Haut & Allergie
Mehr Pollenflug durch den Klimawandel
Veröffentlicht am:18.08.2023
9 Minuten Lesedauer
Schmelzende Gletscher, anhaltende Hitzewellen und Flutkatastrophen – diese Folgen des Klimawandels kennen die meisten. Der Klimawandel ist aber auch indirekt spürbar: etwa, wenn der Heuschnupfen sich in milden Wintern schon im Dezember zurückmeldet.
Pollenflug im Jahresverlauf verlängert sich
Dass die Jahreszeiten und Allergiesymptome zusammenhängen, ist nicht neu: Menschen mit einer Birkenallergie haben meist um die Osterzeit mit tränenden Augen und Niesattacken zu kämpfen. Anderen macht die Gräserblüte im Sommer zu schaffen. Fachleute sprechen auch von einer saisonalen allergischen Rhinitis. Insgesamt hat etwa jeder und jede siebte Erwachsene in Deutschland eine Pollenallergie. Auch bei Kindern und älteren Menschen ist Heuschnupfen keine Ausnahme mehr. Häufigste Auslöser für eine Pollenallergie sind Hasel, Erle, Birke und Gräser.
Die Folge sind typische Heuschnupfen-Symptome wie Augenjucken und Fließschnupfen bis zu allergischem Asthma.
Die Zahl der Allergien stieg in Deutschland seit den 1970er-Jahren stetig. Seit einigen Jahren scheint sie sich zu stabilisieren. Dennoch haben viele Betroffene das Gefühl, ihr Heuschnupfen würde jedes Jahr intensiver. Ein Grund könnte der Klimawandel sein. Zum einen sorgen höheren Temperaturen dafür, dass Bäume und Gräser früher blühen und der Pollenflug insgesamt länger anhält. Drei Viertel der wilden Pflanzenarten treiben heute früher aus als vor der Jahrtausendwende. In milden Wintern beginnt der Pollenflug manchmal bereits im Dezember, wenn die ersten Haselsträucher blühen. Inzwischen endet die Pollensaison erst im Herbst, weil Spätblüher-Pollen von Beifuß, Spitzwegerich und vor allem die sich neu ausbreitenden Pflanze Ambrosia lange aktiv sind. Zum anderen ist CO₂ ein Wachstumsfaktor für die Pflanzen und die erhöhten Werte führen zu einer erhöhten Pollenproduktion.
Übrigens: In manchen Jahren – sogenannten Mastjahren – ist der Pollenflug von Baumpollen deutlich erhöht. Die Mast ist ein natürlicher Schutz- und Überlebensmechanismus von Baumarten, die nur unregelmäßig Früchte tragen. Dann blühen diese Bäume ungewöhnlich stark und produzieren extrem viele Samen. Früher war das etwas Positives – es bedeutete eine gute Ernte der Früchte (etwa Buche) und dadurch viel Futter fürs Vieh. Heute sind gesundheitliche Belastungen damit verbunden. Der Klimawandel begünstigt ein häufigeres Auftreten von Mastjahren, die durch warme und trockene Sommer ausgelöst werden. Die Bäume wollen in einer solchen „Hitzekrise“ durch die erhöhte Pollenproduktion ihren Fortbestand sichern.
Informationen zum aktuellen Pollenflug stellt der Allergieinformationsdienst zur Verfügung.
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Wie gefährlich sind die Veränderungen in der Flora durch den Klimawandel?
Durch den Klimawandel breiten sich wärmeliebende Arten stärker in Deutschland aus. Das bekannteste Beispiel ist die Beifuß-Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia). Die einjährige krautige Pflanze sieht unscheinbar aus und wächst oft als Unkraut auf Äckern, auf Brachen, in Gärten oder am Wegesrand. Eingeschleppt wurde die Pflanze ursprünglich aus Nordamerika. Ihre Samen haben sich auf verschiedenen Wegen – etwa durch Vogelfutter und Bautransporter – von Ost- nach Westeuropa ausgebreitet. Der Klimawandel und die damit einhergehenden höheren Temperaturen haben die Ausbreitung von Ambrosia begünstigt.
Inzwischen macht Ambrosia auch in Deutschland vielen Allergiebetroffenen das Leben schwer. Häufig kommt es zu einer sogenannten Kreuzreaktion (Kreuzallergie) bei Menschen, deren Immunsystem bereits gegen die Pollen der einheimischen Beifuß-Pflanze sensibilisiert ist – und meist auch direkt auf die strukturell ähnlichen Ambrosia-Eiweiße reagiert. Bei anderen entwickelt sich erst durch Ambrosia selbst eine Allergie.
