Immunsystem
Grippe oder Erkältung – das ist der Unterschied
Veröffentlicht am:12.01.2022
5 Minuten Lesedauer
Ärzte unterscheiden zwischen mehr als 200 Viren, die eine Erkältung auslösen können, für die Grippe dagegen ist nur einer verantwortlich. Woher weiß ich, welcher mich befallen hat? Und wie kann ich mich schützen? Prof. Scherer kennt die Antworten.
Inhalte im Überblick
- Wie unterscheiden sich die Symptome von einer Grippe und einer Erkältung?
- Was ist der häufigste Infektionsweg und welche Rolle spielt die Kälte dabei?
- Wie verhalte ich mich bei einer Grippe, wie bei einer Erkältung?
- Wie lässt sich einer Grippe oder einer Erkältung vorbeugen?
- Wie sinnvoll ist eine Grippeimpfung?
Grippe, Erkältung oder vielleicht doch ein grippaler Infekt? In vielen Haushalten werden diese Begriffe fast synonym verwendet. Dabei besteht ein entscheidender Unterschied – zumindest zwischen zwei der drei Begriffe.
Professor Martin Scherer ist Facharzt für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Im Interview erklärt er den wesentlichen Unterschied zwischen den Krankheiten, wie Sie ihn erkennen und warum Corona bei der Ermittlung der Krankheiten nicht mehr außen vor gelassen werden kann.
Wie unterscheiden sich die Symptome von einer Grippe und einer Erkältung?
Eine Grippe und eine Erkältung lassen sich anhand ihrer Symptome sehr gut auseinanderhalten:
- Bei der Grippe setzen die Symptome sehr plötzlich und sehr heftig ein. Man fühlt sich wie von einem Zug überfahren: Halsschmerzen, Kopf- und Gliederschmerzen, Abgeschlagenheit eventuell auch hohes Fieber. Man möchte eigentlich nur noch ins Bett.
- Eine Erkältung schleppt sich so dahin. Da geht es zum Beispiel mit Halsschmerzen los, vielleicht Kopf- und Gliederschmerzen, aber in einer viel schwächeren Ausprägung als bei einer Grippe. Fieber tritt nur sehr selten auf.
Im Grunde hat es sich all die Jahre auf diese beiden Krankheiten – Erkältung oder Grippe – reduziert: Hunderte von unterschiedlichen Viren, die einen grippalen Infekt, die sogenannte Erkältung auslösen, und das Influenzavirus mit seinen paar Subtypen, das die Grippe auslöst. Leider kann man Covid-19 nicht außen vor lassen.
Wie erschwert Corona die Diagnose?
Das Problem hier ist, dass dieses Virus sich wie ein Chamäleon verhält und sich symptomatisch gar nicht einordnen lässt. Die Symptome können so schleppend kommen wie bei einer Erkältung, aber auch so schlagartig wie bei einer Grippe. Sie können aber auch ganz anders verlaufen. Es gibt also keine Symptome, an denen wir Corona festmachen können. Natürlich gibt es den oft beschriebenen Verlust des Geschmacks- und Geruchssinns, aber die Abwesenheit dieser Symptome ist immer noch kein Beleg dafür, dass es kein Covid-19 ist. Deshalb brauchen wir da immer einen Test.
Wie lange dauert eine Erkältung, wie lange dauert eine Grippe und wie lange bin ich infektiös?
Sowohl bei der Grippe als auch bei einer Erkältung kann man in etwa von einer Krankheitsdauer von sieben bis zehn Tagen ausgehen. Die Infektiosität lässt sich nicht so genau festlegen. Die Faustregel ist: Im Stadium der akuten Erkrankung und wenn die Krankheitssymptome da sind, dann ist die Viruslast in der Regel am höchsten und dann ist man auch ansteckend.
Bei Corona ist das wiederum etwas anders. Labordaten legen nahe, dass die Infektiosität zwei Tage vor Symptombeginn am höchsten ist und im Laufe der Krankheit abnimmt.
„Überall, wo Menschen auf engem Raum sind, ist die Gefahr einer Ansteckung am größten.“
Univ.-Prof. Dr. med. Martin Scherer
Facharzt für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Was ist der häufigste Infektionsweg und welche Rolle spielt die Kälte dabei?
In beiden Fällen ist die Tröpfcheninfektionen die häufigste Übertragungsform. Also indem die Krankheitserreger vom Infizierten über Husten, Niesen oder Sprechen an Menschen in der nahen Umgebung direkt übertragen werden, oder indirekt, indem Aerosole durch die Luft schweben und von Personen eingeatmet werden.
