Herz & Kreislauf
Herzgesundheit: So bleibt Ihr Herz lange leistungsfähig
Veröffentlicht am:23.10.2023
11 Minuten Lesedauer
Herz und Kreislauf sind unser Antriebsteam. Herzspezialisten erklären, was wir für unsere Herzgesundheit tun können und wie die Herzmedizin mit neuen Therapien gegen Erkrankungen vorgeht.
Herzgesundheit: Wer ist von Herzbeschwerden betroffen?
Kaum einem Körperteil messen wir so viel Bedeutung bei wie unserem Herzen. Zu Recht, denn das Organ pumpt nähr- und sauerstoffreiches Blut in jede Zelle unseres Körpers. In jungen Jahren halten wir die Arbeit des Herzens oft für selbstverständlich. Dabei sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen kein Phänomen des Alters: Rund 20 Millionen Menschen in Deutschland leiden an Bluthochdruck – zunehmend sind davon auch Kinder und Jugendliche betroffen. Ein Grund dafür ist eine ungesunde Lebensweise, die sich durch zu wenig Bewegung und Übergewicht auszeichnet. Aber wir sind Herzbeschwerden nicht ausgeliefert: Dank moderner Therapien können wir sogar mit einer unheilbaren Herzerkrankung länger und besser leben als die Generationen vor uns. Wichtig ist es, Beschwerden und Veränderungen ernst zu nehmen und ärztlich abzuklären. Doch wie erkennen wir, ob unser Herz gefährdet oder sogar geschädigt ist? Und wie lässt sich das Risiko senken und im Krankheitsfall gegensteuern?
Warum ist es wichtig, Warnsignale ernst zu nehmen?
Das Herz kann seine Aufgabe nur erfüllen, wenn alle Bestandteile des Kreislaufsystems gesund sind. Verlieren die Herzkammern und -klappen oder die Gefäße ihre Leistungsfähigkeit, nimmt das Organ dauerhaften Schaden. Je früher eine Störung erkannt und je konsequenter auf sie reagiert wird, desto besser können wir eine bleibende Erkrankung vermeiden. Das deutlichste Warnsignal ist Bluthochdruck. Er weist auf verengte Gefäße hin, in denen sich Ablagerungen bilden können (Arteriosklerose), oder auf eine geschädigte Herzklappe.
Warum ist Bluthochdruck so gefährlich?
Der Bluthochdruck selbst kann Schaden anrichten: „Viele Menschen nehmen Bluthochdruck nicht ernst, dabei ist er sehr gefährlich“, sagt Professor Holger Thiele, Klinikchef am Herzzentrum Leipzig und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie. „Denn anhaltend hoher Druck überfordert auf Dauer das Herz und schädigt die Gefäßinnenwände.“ Unter Umständen wird das Herz dann selbst nicht mehr gut mit Blut versorgt (Koronare Herzkrankheit, kurz KHK) oder die Pumpleistung des Herzmuskels nimmt dauerhaft ab (chronische Herzschwäche).
Klassische Anzeichen bei KHK sind Brustschmerzen oder Luftnot, während sich Herzschwäche häufig durch Kurzatmigkeit, Beinschwellungen und Herzrhythmusstörungen äußert.
„Viele Menschen nehmen Bluthochdruck nicht ernst, dabei ist er sehr gefährlich. Denn anhaltend hoher Druck überfordert auf Dauer das Herz und schädigt die Gefäßinnenwände.“
Prof. Holger Thiele
Klinikchef am Herzzentrum Leipzig und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie
5 Fakten zum Thema Herzgesundheit
- Das Herz pumpt das Blut durch den Körper – pro Schlag gibt ein gesundes Herz 70 Prozent seines Inhalts ab. Bei Herzschwäche sind es nur noch 30 Prozent.
- Frauen warten bei einem Herzinfarkt durchschnittlich 108 Minuten länger als Männer, bis sie den Notdienst rufen.
- Mehr als 90 Prozent der Menschen, die mit Herzinfarkt eingeliefert werden, überleben den Notfall.
- Adipöse Kinder haben ein erhöhtes Risiko, an Bluthochdruck zu erkranken.
- Ein gut eingestellter Blutzucker senkt das Herzinfarkt-Risiko für Diabetes-Erkrankte drastisch.
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Wie wichtig ist der Routine-Check-up für die Herzgesundheit?
Viele Menschen erkennen Bluthochdruck-Symptome wie morgendliche Kopfschmerzen, Nervosität oder Schlafstörungen nicht. Das ist ein großes Problem. Fachleute empfehlen deshalb, die eigenen Blutdruckwerte im Blick zu behalten – und zusätzlich den Gesundheit-Check-up im Drei-Jahres-Rhythmus wahrzunehmen. Dabei werden auch die Blutfettwerte überprüft, denn Cholesterin, kann sich in den Gefäßen ablagern. Für Kinder gibt es regelmäßige Früherkennungsuntersuchungen. Ab der U9 (für Fünfjährige) misst der Kinderarzt oder die Kinderärztin auch den Blutdruck.
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Was kann man selbst für ein gesundes Herz tun?
Die beste „Medizin“ zur Vorbeugung ist laut zahlreicher Studien körperliche Aktivität. Sie trainiert den Herzmuskel, hält die Gefäße geschmeidig und verhindert Verkalkungen. Auch gesunde, gemüsereiche Ernährung gilt als Herzschützer, dagegen sollten wir die größten Risikofaktoren – Übergewicht und Rauchen – meiden.
Sind Herzleiden immer selbstverschuldet?
