vaskulärer Demenz Erkrankten sinken.
Vorbeugung
Die frühzeitige Behandlung risikobehafteter Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus oder Adipositas ist ein entscheidender Beitrag zur Demenzvorsorge.
Darüber hinaus ist es wichtig, mit seinem persönlichen Lebensstil zur Gesundheit des Herz-Kreislauf-Systems beizutragen:
Außerdem wird zur allgemeinen Demenzvorbeugung ein geistig und sozial aktives Leben empfohlen.
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Arztgespräch (Anamnese)
In einem Gespräch mit dem Arzt oder der Ärztin werden die Symptome, Vorerkrankungen und Lebensstilfaktoren geklärt.
Neuropsychologische Tests
Unterschiedliche Tests ermöglichen es, den Abbau geistiger Fähigkeiten abzuschätzen. Das Resultat solcher Tests ist bei einer vaskulären Demenz typischerweise eine Schwäche in den Bereichen „Aufmerksamkeit“ oder „Sprache“ und weniger bei den Gedächtnisfunktionen.
Bildgebende Verfahren
Mit Diagnosemethoden wie Computertomographie (CT), Magnetresonanztomographie (MRT) oder Ultraschall der Halsgefäße können Durchblutungsstörungen im Gehirn, frühere Schlaganfälle oder Hirnblutungen nachgewiesen werden.
Untersuchung des Herz-Kreislauf-Systems
Hierzu gehören die Messung des Blutdrucks und Blutuntersuchungen, um zum Beispiel einen erhöhten LDL-Cholesterinwert nachzuweisen. Zur Überprüfung der Herzfunktionen wird in der Regel ein Elektrokardiogramm (EKG) und ein Langzeit-EKG durchgeführt, vor allem, um ein Vorhofflimmern zu erkennen. Beim Langzeit-EKG kommt ein tragbares Gerät zum Einsatz, das die Herzaktivität über einen längeren Zeitraum (meist 24 Stunden) aufzeichnet.
Gen-Tests
Manche Gefäßerkrankungen, die eine vaskuläre Demenz begünstigen, sind erblich und können, wenn eine genetisch bedingte Erkrankung vermutet wird, über Tests nachgewiesen werden.
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Behandlung der Begleiterkrankungen
Die (ohnehin notwendige) Behandlung der wichtigen Risikofaktoren und Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit Medikamenten kann die Symptome der vaskulären Demenz stabilisieren oder verbessern und so einer weiteren Verschlechterung vorbeugen.
Rehabilitation
Es gibt Ansätze, um geistige und körperliche Fähigkeiten von Betroffenen wiederherzustellen (zu rehabilitieren). Eine neurologische Rehabilitation zielt darauf ab, geistige Fähigkeiten und Aktivitäten des täglichen Lebens zu fördern. Weitere Therapiemaßnahmen, etwa im Rahmen einer Bewegungstherapie, orientieren sich an den individuellen Krankheitsanzeichen. Zum Beispiel Gehhilfen bei Gangstörungen, Toilettentraining oder eine Schlucktherapie.
Angehörigenbetreuung
Angehörige von Demenzkranken leiden sehr oft unter der belastenden Situation und dem herausfordernden Alltag. Angebote zum Schutz der Gesundheit der Angehörigen und zu ihrer Entlastung sind wichtig. Weniger gestresste Angehörige fördern auch das Wohlbefinden der Erkrankten. Deshalb ist die Angehörigenbetreuung ein wichtiger Aspekt bei der Therapie von Demenzerkrankungen.
Leben mit Demenz: Was können Betroffene selbst tun?
Es gibt Alltagstipps, um mit vaskulärer Demenz besser und oft auch länger allein leben zu können:
- Benutzen Sie Erinnerungshilfen (Kalender, Notizen, Handy-Funktionen, abwischbare Tafeln usw.)
- Gestalten Sie Ihre Wohnung sicherer und demenzangepasst. Machen Sie ihren Haushalt übersichtlicher und legen Sie feste Plätze für bestimmte Dinge fest. Auch technische Hilfen wie eine Herdsicherung können entlasten.
- Geben Sie ihrem Alltag eine feste, wiederkehrende Struktur. Nutzen Sie hierfür und für besondere Termine einen Wochenplan.
- Betreiben Sie Hobbys und gestalten Sie Ihre Freizeit aktiv.
- Pflegen Sie Ihre körperliche Gesundheit: Bleiben Sie körperlich aktiv, ernähren Sie sich gesund und nehmen Sie ausreichend Flüssigkeit zu sich.
- Fördern Sie Ihre Gesundheit mit guter Schlafhygiene: Sorgen Sie für ausreichend Schlaf und einen geregelten Tag-Nacht-Rhythmus.
- Gruppen für Betroffene: Ob und wo es eine Selbsthilfegruppe in Ihrer Nähe gibt, erfahren Sie bei der NAKOS (Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen).
Den Alltag mit Demenz gestalten – Pflegeleistungen der AOK
So hilft Ihnen die AOK bei Demenz weiter
Welche Leistungen die AOK Pflegebedürftigen mit einer Demenz anbietet und wie die AOK Angehörige von Demenzkranken unterstützt, lesen Sie auf den Demenz-Themenseiten der AOK.