Haut & Allergie
Asthma bei Kindern: Was Eltern wissen sollten
Veröffentlicht am:29.09.2020
7 Minuten Lesedauer
Aktualisiert am: 27.02.2024
Für viele Eltern ist es erstmal ein Schock, wenn das eigene Kind die Diagnose Asthma erhält. Der Kinderarzt Professor Philippe Stock weiß, worauf Eltern jetzt achten sollten und welche Therapien es gibt.
Eine unbeschwerte Kindheit – das ist es, was Eltern sich für ihren Nachwuchs am meisten wünschen. Klar ist dann die Sorge groß, wenn beim Kind eine chronische Erkrankung wie Asthma diagnostiziert wird. Warum ist gerade das eigene Kind betroffen? Da suchen viele Eltern den Fehler bei sich. Die Frage „Was haben wir falsch gemacht?“ kennt auch Professor Philippe Stock, Allergologe und Kinder-Lungenfacharzt des Altonaer Kinderkrankenhauses in Hamburg.
Dabei trägt im Falle einer Asthmaerkrankung bei Kindern keiner die Schuld: „Gerade im Kindesalter ist der Auslöser für Asthma meist eine Allergie. Und die entsteht oft aufgrund einer genetischen Veranlagung. Sind beide Eltern Allergiker, steigt das Risiko des Kindes beispielsweise um das Doppelte.“
Vorbeugend rät der Kinderarzt aber, Kinder nicht zu steril aufwachsen zu lassen. „Es gibt Untersuchungen, dass Kinder, die auf Bauernhöfen aufwachsen oder häufige Tierkontakte haben, seltener an Asthma erkranken als jene, die in einer reizarmen Umgebung aufwachsen – vermutlich, weil das kindliche Immunsystem unter dem Einfluss vielfältiger Allergene besser trainiert wird.“
Wie entsteht Asthma Bronchiale bei Kindern?
Bei Asthma denken die meisten an Atemnot und die ständige Sorge, das Kind könne einen Anfall erleiden. „Dabei ist Asthma bronchiale eine recht häufige Erkrankung bei Kindern ab dem Schulalter – mit hervorragenden therapeutischen Möglichkeiten“, erklärt der Lungenfacharzt. Dazu kommt: Asthma bei Kindern tritt meist nicht aus heiterem Himmel auf. Oft zeigen Säuglinge und Kleinkinder schon Allergien. Diese äußern sich zunächst in Form einer Neurodermitis.
„Manche Säuglinge oder Kleinkinder haben auch ein überempfindliches Bronchialsystem. Das heißt: Infekte werden schneller mal zu einer Bronchitis.“ Wobei das nicht heißt, dass jedes Kleinkind mit einem überempfindlichen Bronchialsystem auch Asthma bekommt. Das kann auch vorübergehend sein. „Um das Risiko für die Entwicklung einer chronischen Erkrankung abzuschätzen, könnte man eine Allergietestung vornehmen. Zeigen sich hier bereits Sensibilisierungen, steigt die Wahrscheinlichkeit für Asthma“, betont Professor Stock.
„Asthma bronchiale ist eine recht häufige Erkrankung bei Kindern ab dem Schulalter – mit hervorragenden therapeutischen Möglichkeiten.“
Prof. Dr. Philippe Stock
Kinderarzt für Allergologie und Lungenheilkunde im Altonaer Kinderkrankenhaus, Hamburg
Was sind die typischen Auslöser für Asthma bei Kindern?
Es gibt zwei Arten von Asthma: allergisches und nicht allergisches Asthma. Letzteres ist allerdings sehr selten im Kindesalter. Beim allergischen Asthma gibt es ganzjährige und saisonale Allergieauslöser.
Zu den ganzjährigen Auslösern für Asthma zählen Allergene wie Hausstaubmilben oder Tierhaare. Wobei die Katze als stärkster Auslöser gilt, gefolgt von Pferd und Hund. Zu den saisonalen Auslösern gehören, gerade im Frühling und Sommer, Baum- und Gräserpollen, im Herbst dann Schimmelpilze und Kräuter wie Beifuß.