In der kalten Jahreszeit ist es so, dass Menschen sich einfach mehr drinnen aufhalten – in geheizten und trockenen Räumen mit wenig Luftzirkulation und eng beieinander. Dann können sich Aerosole auch leichter ausbreiten. Dadurch ist die Ansteckungsgefahr einfach größer. Das ist einer der Hauptgründe, warum es in der kalten Jahreszeit mehr Erkältungs- und Grippefälle gibt. Dazu die ganzen Weihnachts- und Neujahrsfeiern, wo man allen die Hand gibt oder sich umarmt. Überall, wo Menschen auf engem Raum sind, ist die Gefahr einer Ansteckung am größten. Die Kälte selbst hat nicht wirklich was damit zu tun. Das Wort Erkältung kommt eher daher, dass Menschen, die leicht angeschlagen sind, einfach mehr zum Frösteln neigen.
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Wie verhalte ich mich bei einer Grippe, wie bei einer Erkältung?
Wer sich krank fühlt, und damit meine ich mehr als nur einen Schnupfen, sollte den Hausarzt konsultieren. Die Betroffenen sollten aber nicht direkt zum Arzt rennen, sondern erst anrufen, da im Augenblick viele Praxen Infekt-Sprechstunden anbieten. Häufig kann direkt über das Telefon oder über eine Videosprechstunde die Diagnose gestellt werden. Sollten Sie sich tatsächlich eine Krankheit eingefangen haben, gilt: auf jeden Fall zu Hause bleiben. Durch Corona ist das wichtiger denn je.
Wie unterscheidet sich die Therapie?
Die Therapie ist bei beiden Krankheiten symptomatisch. Das heißt, es gibt keine klassischen Medikamente, sondern die Symptome der Patienten werden so behandelt, wie sie kommen. Der eine hat beispielsweise einen starken Schnupfen und bekommt dann ein Nasenspray, ein anderer braucht etwas gegen Halsschmerzen und wieder andere brauchen gar keine Medikamente. Jedes Immunsystem ist anders. Allgemeine Maßnahmen, die man immer treffen kann, sind viel Flüssigkeitszufuhr und, wenn nötig, fiebersenkende Maßnahmen wie ein Wadenwickel oder ein feuchter, lauwarmer Waschlappen auf der Stirn.
„Am effektivsten gegen die Krankheiten ist eine gesunde Lebensweise und die AHA-Regel – Abstand, Hygiene und seit Corona Alltag mit Maske.“
Univ.-Prof. Dr. med. Martin Scherer
Facharzt für Allgemeinmedizin an der Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Wie lässt sich einer Grippe oder einer Erkältung vorbeugen?
Am effektivsten ist die AHA-Regel – Abstand, Hygiene, Alltag mit Maske. Die Maske ist jetzt natürlich wegen Corona dazugekommen, aber gegen Erkältung und Grippe kommt man sehr gut mit Hygiene, also zum Beispiel regelmäßigem und ordentlichem Händewaschen, und Abstand an. Auch frische Luft und das Sonnenlicht, eine gesunde Ernährung, Sport, ausreichend Schlaf und Stressreduktion sind Faktoren, die das Immunsystem positiv beeinflussen. Eine gesunde und ausgewogene Lebensweise hilft also auch.
Wie sinnvoll ist eine Grippeimpfung?
Sehr sinnvoll. Gerade im Augenblick. Es ist wichtig, allgemeine Erkrankungszahlen zu reduzieren, um das Gesundheitssystem weniger zu belasten. Bei Erkältungs- und Grippefällen steht dieses Jahr immer im Raum: Ist es vielleicht Covid-19? Darum müssen die Patienten getestet werden und in Quarantäne. Der Aufwand ist heute ein viel größerer als in vergangenen Jahren. Um Engpässe bei der Versorgung mit Impfstoffen zu umgehen, werden Risikogruppen mit Vorrang behandelt.
Wer gehört zu den Risikogruppen?
Die chronisch Kranken, die Älteren ab 60, Schwangere und das medizinische Personal. Auch bei Kindern und Jugendlichen ist eine Impfung sinnvoll. Die Wirksamkeit ist sogar höher als bei Erwachsenen. In Kitas und Schulen ist die Übertragung der Grippe ein großes Thema.
Wie lange hält eine Grippeimpfung und wie hoch ist die Wirksamkeit?
Eine Impfung hält eine Saison, da das Influenza-Virus sich sehr stark verändert. Jedes Jahr muss ein neuer Impfstoff hergestellt werden. Darum schwankt die Wirksamkeit von Jahr zu Jahr. Man sagt, dass die Grippeimpfung einen Schutz von ungefähr 50 Prozent hat.
Lohnt sich eine Impfung auch nach der Hauptsaison?
Die beste Zeit ist Oktober und November. Grundsätzlich kann man sich auch danach noch impfen lassen, die Grippesaison geht schließlich bis März, manchmal sogar bis April. Aber natürlich besteht die Gefahr, dass man sich dann vorher die Grippe einfängt.