Zum Hauptinhalt springen
AOK WortmarkeAOK Lebensbaum
Gesundheitsmagazin

Immunsystem

Bakterien und Viren: Wo liegt der Unterschied?

Veröffentlicht am:13.10.2020

6 Minuten Lesedauer

Aktualisiert am: 12.07.2023

Eines haben Bakterien und Viren gemein: Beide können unseren Organismus befallen und entscheidend schwächen. Doch wo genau liegt der Unterschied? Und welche Behandlung hilft bei welchem Infekt?

Laborantin untersucht Petrischale auf Bakterien, Viren sind mit bloßem Auge nicht sichtbar.

© iStock / D-Keine

Porträt von Prof. Dr. Jan Rupp

© UKSH

Der Direktor der Klinik für Infektiologie und Mikrobiologie des UKSH in Lübeck Prof. Dr. Jan Rupp weiß, warum wir uns bei einem Infekt schlapp, müde und irgendwie kränklich fühlen. Bakterien und Viren begegnen uns praktisch überall und werfen uns manchmal ganz schön aus der Bahn. Aber keine Sorge, nicht jeder Kontakt macht immer gleich krank. Ein starkes Immunsystem kommt mit den allermeisten Erregern ganz allein zurecht.

Was ist der Unterschied zwischen Bakterien und Viren?

Ganz grundlegend sind Viren immer auf einen Organismus als Wirt angewiesen, um sich zu vermehren. Im Gegensatz zu Bakterien, die sich zum Großteil außerhalb menschlicher Zellen vermehren. Das liegt daran, dass Viren nicht aus einer eigenen Zelle bestehen und auch keinen eigenen Stoffwechsel haben. Daher benötigen sie menschliche Zellen zur Vervielfältigung.

Wie reagiert das Immunsystem, wenn Viren und Bakterien in den Körper eindringen?

Dass Bakterien und Viren in unseren Körper gelangen, ist zunächst die Regel und nicht die Ausnahme. Deshalb kann man sich eigentlich immer nur wundern, wie gut das menschliche Immunsystem unterscheiden kann, ob eine Gefahr besteht oder nicht – und das sozusagen im Stand-by-Modus. Bakterien, die uns beispielsweise auf der Haut oder im Rachen befallen, werden als bekannt eingestuft und erstmal toleriert. Bislang unbekannte Keime stuft der Körper allerdings als bedrohlich ein. Diese werden dann mit einer intensiveren Abwehrreaktion bekämpft, häufig zu merken am Symptom Fieber.

Wie unser Körper auf Eindringlinge reagiert, hängt aber auch davon ab, wie stark der Erreger vordringt und ob er möglicherweise in der Blutbahn landet. Dann reagiert der Körper extremer, da unmittelbar Gefahr für die einzelne Organfunktion droht. Zugleich hängt es sehr vom Alter, dem Immunstatus und weiteren Faktoren der Personen ab, wie ausgeprägt die Abwehrreaktionen verlaufen. Als Beispiel: Kleinkinder machen eine Vielzahl an viralen Infektionen durch, ohne dass dies klinisch auffällt. Bei älteren Patienten rufen aber teilweise auch schwerste Infektionen wie eine Blutvergiftung (Sepsis) kein Fieber oder andere Reaktionen des Körpers mehr hervor.

Passende Artikel zum Thema

Sind virale Infekte gefährlicher als bakterielle Infekte?

Nein, das kann man prinzipiell so nicht sagen. Und auch die Gefahreneinschätzung ist durch die COVID-19-Pandemie etwas in Schieflage geraten: Klar, gerade die Viren, die über die Luft als Tröpfchen übertragen werden, haben es leichter sich zu verbreiten. Deshalb sind Viren wie SARS-CoV-2 auch in der Lage, innerhalb kurzer Zeit zu globalen Ausbrüchen zu führen. Und natürlich haben wir schlimme virusbedingte Erkrankungen wie Ebola und AIDS im Kopf, aber in der Realität eines Krankenhauses überwiegen die schweren, bakteriellen Infektionen. Sei es im Rahmen einer Sepsis oder nach einer Operation, da gibt es zahlreiche Ursachen. Durch das vermehrte Auftreten von multi-resistenten Erregern (MRE) sind die Therapiemöglichkeiten da noch limitierter.

Woran kann man erkennen, ob man einen viralen oder bakteriellen Infekt hat?

Oftmals lässt sich das anhand einzelner Symptome gar nicht festmachen, aber der Begriff eines „grippalen Infekts“ hat schon seine Berechtigung: Er wird zumeist durch Viren ausgelöst und geht einher mit Fieber, Muskel- und Gelenkschmerzen, häufig auch mit Abgeschlagenheit. Wenn sich ein Krankheitsbild hingegen rasch verschlechtert, oder auch ein zunächst trockener Husten zu eitrigem Auswurf führt, sind das Anzeichen dafür, dass Bakterien möglicherweise eine Superinfektion ausgelöst haben. Das muss dann unbedingt mit dem Arzt oder der Ärztin besprochen werden.

Arzt horcht die Lunge einer älteren Frau ab.

