Herz & Kreislauf
Wolff-Parkinson-White (WPW)-Syndrom: Eine Leitung zu viel im Herzen
Veröffentlicht am:24.11.2023
4 Minuten Lesedauer
Anfallsweise schneller Herzschlag kennzeichnet das Wolff-Parkinson-White-Syndrom. Ursache ist eine Fehlleitung elektrischer Impulse über eine zusätzliche Leitungsbahn im Herzen. Die Krankheit lässt sich in der Regel erfolgreich behandeln.
Was ist das Wolff-Parkinson-White-Syndrom?
Das Wolff-Parkinson-White-Syndrom (abgekürzt WPW-Syndrom) ist eine angeborene Herzrhythmusstörung (Arrhythmie). Menschen mit WPW-Syndrom haben eine zusätzliche Leitungsbahn (selten mehrere) für elektrische Impulse zwischen den beiden Herzvorhöfen und Herzkammern. Diese Impulse, die den Herzrhythmus steuern, können so den üblichen Weg umgehen. Das Phänomen ist mit einem Kurzschluss in einem elektrischen Kreislauf vergleichbar und kann zu plötzlich einsetzender erhöhter Herzfrequenz führen.
So wird der Herzrhythmus gesteuert
Beim Herzschlag ziehen sich Muskelzellen im Herzen nach einem elektrischen Impuls zusammen. Die Impulse erzeugt das Herz selbst mit spezialisierten Herzmuskelzellen. In der Medizin heißt das Erregungsbildung.
Die Reihenfolge der Impulse ist koordiniert und sie werden schnell weitergeleitet, damit sich die beteiligten Herzmuskelzellen koordiniert zusammenziehen: zunächst in den Herzvorhöfen, von wo das Blut in die Herzkammern gepumpt wird, dann in den Herzkammern, die das Blut in den großen Körperkreislauf (linke Kammer) bzw. in den Lungenkreislauf (rechte Kammer) pumpen.
Der Haupttaktgeber im Erregungsleitsystem des Herzens ist der Sinusknoten im rechten Herzvorhof. Im Ruhezustand gibt der Sinusknoten etwa 60 bis 80 Impulse pro Minute ab. Die Impulse breiten sich im Vorhof aus und werden von einem Knotenpunkt zwischen Vorhöfen und Kammern an das sogenannte His-Bündel an Muskelfasern in den Herzkammern weitergegeben. Dieser Knoten heißt Atrio-Ventrikular-Knoten (AV-Knoten; Atrium = Vorhof, Ventriculum = Kammer). Nach dem Herzschlag entspannen sich die Muskelzellen wieder bis zum nächsten Impuls.
Wenn das Erregungsleitungssystem nicht richtig funktioniert, kommt es zu unterschiedlichen Formen der Herzrhythmusstörungen.
Was passiert beim WPW-Syndrom
Die zusätzliche Leitungsbahn beim WPW-Syndrom beginnt im Vorhof und umgeht den AV-Knoten. Die Impulse kommen schneller in der Herzkammer an und lösen eine frühzeitigere Muskelkontraktion aus.
Außerdem gelangt der Impuls zurück in den Vorhof und über den AV-Knoten erneut in die Herzkammern, wo er einen zusätzlichen Herzschlag auslöst. Empfunden werden diese Extraschläge als Herzstolpern (Extrasystole) oder als Herzrasen (Tachykardie).
Wie häufig und wie gefährlich ist das WPW-Syndrom?
Das WPW-Syndrom ist selten und kommt bei 0,1-0,3 Prozent der Bevölkerung vor. Die Schätzung ist schwierig, weil die Betroffenen häufig keinerlei Anzeichen auf eine Herzerkrankung aufweisen. In solchen Fällen wird manchmal ein WPW-Syndrom bei einem Elektrokardiogramm (EKG) zufällig entdeckt. Auch nur gelegentliche und leichte Episoden von Herzklopfen oder -rasen werden häufig nicht weiter abgeklärt, weil die Betroffenen keinen Leidensdruck verspüren und keine ärztliche Abklärung anfragen.
