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Herz & Kreislauf

Posturales Tachykardiesyndrom (POTS): Herzrasen und Schwindel beim Aufstehen

Veröffentlicht am:09.07.2024

6 Minuten Lesedauer

Bei Menschen mit dem Posturalen Tachykardiesyndrom (POTS) steigt der Puls nach dem Aufstehen so stark an, dass ihnen schwindelig wird oder sie sich benommen fühlen. Wie POTS erkannt und behandelt wird und was Betroffene selbst tun können.

Eine junge Frau mit schulterlangen braunen Haaren steht vor einem großen Fenster mit weißen Fensterrahmen. Der Körper ist dem Betrachter zugewandt. Sie fasst sich mit der rechten Hand an den Kopf. Der linke Arme ist leicht ausgestreckt, als würde sie Halt suchen.

© iStock / AndreyPopov

Was ist das Posturale Tachykardiesyndrom (POTS)?

Beim Posturalen Tachykardiesyndrom steigt die Herzfrequenz nach dem Aufstehen aus dem Liegen sehr schnell an. Daher der Name – „Tachykardie“ bezeichnet einen beschleunigten Herzrhythmus und „postural“ verweist in der Medizin auf Phänomene, die mit der Körperhaltung (abgeleitet vom englischen Wort posture) zusammenhängen. Bei POTS (meistens wird nur diese Abkürzung benutzt) geht es also um eine erhöhte Herzfrequenz in aufrechter Körperhaltung.

Fachleute sprechen von POTS, wenn innerhalb von maximal 10 Minuten nach dem Aufstehen der Puls um 30 Schläge pro Minute gegenüber der Normalfrequenz oder auf über 120 Schläge pro Minute ansteigt. Charakteristisch für POTS ist außerdem, dass sich der Blutdruck dabei nicht oder nur geringfügig verändert. Das unterscheidet POTS von dem Orthostase-Syndrom, bei dem es beim Wechsel von der Rückenlage in die aufrechte Position zu einem Blutdruckabfall kommt.

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Häufige Symptome bei POTS

Hauptsymptom ist der spürbar erhöhte Puls nach dem Aufrichten. Weitere mögliche akute Symptome in den ersten Minuten nach dem Aufstehen sind:

  • Schwindel
  • Benommenheit
  • Schwächegefühl
  • Kurzatmigkeit
  • Zuckungen oder Zittern
  • Schwitzen
  • Brustschmerzen
  • Kopfschmerzen
  • Übelkeit
  • Angstempfinden
  • Lichtempfindlichkeit
  • Sehstörungen

Das Krankheitsbild des POTS ist sehr individuell. Manche Menschen mit POTS spüren nur einen leichten Schwindel ohne weitere Symptome, während bei anderen das Alltagsleben erheblich eingeschränkt ist. Häufig sind die Symptome morgens ausgeprägter, manchmal ändern sie sich von Tag zu Tag.

Akute Symptome wie Schwindel und Benommenheit verschwinden in der Regel, wenn sich die Betroffenen wieder hinlegen. Darüber hinaus gibt es mögliche dauerhafte Begleitsymptome, die aufgrund der sich wiederholenden POTS-Episoden entstehen:

  • Müdigkeit und Schlafstörungen
  • geringe Belastbarkeit
  • Konzentrationsprobleme
  • Magen- und Verdauungsprobleme

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Mögliche Ursachen von POTS

Wie es zu einem POTS kommt, ist nicht genau geklärt. Fachleute vermuten, dass Störungen in der Hormonproduktion und -aufnahme (neuroendokrine Dysfunktion), des autonomen (vegetativen) Nervensystems oder Autoimmunerkrankungen für das POTS verantwortlich sind. Das vegetative Nervensystem reguliert alle Vorgänge im Körper, die nicht willentlich gesteuert werden – wie Atmung, Verdauung oder Herzschlag. Außerdem können chronische Schmerzen eine Rolle spielen. Diese führen oft zu einem Schonverhalten mit einer Verminderung der körperlichen Leistungsfähigkeit (Dekonditionierung), von der auch das Herz betroffen sein kann.

