Herz & Kreislauf
Hämophilie: Wie sehen Symptome und Behandlung aus?
Veröffentlicht am:16.03.2023
6 Minuten Lesedauer
Eine Hämophilie ist vielen Menschen unter dem Begriff „Bluterkrankheit“ bekannt. Bei Betroffenen ist die Blutgerinnung gestört. Die erhöhte Blutungsneigung kann weitreichende Folgen für die Gesundheit haben, sie lässt sich aber meist gut behandeln.
Definition: Was ist Hämophilie?
Bei einer Hämophilie oder „Bluterkrankheit“ ist die Blutgerinnung gestört. Das bedeutet, dass nach einer Verletzung die Wunde deutlich länger blutet als bei gesunden Menschen. Bei leichten Stößen kann es darum zum Beispiel bereits zu größeren Blutergüssen kommen. Je nach Schweregrad sind auch innere Blutungen infolge eines Sturzes, einer Quetschung oder auch ohne erkennbare Ursache möglich. Da solche Blutungen gefährlich werden können, ist es wichtig, dass die Erkrankung erkannt und behandelt wird. Dann können Menschen mit Hämophilie ein fast normales Leben führen.
Was sind die Ursachen einer Hämophilie?
Hämophilie ist eine Erbkrankheit. Durch einen Gendefekt fehlt Betroffenen ein Gerinnungsfaktor oder ihr Körper kann nicht genug davon bilden. Gerinnungsfaktoren sind bei der Blutgerinnung im Falle einer Wunde wichtig. Schneiden wir uns beispielsweise mit einem Messer in den Finger, arbeitet der Körper auf Hochdruck daran, die Blutung zu stillen und die Wunde zu schließen. Dabei wirken verschiedene Körperzellen und Proteine zusammen, darunter auch die Gerinnungsfaktoren. Die Bauinformationen für die Gerinnungsfaktoren liegen auf dem sogenannem X-Chromosom – einem Geschlechtschromosom des Menschen. Frauen besitzen neben anderen Chromosomen pro Zelle zwei X-Chromosomen und können darum einen Defekt meist durch ein gesundes X-Chromosom ausgleichen. Männer haben dagegen ein X-Chromosom und ein Y-Chromosom pro Zelle. Sie können den Gendefekt auf dem X-Chromosom nicht ausgleichen und sind darum ingesamt deutlich häufiger betroffen als Frauen. So gibt es in Deutschland schätzungsweise 10.000 Männer, die „Bluter“ sind. Wenn Frauen betroffen sind, leiden sie in der Regel nicht an einer schweren Form der Erkrankung.
Die häufigsten Hämophilie-Formen
Mit dem Begriff Hämophilie sind Erkrankungen mit gestörter Blutgerinnung gemeint. Es gibt unterschiedliche Erkrankungsformen, bei denen jeweils andere Gerinnungsfaktoren betroffen sind. Am bekanntesten sind folgende Varianten, um die es nachfolgend gehen wird:
- Hämophilie A: Bei Hämophilie A fehlt der Gerinnungsfaktor VIII. Diese Erkrankungsform kommt häufiger vor.
- Hämophilie B: Bei Hämophilie B fehlt der Gerinnungsfaktor IX.
Schweregrade bei Hämophilie A und B
- Bluterinnen und Bluter mit einer leichten Verlaufsform haben im Alltag kaum Beschwerden und benötigen in der Regel keine Dauertherapie. Oft wird die Erkrankung erst spät entdeckt – etwa, wenn bei schweren Verletzungen oder Operationen verstärkte Blutungen auftreten.
- Bei einer mittelschweren Hämophilie kommt es hin und wieder zu verstärkten Blutungen – häufig im Rahmen von kleineren Verletzungen oder auch Operationen. In seltenen Fällen treten auch ohne erkennbaren Anlass Blutungen auf.
- Eine schwere Hämophilie ist oftmals zusätzlich durch innere Blutungen gekennzeichnet. Diese treten auch ohne erkennbaren Grund auf und können lebensbedrohlich sein.