© iStock / Tinpixels

Wenn bei einem grippalen Infekt weitere (zum Teil schwere) Symptome hinzukommen, wie eitriger Auswurf oder Atemnot, ist eine ärztliche Untersuchung dringend angeraten.

Wie unterscheidet sich die Behandlung von bakteriellen und viralen Infekten?

Für die Behandlung der allermeisten Bakterien haben wir glücklicherweise weiterhin Antibiotika zur Verfügung – die Anwendung richtet sich dabei meist gezielt gegen einzelne Bestandteile des Bakteriums.

Bei Viren ist das schon schwieriger, da sie die menschlichen Zellen für ihre Vermehrung nutzen. Medikamente müssen daher auch erst in die menschliche Zelle gelangen. Gerade in den letzten Jahren ist es aber auch hier gelungen, gezielt Substanzen gegen viruseigene Enzyme zu entwickeln. Das führt sehr effektiv dazu, dass diese Krankheitserreger gehemmt werden können, beispielsweise bei HIV oder dem Hepatitis-C-Virus.

Passend zum Thema

Wie lange können Viren nach einer Infektion in unserem Körper verbleiben?

Das ist unterschiedlich – Extremfälle sind vielleicht zum einen Viren, die eine Darminfektion auslösen können, zum Beispiel Noroviren. Diese sind meist nur wenige Tage im Körper. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Erreger aus der Herpes-Gruppe, mit denen man sich im Kleinkindalter infiziert und die dann ein Leben lang im Körper verbleiben und immer wieder ausbrechen können.

Der Körper ist übersäht von Bakterien – wie wichtig sind sie für uns?

Durch das Feld der Mikrobiomforschung beginnen wir gerade erst richtig zu verstehen, wie wichtig Bakterien für den Menschen sind. Gerade die Vielzahl und Interaktion von Bakterien untereinander hat eine ganz wichtige Funktion im menschlichen Organismus. Das beginnt unmittelbar nach der Geburt: Die Reifung des Immunsystems und die Ausbildung eines effizienten Stoffwechsels hat für uns ein Leben lang Bedeutung. Sei es in der Ausbildung von Autoimmunerkrankungen oder chronisch-entzündlichen Erkrankungen.

Gerade deshalb weisen wir seit Jahren auch vermehrt darauf hin, wie wohl überlegt die Gabe eines Antibiotikums sein muss – gerade bei vermeintlich leichteren Infektionen. Denn man greift dadurch unmittelbar in diese Bakteriengemeinschaften ein, ohne dass man aktuell konkret weiß, welcher kurz- beziehungsweise langfristige Schaden dadurch entstehen kann.

„Gerade die Vielzahl und Interaktion von Bakterien untereinander hat eine ganz wichtige Funktion im menschlichen Organismus.“

Prof. Dr. Jan Rupp
Direktor der Klinik für Infektiologie und Mikrobiologie des UKSH in Lübeck

Was sind Krankenhauskeime und warum sind sie für uns so gefährlich?

Ganz wichtig ist, zu vermitteln, dass es sich bei Krankenhauskeimen nicht um so genannte Killerbakterien handelt, die besonders aggressiv sind und unmittelbar schneller zur Erkrankung und/oder zum Tod führen. Unter „Krankenhauskeimen“ finden sich eher die klassischen Erreger von Lungenentzündungen, Harnwegsinfektionen. Das Problem: Über die Jahre sind diese besonders resistent gegen unterschiedliche Antibiotika geworden, dadurch wird eine effiziente Behandlung erschwert und das kann den Behandlungsverlauf negativ beeinflussen.

Deshalb gibt es in den Leitlinien für Patienten mit Verdacht auf eine Infektion mit multi-resistenten Erregern besondere Therapieempfehlungen. Diese helfen zudem dabei, dass sich die Erreger nicht weiter im Krankenhaus ausbreiten.

Maßnahmen gegen Viren im Alltag

Wie lange können Bakterien und Viren auf Oberflächen überleben?

Das lässt sich nicht pauschal sagen. Es gibt sowohl bei Bakterien als auch bei Viren starke Unterschiede, was das Überleben außerhalb des Körpers und auf Oberflächen mit unterschiedlicher Beschaffenheit angeht. Wichtiger finde ich den Aspekt, dass man durch regelmäßiges Händewaschen und mit gelegentlichem Händedesinfizieren in besonders sensiblen Bereichen einen sehr guten Schutz erzielt, unabhängig davon, ob es sich um Bakterien oder Viren handelt.

Passende Artikel zum Thema

Wie können wir uns neben „Niesetikette“ und „AHA-Methode“ im Alltag gut vor Viren schützen?

Es war interessant zu beobachten, wie die Sorge vor einer SARS-CoV-2-Infektion dazu führte, dass sich viele Personen erstmals Gedanken darüber machten, wie man Virusinfektionen vermeiden kann. Dabei hatten wir in den vergangenen Jahren große Ausbrüche mit Influenza-Viren und auch Noroviren. Die AHA-Maßnahmen wären hier ebenfalls hilfreich gewesen, hätten aber in der Bevölkerung sicher keine Akzeptanz gefunden. Gründliches und regelmäßiges Händewaschen sind stets eine gute Maßnahme gegen Viren.

Waren diese Informationen hilfreich für Sie?

Noch nicht das Richtige gefunden?