„Nicht immer sind Herzleiden wie Herzschwäche oder Rhythmusstörungen die Folge ungünstiger Lebensbedingungen, sondern können auch familiär bedingt sein“, sagt Professor Thiele. Auch junge, sportliche Menschen sollten Symptome im Zweifel abklären lassen. „Erhöhte Cholesterinwerte, die immer ein Risiko darstellen, können auch auf eine genetisch bedingte Fettstoffwechselstörung zurückgehen. Die Werte müssen dann medikamentös gesenkt werden.“ Der Rat des Experten: „Jeder und jede sollte seinen bzw. ihren Cholesterinwert kennen.“ Vor allem für KHK-Patienten und -Patientinnen gilt: Beim Routine Check-up nach dem Cholesterin fragen.“
Hat sich trotz Vorsorge eine Herzkrankheit entwickelt, lässt sich auch diese oft gut medizinisch behandeln. „Die Therapiemöglichkeiten haben sich in den vergangenen Jahren revolutionär weiterentwickelt“, sagt Professor Dirk Westermann, Direktor der Kardiologie an der Universitätsklinik Freiburg. „Dadurch können wir das Fortschreiten von kardialen Erkrankungen verlangsamen und Symptome abmildern.“
„Die Therapiemöglichkeiten haben sich in den vergangenen Jahren revolutionär weiterentwickelt.“
Prof. Dirk Westermann
Direktor der Kardiologie an der Universitätsklinik Freiburg
Welche Bedeutung haben Medikamente bei der Behandlung von Herzbeschwerden?
Wichtige Bausteine der Behandlung von Patienten und Patientinnen mit Herzschwäche sind die sich stetig verbessernden Medikamente, die „Fantastischen Vier“ etwa, eine Wirkstoff-Kombination aus vier Schlüsselmedikamenten. Dazu gehören die bekannten Betablocker und ACE-Hemmer. „Studien haben gezeigt, dass jeder Arzneistoff eine höhere Wirksamkeit entfaltet, wenn Betroffene möglichst früh die vollständige Viererkombination erhalten“, so Professor Westermann.
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Welche Behandlungsmethoden sind aus der Herzmedizin nicht mehr wegzudenken?
Als Wendepunkt gilt vor allem die Transkatheter-Aortenklappen-Implantation (TAVI) – eine Methode zum Ersetzen einer verengten Herzklappe. „Bis zur Einführung der TAVI war für den Austausch einer Herzklappe die mehrstündige Öffnung des Brustkorbs notwendig“, sagt Professor Westermann. „Heute wird der kleine Klappenersatz mithilfe eines Katheters durch die Leistenarterie zum Herzen geschoben und dort entfaltet – vorausgesetzt alle Herzspezialistinnen und -spezialisten sind der Meinung, dass dieses Verfahren das geeignete ist.“
Im Fall eines operativen Eingriffes kommen heute schonendere Operationsmethoden zum Einsatz. Von diesen profitieren auch zunehmend Kinder, die mit einem angeborenen Herzfehler zur Welt kommen. In Deutschland sind jährlich über 8.000 Kinder betroffen. Ein Großteil kann mithilfe kathetergestützter und anderer minimalinvasiver Techniken früh operiert werden. Nicht nur die Behandlung von Erkrankungen wie Herzklappenfehlern sind heute Routineverfahren, auch Rhythmusstörungen oder die Koronare Herzkrankheit lassen sich meist ohne große Operation behandeln. So erfolgt die Implantation einer Gefäßstütze (Stent) bei KHK-Betroffenen in der Regel per Katheter über einen Einstich in der Leiste. Und mithilfe eines Katheters werden auch Ursachen für Herzrhythmusstörungen erkannt und behandelt.
Sind Frauen besonders gefährdet? Drei Fragen an Dr. Ute Seeland, Kardiologin in Berlin
Stimmt es, dass Frauen häufiger an einem Herzinfarkt sterben als Männer?
Ute Seeland: Zwar erleiden Männer häufiger einen klassischen Herzinfarkt durch Verschluss der Herzkranzgefäße als Frauen. Doch insbesondere bei Frauen unter 50 Jahren ist die Sterblichkeit im Fall eines Infarkts in den ersten 28 Tagen höher als bei gleichaltrigen Männern.
Das heißt: Frauen haben ein größeres Risiko, den Notfall nicht zu überleben?
Ute Seeland: Ja, das liegt daran, dass Frauen häufiger als Männer an anderen Ursachen leiden, die zu einer Durchblutungsstörung des Herzmuskels führen, zum Beispiel an Einrissen der Arterienwand oder krampfartigen Verengungen. Auch die Symptome sind bei ihnen vielfältiger. Es kann zum Beispiel zu starker Müdigkeit oder Übelkeit kommen. Auch Schmerzen in Kiefer und Nacken oder zwischen den Schulterblättern, die sich bei körperlicher Belastung verstärken, erkennen Frauen sowie übrigens auch behandelnde Ärzte und Ärztinnen nicht immer als Alarmzeichen. Dadurch vergeht oft kostbare Zeit bis zur Behandlung.
Wie können Frauen ihr Herz schützen?
Abgesehen von den üblichen Vorbeugemaßnahmen wie Rauchverzicht, Bewegung und gesunde Ernährung gilt vor allem ab den Wechseljahren: Ab dem 45. Lebensjahr sollte der Blutdruck bei Frauen zweimal im Jahr ärztlich kontrolliert werden. Denn ab etwa 50 Jahren produziert der weibliche Körper weniger blutdrucksenkendes Östrogen, aber mehr Testosteron, das Männer zwar gegen Herzinfarkt schützt, Frauen jedoch nicht. Die Bluthochdruck-Wahrscheinlichkeit steigt bei Frauen über 60 steiler an als bei gleichaltrigen Männern. Und grundsätzlich gilt: Frauen sollten sich nicht scheuen, neue, einschränkende Symptome immer ärztlich abklären zu lassen.
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