Wichtige Anzeichen von Hämophilie A und B
Die verstärkte Blutungsneigung bei einer Hämophilie A oder B kann im Alltag zu folgenden Anzeichen und Folgeerscheinungen führen:
- blaue Flecken (vor allem an Armen und Beinen oder am Rumpf)
- Schmerzen und Schwellungen in den Gelenken (zum Beispiel in Sprunggelenken oder Knie- und Ellenbogengelenken durch Einblutungen)
- blutiger Urin
- stärkere Nachblutungen beim Zahnwechsel
- starke Kopfschmerzen (durch mögliche Gehirnblutungen nach Stürzen auf den Kopf)
Wenn Sie entsprechende Anzeichen oder Folgeerscheinungen der Hämophilie bei sich oder Ihrem Kind bemerken, sollten Sie einen Arzt oder eine Ärztin aufsuchen.
Wie wird die Diagnose Hämophilie gestellt?
Die Diagnose einer Hämophilie beginnt mit einer Anamnese. Das bedeutet, es wird in einem ausführlichen Gespräch die Krankengeschichte erhoben. Sind Fälle von Hämophilie in der Familie bekannt und bereits verstärkte Blutungen aufgetreten, ist dies ein Anhaltspunkt dafür, dass auch die betroffene Person an der Erbkrankheit leiden könnte. Zusätzlich erfolgt eine gründliche körperliche Untersuchung. Für eine sichere Diagnosestellung wird durch eine Blutuntersuchung im Labor die Aktivität der Gerinnungsfaktoren bestimmt. Auch ein Gentest ist möglich.
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Wie werden Hämophilie A und B behandelt?
Bei der Behandlung der Hämophilie wird der fehlende Gerinnungsfaktor substituiert, das heißt zugeführt. Hierzu wird dieser durch eine Spritze in die Vene verabreicht. Je nach Schweregrad der Erkrankung gibt es zwei Vorgehensweisen:
- Bedarfsorientierte Therapie: Wie der Name bereits andeutet, wird der fehlende Gerinnungsfaktor nur bei Bedarf zugeführt – etwa um eine Blutung zu stillen oder um den Blutverlust bei einem operativen Eingriff zu begrenzen. Wirkstoffe wie Desmopressin können die Blutgerinnung stabilisieren. Desmopressin sorgt dafür, dass körpereigene Gerinnungsfaktoren freigesetzt werden.
- Substitutionstherapie: Diese kommt bei einer schweren Hämophilie zum Einsatz. Hierbei wird der fehlende Gerinnungsfaktor prophylaktisch, also vorbeugend, regelmäßig in die Vene gespritzt, um die Blutungsneigung zu verringern. Betroffene oder Eltern können dies erlernen und mit etwas Übung selbst durchführen.
Manche Betroffenen bilden unter der Substitutionstherapie Antikörper gegen die gegebenen Gerinnungsfaktoren. Diese Antikörper blockieren die zugeführten Gerinnungsfaktoren und hemmen somit deren Funktion. Eine Antikörpertherapie ist dann nicht möglich. Mithilfe einer Immuntoleranztherapie wird versucht, die Bildung der Hemmkörper zu unterdrücken. Dennoch sind Blutungen schwerer in den Griff zu bekommen.
Bei starken Schmerzen ist die Einnahme von schmerzstillenden Medikamenten hilfreich. Wichtig ist, dass diese die Blutungsstillung nicht beeinflussen. Acetylsalicylsäure (ASS) darf zum Beispiel nicht eingenommen werden, da es die Blutplättchenfunktion behindert. Blutplättchen lagern sich bei einer Wunde aneinander und tragen so zur Stillung der Blutung bei. Sind sie gehemmt, ist die Blutungsneigung zusätzlich verstärkt. Paracetamol ist beispielsweise als Schmerzmittel geeignet.
Ist Hämophilie heilbar?
