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Gesundheitsmagazin

Haut & Allergie

Wundheilung – wie sich der Körper selbst repariert

Veröffentlicht am:06.06.2023

6 Minuten Lesedauer

Eine Schürfwunde am Knie, ein kleiner Schnitt am Finger – unkomplizierte Wunden heilen schnell. Doch auch sie unterliegen einem komplexen Wundheilungsprozess. Wie schafft es der Körper, Wunden zu schließen, und welche Rolle spielt dabei das Immunsystem?

Eine Person lässt ihr verletztes Knie desinfizieren und verarzten.

© iStock / LiudmylaSupynska

Prof. Dr. med Knut Kröger, Chefarzt der Klinik für Angiologie am Helios Klinikum Krefeld.

© privat

Prof. Dr. med Knut Kröger ist Chefarzt der Klinik für Angiologie am Helios Klinikum Krefeld. Er erklärt im Interview, was bei Wundheilungsstörungen wichtig ist.

Wunden: Entstehung, Unterscheidung und Heilung

Wie entstehen Wunden und welche Arten von Wunden werden unterschieden?

Wunden entstehen häufig durch Verletzungen von außen. Ein aufgeschürftes Knie durch einen Sturz oder eine kleine Fingerverletzung durch die Verarbeitung von Lebensmitteln sind klassische Beispiele. Chronische Wunden können hingegen auch von innen heraus entstehen. Das geschieht unter anderem bei einem Dekubitus (Druckgeschwür) – hier kommt es durch einen Druckschaden im Gewebe zu einer Wunde. Oft ist das bei Patienten und Patientinnen der Fall, die bettlägerig sind und bei denen durch das Liegen immer die gleichen Körperstellen einem Druck ausgesetzt sind. Betroffene mit einem venös-bedingten Ulcus cruris, umgangssprachlich als offenes Bein bezeichnet, haben meist eine Wunde am Unterschenkel, ohne dass sie sich äußerlich verletzt haben. Häufig ist eine Funktionsstörung der Venenklappen das Problem. Mediziner und Medizinerinnen unterscheiden eine akute Wunde von einer chronischen. Maßgeblich für die Unterscheidung ist der Zeitfaktor. Akute Wunden heilen in einem überschaubaren Zeitraum ab, innerhalb weniger Tage oder Wochen. Selbst die Wundheilung nach einer Operation (OP) schreitet schnell voran – ungefähr nach zehn Tagen können die die ersten Fäden entfernt werden.

Chronische Wunden hingegen bestehen über acht Wochen hinaus. Neben der Definition über die Zeit gibt es auch eine Unterscheidung über die chronischen Erkrankungen. Beim diabetischen Fußsyndrom, dem Dekubitus und beim Ulcus cruris ist die Wunde deswegen chronisch, weil die zugrunde liegende Erkrankung chronisch ist. Diese Einteilung ist wichtig, weil Patienten und Patientinnen in der Regel nicht wissen, wann die Wunde genau entstanden ist.

Welche Wundheilungsphasen gibt es und wie erfolgt die Wundheilung?

Im Körper gibt es einen festgelegten Weg für die Wundheilung, die sogenannte Heilungskaskade. Diesen Weg beschreitet der Organismus automatisch. In dem Moment, in dem Blut freigesetzt wird, erhält der Körper das Signal zu heilen. Die Kommunikation klappt mit bestimmten Botenstoffen, die sich im Blut befinden. Insgesamt gibt es drei Phasen der Wundheilung: Zunächst startet der Körper mit der Reinigungsphase. Hier stößt er zerstörte Zellen ab und schwemmt Bakterien aus. Daran schließt sich die sogenannte Granulationsphase an, in der ein Aufbau von neuem Gewebe erfolgt – das ist wichtig, um die Wundlücke zu schließen. Die dritte Phase ist die Epithelisierungsphase. In dieser letzten Etappe deckt der Körper die abheilende Wunde mit Haut wieder zu. Bei einer chronischen Wunde gibt es eine Störung in einer der Wundheilungsphasen. Der Organismus weiß dann unter Umständen gar nicht, dass er eine Wunde aufweist, zum Beispiel, weil ihm die entscheidenden Signale fehlen.

