Immunsystem
Impfungen für Kinder: Die Geschichte zeigt, wie wichtig sie sind
Veröffentlicht am:10.05.2022
6 Minuten Lesedauer
Eltern sind Impfungen für Kinder gegenüber manchmal skeptisch. Die Vergangenheit hat jedoch gezeigt, wie viel Gutes sie bewirken können: Viele Krankheiten sind inzwischen nahezu ausgerottet – dank der Grundimmunisierung im Kindesalter.
Impfungen für Kinder rotten Krankheitserreger aus
Impfungen im Kindesalter zählen zu den wichtigsten Errungenschaften der Medizin. Die Impfungen im frühen Alter sind in der deutschen Bevölkerung in hohem Maße akzeptiert. Ergebnisse von Schuleingangsuntersuchungen zeigen: Rund 95 Prozent der Erstklässler haben die wesentlichen Impfungen erhalten. In den letzten Jahrzehnten ist die Kinderimpfung Normalität geworden und wurde nur noch selten hinterfragt. Im Rahmen der Diskussionen um Wirkung und Nebenwirkungen der Corona-Impfung für Kinder, rückt die Thematik Kinderimpfung wieder vermehrt in das öffentliche Blickfeld. Eltern fragen sich: Soll ich mein Kind gegen Corona impfen lassen? Wie funktioniert eine Kinderimpfung? Welche Impfungen empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) für mein Baby?
Wer einen Blick in die Vergangenheit wagt, lernt schnell: Impfungen haben ohne Zweifel das Leben von Millionen Menschen gerettet. Ob es sich um Pocken, Kinderlähmung (Poliomyelitis), Masern oder Mumps handelt: Viele lebensgefährliche, hoch ansteckende Infektionskrankheiten haben durch eine Impfung im Kindesalter ihren Schrecken verloren. Werden in einer Region sehr viele Menschen geimpft, lassen sich einzelne Krankheitserreger regional eliminieren und schließlich weltweit auslöschen. 1979 konnte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Welt für pockenfrei erklären. Europa gilt als frei von der Kinderlähmung. Viele andere schwere Erkrankungen wie Masern sind nach einer Impfung nicht mehr so gefährlich.
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Wie funktioniert eine Impfung?
Bei der Impfung wird der Körper mit einer abgeschwächten Form eines Erregern in Kontakt gebracht. Die Impfstoffe können einen noch lebenden Erreger (Lebendimpfstoff), einen abgetöteten Erreger (Totimpfstoff) oder nur einzelne Bestandteile des Erregers enthalten. Alle diese Erreger in den Impfstoffen wurden durch spezielle Zucht, Bestrahlung oder chemische Behandlung geschwächt, getötet oder im Beispiel einzelner Erregerbestandteile gentechnisch hergestellt. Eine Erkrankung können sie nicht mehr auslösen.
Die Immunabwehr reagiert auf die veränderten Erreger in den Impfstoffen wie auf echte Erreger und produziert die passenden Antikörper. Durch die mehrfachen Impfdosen baut der Körper ein Antikörper-Gedächtnis auf. Im Fall einer Infektion kommt es somit nicht zu einer Erkrankung, sondern der Körper kann mit den bereits vorhandenen Antikörpern den Erreger erfolgreich bekämpfen.
Impftermine für Kinder, Jugendliche und Erwachsene
Grundsätzlich werden die meisten Impfungen bei Säuglingen und Kleinkindern durchgeführt. So sind diese möglichst früh vor einer Ansteckung mit den meist hoch infektiösen Erkrankungen geschützt. Es gibt aber auch wichtige Impftermine für Jugendliche und Erwachsene. Eine Übersicht über die empfohlenen Standardimpfungen für alle Altersgruppen gibt der Impfkalender der STIKO. Die Kosten für diese empfohlenen Impfungen trägt Ihre Krankenkasse.
Seit wann gibt es Impfungen?
Impfungen wurden bereits im 18. Jahrhundert durchgeführt. Die erste wissenschaftliche Veröffentlichung, die belegt, dass eine Impfung tatsächlich wirkt, gab es Ende des 18. Jahrhunderts. Damals verabreichte der englische Landarzt Edward Jenner einem Jungen Material aus einer menschlichen Kuhpockenpustel. Der Junge entwickelte leichtes Fieber. Wochen später überprüfte Jenner seinen Versuch und infizierte den Jungen künstlich mit Menschenpocken, an denen das Kind nicht erkrankte. Jenner sah sich von der Wirksamkeit seines Impfstoffs bestätigt und veröffentlichte 1798 seine Entdeckung. Er wurde schnell berühmt und ging in die Annalen der Medizingeschichte ein. Heute wäre eine solche Vorgehensweise natürlich nicht mehr vorstellbar.
Der riskante Versuch Jenners löste eine heftige Kontroverse über Impfungen aus. Kritiker befürchteten, dass durch Impfungen andere Erkrankungen übertragen werden könnten – oder sie glaubten, dass Impfungen ohnehin nicht helfen. Zudem haben Menschen Impfungen aus religiösen Gründen abgelehnt. Doch die Skeptiker blieben in der Minderheit. Anfang des 19. Jahrhunderts gab es in Europa eine regelrechte Impfeuphorie. Viele Mediziner hofften, Impfungen könnten die Bevölkerung endlich von verschiedenen bedrohlichen Seuchen befreien. Zum Teil haben sich diese Hoffnungen bewahrheitet.