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Heuschnupfen oder Asthma?
Häufig kann man bei Kindern mit Allergien eine Art Symptomgipfel zu einer bestimmten Jahreszeit beobachten. „Hat ein Kind beispielsweise immer im April deutliche Beschwerden und zeigt ein sogenannter Pricktest auch noch eine deutliche Sensibilisierung für Birke, ist es relativ deutlich, dass eine Pollenallergie vorliegt.“ Die Allergie ist also die Ursache, die zu Heuschnupfen, Asthma oder sehr selten auch zu Neurodermitis oder Urtikaria (Nesselsucht) führen kann.
Wie unterscheidet sich die Asthmalunge von der gesunden Lunge?
„Durch die Allergie ist die Asthmalunge in einem ständigen leichten Erregungszustand. Alles, was die Lunge dann in irgendeiner Form beansprucht – wie Bewegung, Temperaturwechsel oder das Einatmen von Allergenen – kann beim Kind daher Symptome verursachen“, so Professor Stock. Durch diese dauerhafte unterschwellige Entzündung haben Kinder mit Asthma oft auch etwas länger oder schwerer mit Infekten zu tun. Denn die Kompensationsmöglichkeiten der ohnehin gereizten Lunge sind geringer.
Was passiert bei einem Asthmaanfall?
Bei einem akuten Asthmaanfall verkrampft sich die Muskulatur rund um die Bronchien und dadurch geht viel weniger Luft rein und raus. „Das kann sehr schnell kommen und sehr plötzlich eintreten“, weiß der Experte. „Daher sollten Eltern, wenn die Situation noch neu ist, sofort in eine Arztpraxis oder in die Notaufnahme gehen. Es gilt: lieber einmal zu viel als zu wenig.
Akute Atembeschwerden müssen immer abgeklärt werden. Ist die Asthmaerkrankung bereits bekannt und Kind und Eltern wissen, wie ein Asthmaanfall abläuft und wie die Medikamente wirken, ist das natürlich nicht mehr jedes Mal nötig.“
Asthma bei Kindern: Welche Therapien gibt es?
In der symptomatischen Asthmatherapie gibt es zum einen sogenannte Reliever (beruhigende Bedarfsmedikamente), die Erleichterung schaffen sollen, sowie Controller, die in der Dauertherapie eingesetzt werden. Zu den Relievern zählen auch Notfallmedikamente mit dem Wirkstoff Salbutamol. Der Wirkstoff wird im Notfall inhaliert und lässt die verkrampfte Muskulatur rund um die Bronchien binnen drei bis vier Minuten erschlaffen.
„Es ist durchaus möglich, dass Kinder irgendwann völlig beschwerdefrei sind, weil die hinter dem Asthma liegende Allergie erfolgreich therapiert wurde.“
Prof. Dr. Philippe Stock
Kinderarzt für Allergologie und Lungenheilkunde im Altonaer Kinderkrankenhaus, Hamburg
Die Controller werden dauerhaft über mindestens drei Monate eingesetzt und sollen die unterschwellige Entzündung in der Lunge und damit die höhere Erregbarkeit kontrollieren. „Hierbei handelt es sich um Kortikosteroide. Die kortisonähnlichen Mittel haben sehr große Moleküle und wirken so ausschließlich in der Lunge. Da sie – anders als Kortison – nicht ins Blut übergehen, haben sie keinen Einfluss auf die Knochen- oder Hautdichte. In schweren Fällen gibt es Antikörper, die man spritzen kann und die super helfen“, sagt Professor Stock.
Ist Asthma bei Kindern auch heilbar?
„Es ist durchaus möglich, dass Kinder irgendwann völlig beschwerdefrei sind, weil die hinter dem Asthma liegende Allergie erfolgreich therapiert wurde. Darum ist es so wichtig, so früh wie möglich die Ursache für das allergische Asthma herauszufinden und nicht nur die Symptome zu behandeln“, erklärt Professor Stock.