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Wunden können primär oder sekundär heilen, dabei bitte nicht stören

Was ist der Unterschied zwischen der primären und der sekundären Wundheilung?

Bei der primären Wundheilung hat ein Mediziner oder eine Medizinerin genäht – die Wundränder sind durch einen chirurgischen Eingriff wieder zusammengeführt worden. Das geht übrigens nicht nur mit einer Naht, sondern auch mit Klebestreifen. Ein Arzt oder eine Ärztin kann die Klebestreifen unter anderem zur Versorgung einer Platzwunde einsetzen. Bei der sekundären Wundheilung ist die Wunde komplett offen. Das ist beispielsweise bei einem aufgeschürften Knie der Fall. Nicht nur bei harmlosen Verletzungen, auch bei größeren Wunden erfolgt manchmal keine primäre Wundheilung. Einen Dekubitus oder ein offenes Bein können Mediziner und Medizinerinnen nicht nähen oder kleben. Betroffene haben oft eine tiefe Wunde, die infiziert ist – die Verletzung muss von unten zuheilen, also sekundär.

Was kann die Wundheilung stören?

Eine schlechte Wundheilung hat viele Ursachen. Ein Diabetes stört die Wundheilung nachhaltig. Zum einen, weil die Erkrankung mit einer Störung des Stoffwechsels einhergeht. Patienten und Patientinnen haben deswegen nicht nur Probleme mit den Nieren oder den Augen, sondern auch mit der Wundheilung. Beim Diabetes kommt dazu, dass Betroffene oft eine Polyneuropathie aufweisen – hier ist die Reizweiterleitung gestört. Menschen mit einem Diabetes spüren dann eine Wunde am Fuß nicht und belasten ihn weiter. Bei einem venösen Ulcus sind die Wassereinlagerungen problematisch. Sie machen es dem Sauerstoff und Nährstoffen schwerer, die Zellen zu erreichen, das ist ungünstig für die Wundheilung. Auch Medikamente wie Kortison oder Chemotherapeutika, also Medikamente, die bei einer Chemotherapie zum Einsatz kommen, können die Wundheilung stören. Nicht zuletzt verhindern Infektionen oder Durchblutungsstörungen eine gute Wundheilung.

Eine Seniorin mit Wunde wird bei einem Arzt mit einem Verband versorgt.

© iStock / gpointstudio

Blutet eine Wunde sehr stark, ist ein Arztbesuch ratsam.

Die Wundheilung aktiv selbst unterstützen

Wie können wir die Wundheilung beschleunigen oder positiv beeinflussen?

Eine störungsfreie Heilungskaskade lässt sich nicht positiv beeinflussen oder beschleunigen. Anders sieht das bei einer gestörten Wundheilung aus, denn hier liegt ein Problem vor. Sind beispielsweise zu viele Bakterien in der Wunde, leiten Mediziner und Medizinerinnen eine antiseptische Therapie ein – so reduzieren sie die Keimanzahl in der Wunde. Bei einer Durchblutungsstörung eröffnen Operateure und Operateurinnen womöglich das Gefäß, um die Durchblutung wiederherzustellen. Patienten und Patientinnen mit einem Dekubitus oder einem diabetischen Fuß belasten bestenfalls die betroffenen Stellen nicht weiter. Zusätzliche Nährstoffe benötigen Menschen, die sich gesund ernähren, übrigens nicht. Bei älteren Personen mit einer Wundheilungsstörung, die sich einseitig ernähren, kann die Gabe von Proteinen, Kohlenhydraten und Vitaminen tatsächlich die Wundheilung fördern. Gemeinsam mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin können Betroffene ihren Ernährungsplan überprüfen und gegebenenfalls Präparate in Erwägung ziehen.