Im Liegen fällt es dem Körper leicht, alle Regionen gleichmäßig zu durchbluten und mit Sauerstoff und Nährstoffen zu versorgen. Wenn wir aufstehen, muss sich der Blutkreislauf so umstellen, dass die oberen Körperbereiche immer noch ausreichend versorgt sind. Deswegen sorgen Nervensignale dafür, dass das Herz schneller schlägt und die Blutgefäße in den Beinen sich verengen. Bei einem POTS ist diese Verengung nicht stark genug. Die Folge: Im Oberkörper kommt zu wenig Blut an und das Herz wird angeregt, noch schneller zu schlagen, wodurch die Durchblutung im Oberkörper verbessert werden soll. Dadurch erhöht sich das Herzzeitvolumen, das heißt, das Herz pumpt das Blut schneller in den Kreislauf. Aber trotz dieser Gegenregulation kommt es zu den oben beschriebenen Symptomen.

Der konkrete Auslöser bleibt oft unbekannt

POTS beginnt oft nach einer Schwangerschaft, einer größeren Operation, einer Verletzung oder einer Viruserkrankung. Generell gibt es bei POTS aber noch viele unbeantwortete Fragen – und was im jeweiligen Einzelfall bei Menschen mit POTS die Störung der Durchblutung auslöst, lässt sich oft nicht ermitteln. Auch eine COVID-19-Infektion kann ein POTS auslösen. Beim Long-COVID-Syndrom gilt das POTS als wichtiger Krankheitsbestandteil.

POTS als Folgeerkrankung

Es gibt einige Krankheiten, bei denen Fachleute vermuten, dass sie POTS begünstigen. In solchen Fällen könnte das POTS die Folge einer schon zuvor bestehenden Erkrankung sein. Man spricht dann von sekundärem POTS. Das Gegenteil davon, wenn also keine solche Grunderkrankung vorliegt, ist das primäre POTS.

Zu den Krankheiten, die im Verdacht stehen, POTS zu begünstigen, gehören:

  • Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus
  • Erkrankungen des Nervensystems, zum Beispiel das Bradbury-Egglestone-Syndrom
  • das Ehler-Danlos-Syndrom, eine erbliche Bindegewebserkrankung, bei der es zu Störungen der Kollagenbildung kommt

Wer ist hauptsächlich von POTS betroffen?

Prinzipiell kann es bei jedem Menschen in jedem Alter zu POTS kommen, am häufigsten sind jedoch Frauen im Alter zwischen 15 und 50 Jahren betroffen. Das Verhältnis von Frauen zu Männern beträgt 5:1. Einige Frauen mit POTS berichten von einer Zunahme der Episoden unmittelbar vor der Menstruation.

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Wie wird POTS diagnostiziert?

Wiederkehrende Probleme beim Aufstehen wie Schwindel oder Benommenheit sollten ärztlich abgeklärt werden. Beim POTS ist ein ausführliches ärztliches Gespräch (Anamnese) für die Diagnose besonders wichtig, um Hinweise auf zugrunde liegende Erkrankungen zu finden. Das POTS muss außerdem von Krankheiten mit ähnlichen Symptomen abgegrenzt werden. POTS und das Orthostase-Syndrom haben zum Beispiel sehr ähnliche Symptome. Hier ist es jedoch ein Abfall des Blutdrucks der Auslöser. Und wenn ein POTS mit Angstsymptomen einhergeht, könnte es als Angststörung fehlinterpretiert werden.

Die ärztliche Untersuchung kann folgende Schritte umfassen:

  • Puls- und Blutdruckmessung im Liegen und im Stehen (Wenn der Blutdruck im Stehen sinkt, handelt es sich eher nicht um das POTS, aber womöglich um das Orthostase-Syndrom.)
  • Bei der POTS-Diagnose kommt manchmal auch ein sogenannter Kipptisch zum Einsatz: Für die Kipptischuntersuchung werden Patienten und Patientinnen auf einer kippbaren Liege mit Haltegurten gesichert. Wenn die Liege langsam von der Horizontale in die Vertikale fährt, lassen sich beim Positionswechsel Puls und Blutdruck kontinuierlich messen.
  • Elektrokardiogramm (EKG) zur Messung der Herzströme