Lebensbedrohlich in Verbindung mit Vorhofflimmern
Das WPW-Syndrom begünstig das Entstehen von Vorhofflattern oder Vorhofflimmern. Durch kreisende Erregungen im Vorhof kommt der Muskel nicht mehr zu Ruhe und flimmert unkontrolliert weiter. Die Extra-Leitungsbahn zu den Herzkammern gibt die Erregungen weiter und das Flimmern überträgt sich auf die Herzkammern. Die Folge sind schwerwiegende Herzrhythmustörungen in den Herzkammern (Kammertachykardie und Kammerflimmern) bis hin zum plötzlichen Herzstillstand.
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Wie äußert sich ein WPW-Syndrom und wie wird es festgestellt?
Wenn die zusätzliche Leitungsbahn im Herzen keine Beschwerden verursacht, bleibt ein WPW-Syndrom oft unbemerkt. Treten Symptome auf, dann häufig bei körperlicher Anstrengung oder Stress.
Hauptsymptome sind:
- starkes Herzklopfen
- Herzrasen
Beides tritt anfallartig auf, kann Sekunden, Minuten oder Stunden anhalten und hört abrupt wieder auf.
Mögliche Begleitsymptome sind:
- Schwindel
- Kurzatmigkeit
- Brustschmerzen
- Ohnmacht
Wenn Sie einen schnellen oder verstärkten Herzschlag verspüren, ist es wichtig, sich untersuchen zu lassen. Wenn Ihr Hausarzt oder Ihre Hausärztin eine Herzrhythmusstörung wie das WPW-Syndrom vermutet, werden Sie an eine kardiologische Praxis überwiesen.
Ein WPW-Syndrom lässt sich nicht durch Abhören des Herzens erkennen. Die entscheidende Untersuchung ist das EKG. Beim WPW-Syndrom zeichnet das EKG oft ein typisches Muster auf, das bei Menschen ohne diese Erkrankung normalerweise nicht auftritt. Bei rund zwanzig bis dreißig Prozent der Betroffenen ist das EKG allerdings unauffällig. Das Fehlen eines WPW-Musters schließt das Syndrom also nicht aus. In solchen Fällen ist die zusätzliche Leitungsbahn im EKG nur während einer Herzrasen-Episode erkennbar. Dann hilft ein tragbarer Langzeit-EKG-Rekorder, der über einige Tage getragen wird, um auch den Herzrhythmus während der Episode aufzuzeichnen.
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Wie wird ein WPW-Syndrom behandelt?
Bei einem WPW-Syndrom mit nur milden und gelegentlichen Symptomen, die von selbst abklingen, ist eine Behandlung nicht notwendig – wohl aber eine regelmäßige ärztliche Kontrolle.
Ansonsten ist zwischen der Behandlung akuter Episoden von Herzklopfen oder -rasen und einer langfristigen WPW-Syndrom-Therapie zu unterscheiden.
Akute Maßnahmen sind:
- Vagusmanöver: Techniken zur Stimulation des Vagusnervs, der über Botenstoffe die Impulse im Herzen verlangsamt. Ein Beispiel ist das „Valsalva-Manöver“, bei dem man sich die Nase zuhält, den Mund schließt und kräftig ausatmet.
- Medikamente zur Verringerung der Herzfrequenz, zum Beispiel Adenosin.
Zur langfristigen Therapie, um Herzrasen und die damit verbundenen Risiken zukünftig zu vermeiden, verschreiben Kardiologen und Kardiologinnen manchmal spezielle Betablocker (sogenannte Antiarrhythmika). Die häufigste Behandlungsmethode des WPW-Syndroms ist jedoch die Katheterablation: ein minimalinvasiver Eingriff über einen Herzkatheter mit einer Erfolgsrate von über 90 Prozent.
Eine Katheterablation anlysiert zum einen zusätzliche Leitungsbahnen anhand der elektrischen Aktivität des Herzen und kann während der Untersuchung gezielt die zusätzliche(n) Leitungsbahn(en) mit elektrischen Wellen veröden. Dadurch gelangen die Impulse nicht mehr am AV-Knoten vorbei zu den Herzkammern.
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