„Bei einem Dekubitus oder einem diabetischen Fuß ist es besonders wichtig, dass Patienten und Patientinnen die betroffenen Stellen nicht weiter belasten.“

Prof. Dr. Kröger
Chefarzt der Klinik für Angiologie am Helios Klinikum Krefeld

Welche Rolle spielt ein gesundes Immunsystem?

Das Immunsystem spielt eine große Rolle bei der Wundheilung. Die körpereigene Abwehr ordert beispielsweise bestimmte Zellen (Makrophagen) ab, um Zelltrümmer, Fremdstoffe und Krankheitserreger zu beseitigen. Eben deshalb, weil die Immunzellen entscheidend an den Wundheilungsphasen beteiligt sind, ist es wichtig, bestimmte Patienten und Patientinnen im Blick zu haben. Dazu gehören solche, die beispielsweise aufgrund einer Erkrankung eine geschwächte Abwehr besitzen. Auch Personen, die Immunsuppressiva einnehmen, also Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken, sind anfälliger für eine Wundheilungsstörung. Hier kann es nötig sein, dass sich verschiedene Mediziner und Medizinerinnen, die an der Behandlung beteiligt sind, untereinander austauschen. Womöglich kann der Patient oder die Patientin ein Medikament absetzen oder die Dosierung reduzieren, um so die Wundheilung zu vereinfachen. Bei Personen mit Diabetes, die ebenfalls als immungeschwächt gelten, ist eine gute Einstellung des Blutzuckers entscheidend.

Die Wundversorgung kann zu Hause oder bei Chirurgen oder Chirurginnen erfolgen

Wann muss ich mit einer Wunde zum Mediziner oder zur Medizinerin?

Grundsätzlich können Betroffene jede Wunde bei einem Mediziner oder einer Medizinerin vorstellen. Durch persönliche Erfahrungen weiß jedoch in der Regel jeder, dass harmlose Wunden auch ohne medizinische Behandlung heilen. Es gibt aber nicht diese oder jene Wunden, mit denen Betroffene niemals zu einem Arzt oder einer Ärztin gehen müssen. Es kann durchaus sein, dass sich aus leichten Verletzungen schwere Infektionen entwickeln oder die Wunde nicht heilt. Im Mittelpunkt steht stets der Betroffene. Neben Art und Tiefe der Wunde berücksichtigen Behandelnde auch andere Faktoren wie vorliegende Erkrankungen oder einzunehmende Medikamente. Falls eine Wunde unangenehm riecht, sie gerötet ist oder viel Flüssigkeit absondert, ist ein Arztbesuch ratsam.

„Falls eine Wunde unangenehm riecht, sie gerötet ist oder viel Flüssigkeit absondert, ist ein Arztbesuch ratsam.“

Prof. Dr. Kröger
Chefarzt der Klinik für Angiologie am Helios Klinikum Krefeld

Wie werden Wunden am besten versorgt?

Zunächst ist die Blutstillung wichtig. Das gelingt mit einer Wundkompresse, die sich in jedem Erste-Hilfe-Kasten befindet. Damit die Wunde nicht verunreinigt wird, kleben Verletzte nach dem Reinigen am besten ein Pflaster darauf. Bis die Wunde verschlossen ist, sollte sie nicht in Berührung mit Reinigungsmitteln oder Körperpflegeprodukten wie Shampoo kommen. Zur Vermeidung von sekundären Verschmutzungen, zum Beispiel bei der Hausarbeit, sollten bei einer Handverletzung bei Arbeiten mit Feuchtigkeit Handschuhe getragen werden. Bei einer stark blutenden Wunde oder wenn empfindliche Strukturen wie Sehnen verletzt sind, ist ein sofortiger Besuch bei einem Chirurgen oder einer Chirurgin empfehlenswert.

Übrigens: Akute Wunden sollten Betroffene trockenhalten, chronische Wunden heilen besser mit Feuchtigkeit. Dazu wenden Wundheilungsexperten und -expertinnen feuchte Wundauflagen an.

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