Problematisch ist das hohe allergene Potenzial der Ambrosia: Bereits sechs Pollenkörnchen pro Kubikmeter Luft reichen aus, um allergische Reaktionen hervorzurufen. Bei Gräserpollen sind dafür 50 nötig. Zudem kann eine einzige Ambrosia-Pflanze bis zu eine Milliarde Pollen in die Luft abgeben.
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Ambrosia-Allergie: Wann fliegen die Pollen?
Mit Ambrosia dehnt sich für viele Heuschnupfen-Betroffene die Allergiesaison bis in den Herbst aus: Ambrosia blüht von Juli bis Oktober. Einer US-amerikanischen Studie zufolge verlängert sich infolge der wärmeren Sommer auch die Blütezeit der Ambrosia-Pflanze. Im Jahr 2018 begann die Blütezeit 20 Tage früher und hielt zehn Tage länger an als noch im Jahr 1990. Für Menschen mit Allergien gegen mehrere Pollenarten kann das bedeuten, dass sie inzwischen fast das ganze Jahr hindurch mit Symptomen zu kämpfen haben.
Andere Neophyten wie der Götterbaum
Neben Ambrosia gibt es noch andere eingeschleppte Gewächse – sogenannte Neophyten –, deren Pollen mögliche Allergene sind. Dazu gehört etwa die Japanische Zeder, die sich in hiesigen Gartenmärkten großer Beliebtheit erfreut und in ihrem Ursprungsland eines der Hauptallergene ist. Auch andere wärmeliebende Arten wie Olivenbäume breiten sich aus – und mit ihnen die Zahl der Menschen, die allergisch auf ihre Pollen reagieren.
Hitze und Gewitter verstärken Allergiesymptome
Für viele Betroffene dauert die Heuschnupfen-Saison heute nicht nur länger. Die Symptome fallen auch stärker und belastender aus. Mit den höheren Durchschnittstemperaturen und der erhöhten Kohlendioxidkonzentration in der Luft fliegen insgesamt mehr Pflanzenpollen pro Kubikmeter Luft. Zusammen mit Schadstoffen in der Luft steigt das allergene Potenzial weiter an.
Viele Baumpollen-Allergiker und -Allergikerinnen kennen den angenehmen Effekt eines Regentages im Frühling: Er wäscht die Pollen aus der Luft und sorgt oft für eine kurze Heuschnupfen-Pause. Anders verhält es sich mit plötzlichen, starken Regengüssen im Sommer. Sie können bei Pollen in der Luft einen sogenannten osmotischen Schock auslösen: Die Pollenkörner quellen binnen kurzer Zeit auf, platzen und setzen viele kleine Pollenpartikel frei. Diese dringen leicht in die oberen Atemwege und zusätzlich bis in die Lunge ein. Bei Gewitter kann sich dieser Effekt noch verstärken: Selbst Menschen, die sonst nur einen leichten allergischen Schnupfen haben, leiden plötzlich unter Hustenanfällen und Atemnot. Dieses Phänomen ist auch als Gewitter-Asthma bekannt.
Wie kann man sich als Allergiker oder Allergikerin schützen?
Wenn Sie immer länger und intensiver unter Heuschnupfensymptomen leiden, ist der Besuch in einer allergologischen Praxis sinnvoll. Ein Haut- oder Bluttest gibt Aufschluss darüber, auf welche Allergene Ihr Immunsystem reagiert und ob neue Auslöser hinzugekommen sind. Wenn Sie Atembeschwerden haben, können Fachleute mithilfe einer Lungenfunktionsprüfung überprüfen, ob es sich um eine asthmatische Komponente handelt.
Medikamente wie Antihistaminika und Kortison-haltige Nasensprays können helfen, die Symptome in Schach zu halten. Mit einer spezifischen Immuntherapie (Hypersensibilisierung oder Desensibilisierung) behandeln Ärztinnen und Ärzte zudem die Ursache der Allergie.
Was Allergiker und Allergikerinnen sonst noch tun können:
- Lüften Sie die Schlafräume nicht zur „Hauptzeit“ des Pollenflugs, sondern nur am frühen Morgen (in der Stadt) oder abends (auf dem Land). Diese Zeitfenster gelten auch für sportliche Aktivitäten im Freien.
- Duschen Sie abends, damit Sie nicht über Kleidung oder ungewaschene Haare Pollen in Ihr Bett tragen.
- Wäsche hängen Sie während der Allergiesaison besser drinnen auf.
- Bleiben Sie bei Starkregen und Gewitter nach Möglichkeit in einem Gebäude und schließen die Fenster.
- Wenn Sie starke Symptome durch den Pollenflug haben, schützen Sie sich mit einem Tuch oder einer Mund-Nasen-Maske.