Behandlungsmöglichkeiten und Therapieansätze

Stellt sich bei der ärztlichen Untersuchung heraus, dass eine zugrunde liegende Erkrankung vorliegt, geht es in erster Linie darum, diese Grunderkrankung zu behandeln. Die Therapie des POTS selbst zielt darauf ab, den Blutkreislauf zu verbessern. Erste Maßnahmen sind Anpassungen des Lebensstils:

  • Trinken Sie viel (zwei bis drei Liter Flüssigkeit täglich).
  • Nehmen Sie mehrere kleine statt weniger großer Mahlzeiten zu sich und reduzieren Sie sogenannte raffinierte Kohlenhydrate (wie zum Beispiel in Weißbrot – Vollkorn ist besser).
  • Nehmen Sie täglich ungefähr zehn Gramm Salz mit den Mahlzeiten auf.
  • Schränken Sie übermäßige Bettruhe und Liegephasen ein.
  • Vermeiden Sie langes Stehen und Überhitzung.
  • Erheben Sie sich beim Aufstehen nur langsam.
  • Reduzieren Sie Ihren Alkoholkonsum und rauchen Sie nicht.

Warum hilft Salz bei POTS?

Nahaufnahme einer nicht erkennbaren Frau, die in einer Küche hinter dem Herd steht und aufgeschlagene rohe Eier salzt.

© iStock / dusanpetkovic

Salz in der Nahrung bindet Wasser im Körper. Dadurch erhöht sich die Blutmenge und der Druck in den Blutgefäßen steigt. Die Folge ist ein erhöhter Blutdruck.

Bluthochdruck steigert das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Deswegen sollten wir unsere Salzzufuhr eigentlich reduzieren. Bei Menschen mit einem POTS hingegen kann eine erhöhte Aufnahme von Salz und ein damit erhöhtes Blutvolumen dazu beitragen, den Kreislauf zu stabilisieren und den Puls nach dem Aufstehen zu senken. Salz unterstützt jedoch nur die Linderung der Beschwerden, es beseitigt sie nicht. Ein Mehr an Salz kann daher nur Teil eines umfassenden Therapiekonzeptes sein.

Eine häufige Empfehlung ist außerdem ein körperliches Trainingsprogramm, das an die individuelle Belastbarkeit angepasst ist und dessen Intensität langsam gesteigert wird. Mit den Übungen wird oft in Rückenlage begonnen. Zur Pulssenkung kann außerdem ein regelmäßiges Ausdauertrainingbeitragen, sofern der Gesundheitszustand dies zulässt. Um den Blutrückfluss in die Beine zu verringern, können Kompressionstrümpfe sinnvoll sein.

Oft verringern oder mildern solche allgemeinen Maßnahmen die POTS-Episoden. Sollte dies nicht gelingen, können Ärzte verschiedene Medikamente in einem individuellen Heilsversuch nutzen – ein speziell für POTS zugelassenes Medikament gibt es allerdings nicht:

Bei vielen Betroffenen legen sich die Beschwerden nach einer Anpassung des Lebensstils innerhalb von ein bis drei Jahren von selbst. Ist dies nicht der Fall, lässt sich die Krankheit in vielen Fällen durch eine Kombination aus Lebensstiländerung, Training und medikamentöser Behandlung erfolgreich behandeln. Die Behandlungskonzepte können auch zu einer Verschlechterung der Beschwerden führen, deshalb wenden sie sich bitte an ihre Ärztin oder ihren Arzt, um das weitere Vorgehen zu besprechen.

Was tun bei einer akuten POTS-Episode?

Wenn Sie sich nach dem Aufstehen plötzlich schwach oder schwindelig fühlen, ist es am besten, wenn Sie sich wieder hinlegen und die Beine hochlagern.

Wenn Sie sich nicht hinlegen können, versuchen Sie Folgendes, um die Beschwerden zu lindern:

  • Kreuzen Sie die Beine im Stehen.
  • Schaukeln Sie auf den Zehenspitzen auf und ab.
  • Spannen Sie Ihre Gesäß- und Bauchmuskeln an.
  • Ballen Sie die Fäuste.

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