Ist der Allergieauslöser bekannt, kann bei Kindern mit Asthma ab fünf Jahren eine Hyposensibilisierungstherapie durchgeführt werden. Dafür erhält das Kind über drei Jahre lang eine Spritzentherapie, bei der alle vier bis sechs Wochen der entsprechende Allergieauslöser unter die Haut gespritzt wird. „Alternativ kann man drei Jahre lang täglich eine Tablette unter die Zunge legen.“
Für Kinder mit Asthma und ihre Eltern: Patientenschulungen der AOK
An Asthma erkrankte Kinder können bereits ab dem zweiten Lebensjahr an einem strukturierten Behandlungsprogramm der AOK teilnehmen: AOK Curaplan Asthma bronchiale. Es bietet eine umfangreiche und langfristig sichergestellte Versorgung. Eltern und Kinder lernen, das Notfallset anzuwenden, wie sich Symptome zeigen und üben atmungserleichternde Körperhaltungen, um die Atemhilfsmuskeln bei einem Anfall zu stabilisieren.
1. Erkennen Sie Asthma frühzeitig und lassen Sie es behandeln.
Gerade im Anfangsstadium einer Asthmaerkrankung haben Kinder vor allem Symptome bei körperlicher Belastung. Sie werden kurzatmig, beginnen zu husten, zeigen pfeifende Atemgeräusche oder fangen sogar an, sich zu schonen – meiden also körperliche Belastung. Das muss nicht nur im Sportunterricht sein, sondern kann auch schon beim Rumtoben passieren.
Dann ist es wichtig, dass Eltern nicht in Panik verfallen. Sie sollten ihr Kind beobachten und schauen, wann welche Symptome auftreten. Wie war die Situation? In Ruhe oder Belastung? Draußen oder drinnen? Bei Wärme oder Kälte? Mit diesem Wissen gehen Sie in die Kinderarztpraxis, zum Allergologen oder zur Allergologin oder zum Lungenfacharzt bzw. zur Lungenfachärztin, um eine Allergietestung oder bei größeren Kindern auch einen Lungenfunktionstest durchzuführen.
2. Bewahren Sie selbst immer, so gut es geht, die Ruhe.
Die Diagnose einer chronischen Erkrankung wie Asthma beim eigenen Kind ist nicht schön. Trotzdem gilt: Keine Panik, es gibt gute Medikamente. Das Notfallset gibt Ihnen ein gutes Werkzeug in die Hand, mit dem Sie ihrem Kind im Akutfall helfen können.
Darüber hinaus sollten sich Eltern dessen bewusst sein, dass sich sowohl die eigene Unruhe als auch die Gelassenheit unmittelbar auf das Kind übertragen. Darum ist es so wichtig, dass Sie versuchen, mit dem Thema möglichst sachlich umzugehen, und auch in der Notsituation Ruhe bewahren – selbst wenn es anfangs schwerfällt.
3. Erklären Sie Ihrem Kind offen und ehrlich, dass es Asthma hat.
Bleiben Sie dabei möglichst sachlich – nichts verharmlosen, aber auch nicht überreagieren. Als Beispiel: „Du hast Asthma. Das heißt: Du kriegst manchmal weniger Luft. Dann musst du dich hinsetzen und ein Medikament nehmen.“ Übertragen Sie nicht eigene Sorgen auf das Kind.
4. Scheuen Sie sich nicht, das Asthma-Notfallmedikament beim Kind einzusetzen.
Auch wenn die atmungserleichternden Körperhaltungen bei einem Asthmaanfall sehr nützlich sind – warten Sie nicht zu lange ab, ob diese helfen. Verabreichen Sie lieber einmal zu viel das Notfallmedikament als zu wenig. Es kann Leben retten.
5. Schonen Sie Ihr Kind mit Asthma nicht. Sport ist wichtig für die Asthmalunge.
Körperliche Belastung ist auch bei Asthma wichtig und ein essenzielles Training für die Lunge. Damit Sport beschwerdefrei möglich ist, muss notfalls medikamentös unterstützt werden.