Früher war eine Hämophilie häufig mit großen gesundheitlichen Problemen verbunden, doch das ist nur noch selten der Fall. Heilbar ist die Erkrankung zwar nicht, doch die Blutgerinnung lässt sich durch Medikamente gut kontrollieren. Deswegen ist das Risiko für die Betroffenen zu verbluten eigentlich sehr gering und sie haben eine normale Lebenserwartung. Es ist jedoch sehr wichtig, die Behandlung ernst zu nehmen und keine unnötigen Risiken einzugehen. Gerade innere Blutungen können ansonsten zu schweren Folgeerkrankungen führen. So können wiederholte Blutungen Gelenke verformen, versteifen und allmählich zerstören. Stärkere Blutungen in die Muskulatur können durch den Druck auf benachbartes Gewebe Nervenschädigungen zur Folge haben. Blutungen im Mund-Rachen-Bereich erschweren unter Umständen das Atmen. Gehirnblutungen sind selten, können aber Denkvermögen, Konzentration oder Gleichgewichtssinn beeinträchtigen und im schlimmsten Fall lebensbedrohlich werden.
Was können Hämophilie-Patienten und -Patientinnen tun?
Betroffene mit einer Hämophilie können normalerweise dank der Medikamente ein weitgehend normales Leben führen. Ein paar Punkte sollten sie dennoch beachten:
- Sport ist erlaubt und sogar erwünscht. Koordinationsfähigkeit und Muskeln werden dabei trainiert und so das Verletzungsrisiko verringert. Je nach Ausprägung der Blutungsneigung ist jedoch unter Umständen nicht jede Sportart geeignet. Besprechen Sie das mit Ihrer behandelnden Ärztin oder Ihrem behandelnden Arzt.
- Verletzungen lassen sich im Alltag nicht immer vermeiden. Für Eltern betroffener Kinder ist das ein schwieriger Balanceakt. Sie sollten ihren Nachwuchs zur Vorsicht anhalten, aber auch nicht zu stark ausbremsen. Wie jedes andere Kind sollten Kinder mit Hämophilie ihre eigenen Grenzen austesten dürfen und ihren Körper kennenlernen. Wichtig ist dabei, dass Kinder und Jugendliche frühzeitig lernen, wie sie sich im Falle einer akuten Blutung verhalten können. Das beinhaltet zum Beispiel, wie Akutmedikamente anzuwenden sind.
- Sprechen Sie mit Ihrem Umfeld und dem Ihres Kindes über die Erkrankung. Das hilft allen, im Ernstfall Ruhe zu bewahren und auch Blutungen vorzubeugen.
- Informieren Sie medizinisches Personal vor Impfungen oder anderen Eingriffen über die Hämophilie. So lassen sich Blutungen vermeiden.
- Zudem ist es wichtig, dass Bluter und Bluterinnen immer einen mit allen wichtigen Daten ausgefüllten Notfallausweis mit sich führen und diesen regelmäßig aktualisieren lassen.
- Vermeiden Sie die Einnahme von blutungsfördernden Arzneimitteln, wie acetylsalicylsäurehaltigen Medikamente (ASS) und nichtsteroidale Antirheumatika (zum Beispiel Ibuprofen). Lassen Sie sich ärztlich darüber informieren, welche Medikamente für Sie unbedenklich sind, und lesen Sie vor einer Einnahme stets gründlich die Packungsbeilage der Medikamente.
Für Betroffene ist es außerdem von Bedeutung, dass die behandelnden Ärzte und Ärztinnen auf die Erkrankung spezialisiert sind. Das können Kinder- und Jugendärzte sowie -ärztinnen mit einer entsprechenden Weiterbildung oder Mediziner und Medizininnen in spezialisierten Hämophiliezentren sein. Dabei ist eine Zusammenarbeit verschiedener Fachrichtungen, wie innere Medizin, Orthopädie und Transfusionsmedizin von Vorteil. In Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen können Betroffene zusätzlich Tipps für den Alltag und Unterstützung im Umgang mit der Erkrankung bekommen. Eine Hämophilie-Diagnose ist auch für Eltern oft sehr belastend und mit Ängsten und Sorgen verbunden. Der Austausch mit anderen Eltern und Angehörigen kann darum für viele sehr hilfreich sein.