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Tuberkulose im Griff
Erster Hoffnungsträger war der Impfstoff „Tuberkulin“. Der deutsche Mediziner und Mikrobiologe Robert Koch (1843–1910) hatte ihn Anfang der 1890er-Jahre entdeckt und vermutet, dass die Mischung aus abgeschwächten Tuberkelbazillen mit Glycerin und Wasser als Impfstoff gegen Tuberkulose taugen könnte. Das bestätigte sich nicht. Für die Entdeckung des Tuberkulose-Erregers erhielt Koch zwar den Nobelpreis, eine wirksame Impfung wurde aber erst im 20. Jahrhundert entwickelt. Inzwischen ist die Fallzahl in Deutschland so niedrig, dass die STIKO eine generelle Impfung gegen Tuberkulose nicht mehr empfiehlt.
Tollwut-Impfung hilft selbst nach einer Infektion
Ein weiterer Meilenstein der Entwicklung der Kinderimpfung war eine gewagte Tat von Louis Pasteur. Der französische Chemiker hatte bereits zahlreiche Tierversuche mit dem Tollwuterreger durchgeführt. Als ihm ein neunjähriger Junge vorgestellt wurde, der von einem tollwütigen Hund gebissen worden war, startete er 1885 seinen ersten Heilversuch an einem Menschen: Er verabreichte dem Jungen eine von ihm entwickelte abgeschwächte infektiöse Suspension (ein Stoffgemisch, aus einer Flüssigkeit und darin verteilten Festkörpern) aus dem Rückenmark eines Kaninchens. Der Junge erhielt mehrere Injektionen – und erkrankte nicht, obwohl er bereits gebissen worden war. Bis heute gibt es kein wirksames Medikament gegen Tollwut. Daher werden auch infizierte ungeimpfte Menschen nach einer Infektion geimpft, um den Ausbruch der sonst tödlichen Krankheit zu verhindern. Präventiv schützt aber natürlich nur die Impfung vorher.
Kinderimpfung hat Polio in Europa ausgerottet
In den 1950er-Jahren entwickelte Jonas Edward Salk einen ersten Impfstoff gegen Kinderlähmung. Später setzte sich der Impfstoff des Virologen Albert Sabin durch, der auf lebenden, aber in ihrer Aktivität abgeschwächten Polio-Viren basierte.
2002 hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ganz Europa für poliofrei erklärt. Polio-Infektionen traten jedoch noch in anderen Ländern wie Afghanistan und Pakistan auf. Bei bis zu jedem tausendsten Infizierten führte sie zu bleibenden schlaffen Lähmungen der Arm- oder Beinmuskeln. In schlimmen Fällen lähmte sie auch die Sprech-, Schluck- oder Atemmuskulatur. Da Polio wieder eingeschleppt werden könnte, sollte ein Baby im Rahmen der Grundimmunisierung gegen Polio geimpft werden.
Impfungen schützen auch vor Tetanus
Das Tetanus-Bakterium ist weltweit verbreitet. Es verbirgt sich in Gartenerde oder im Sandkasten und gelangt schon über eine kleine Wunde in den Körper. Tetanus, auch Wundstarrkrampf genannt, kann tödlich enden, aber schon Ende des 19. Jahrhunderts gab es den ersten Impfstoff. In Deutschland sind Tetanus-Erkrankungen mittlerweile äußerst selten, da diese Impfung Teil der Grundimmunisierung ist.
Diphterie durch Impfung von Kindern sehr selten
Diphterie kennt heute kaum noch jemand – im Jahr 2021 wurden dem Robert-Koch Institut 11 Fälle in Deutschland gemeldet. Ohne Impfschutz wären Infektionen mit dem bakteriellen Erreger wahrscheinlich viel häufiger. Das zeigen große Ausbrüche in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion mit mehr als 4.000 Todesopfern. Dort wurde aufgrund der gesellschaftlichen Umbrüche zu Beginn der 1990er-Jahre nur noch unzureichend geimpft. Diphterie befällt die Schleimhaut im Rachen und die Haut, im schlimmsten Fall ersticken die Patienten. Die Impfung schützt vor diesen Verläufen.
Sicherheit von Impfungen heute
Heutzutage sind zahlreiche Tests und Studien mit der Entwicklung eines neuen Impfstoffs verbunden. Die Ergebnisse dieser Studien werden von offiziellen Stellen – zum Beispiel dem Paul-Ehrlich-Institut – geprüft, bevor der Impfstoff einem Menschen verabreicht werden darf. Zudem sind die modernen Impfstoffe deutlich verträglicher. Durch Meldesysteme wird jeder Verdacht auf eine außergewöhnliche Impfreaktion erfasst und analysiert. Die Wirksamkeit eines Impfstoffes wird auch nach dessen Zulassung stets untersucht und beobachtet.
Welche Impfungen empfiehlt die STIKO für Kinder?
Die Ständige Impfkommission (STIKO) ist eine unabhängige Gruppe von Experten, die Impfempfehlungen für bestimmte Impfungen ausspricht. Sie empfiehlt, den eigenen Impfstatus und den des Kindes regelmäßig zu überprüfen. Impfungen sollten entsprechend der Empfehlungen für das jeweilige Lebensalter durchgeführt oder gegebenenfalls nachgeholt werden. Die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission sind in einem Impfkalender zusammengefasst. Die von der STIKO empfohlenen Impfungen für Säuglinge und Kleinkinder sind:
- Rotaviren
- Tetanus
- Diphertie
- Keuchhusten (Pertussis)
- Hib (Heamophilus influenzae Typ b)
- Kinderlähmung (Poliomyelitis)
- Hepatitis B
- Pneumokokken
- Meningokokken C
- Masern
- Mumps, Röteln
- Windpocken