Immunsystem
Was ist das Immunsystem?
Veröffentlicht am:29.01.2021
11 Minuten Lesedauer
Aktualisiert am: 22.05.2023
Unser Immunsystem ist immer da und schützt den Menschen vor Krankheiten, aber wir bemerken es erst, wenn wir krank werden. Was gehört eigentlich alles zu unserer Immunabwehr? Was schadet ihr und wie können wir sie unterstützen?
Inhalte im Überblick
- Wie ist das Immunsystem aufgebaut?
- Wo werden die Immunzellen gebildet?
- Wann und wie arbeitet das Immunsystem?
- Wie werden Antikörper gebildet?
- Merkt man, wenn das Immunsystem arbeitet?
- Warum sind Impfungen so wichtig für das Immunsystem?
- Kann das Immunsystem uns auch schaden?
- Welche Möglichkeiten gibt es, das Immunsystem zu stärken?
- Weitere Einflüsse auf das Immunsystem
Das Immunsystem ist eines der spannendsten und komplexesten Felder für die Medizin. Besonders im Rahmen der Krebsforschung ist es von großer Bedeutung. Es in seiner Gesamtheit zu verstehen, wird noch Jahrzehnte dauern, wenn es überhaupt möglich ist.
Prof. Dr. Diana Dudziak von der Deutschen Gesellschaft für Immunologie stellt den aktuellen Wissensstand über das komplexe und wichtige Abwehrsystem unseres Körpers vor.
Wie ist das Immunsystem aufgebaut?
Unser Immunsystem setzt sich im Wesentlichen aus zwei Komponenten zusammen: dem angeborenen und dem erworbenen Immunsystem, die wiederum aus Milliarden von Immunzellen bestehen.
Wichtige Immunzellen der angeborenen Abwehr sind die Makrophagen und die dendritischen Zellen, die der erworbenen Abwehr sind die T- und die B-Zellen. Gemeinsam beschützen sie uns vor Krankheitserregern wie Viren, Bakterien, Pilzen und Parasiten sowie vor Giftstoffen.
- Wie der Name schon sagt, ist das angeborene Immunsystem von Geburt an vorhanden und die erste Verteidigungslinie gegen Angriffe. Ein Bestandteil sind alle äußeren und inneren Oberflächen des menschlichen Körpers. Also die Haut, die Schleimhäute, die Lunge und der Darm, die verhindern sollen, dass Fremdkörper überhaupt in den Organismus gelangen. Geht das schief, versucht das angeborene Immunsystem die Erreger unschädlich zu machen. Es wirkt schnell, ist aber nur begrenzt wirksam. Darum hält es eine Infektion oft nur in Schach und alarmiert das erworbene Immunsystem.
- Die erworbene Immunantwort wird im Laufe des Lebens, vor allem im Kindesalter, erlernt. Sie kann spezifisch auf die Eindringlinge eingehen und Antikörper bilden. Um ihre volle Effektivität zu erreichen, benötigt die erworbene Immunantwort mehrere Tage. Allerdings kann die spezifische Abwehr sich Angreifer merken. Bei erneutem Kontakt mit einem bereits bekannten Erreger setzt die Abwehrreaktion schneller ein.
„Die erworbene Immunantwort wird im Laufe des Lebens, vor allem im Kindesalter, erlernt.“
Prof. Dr. Diana Dudziak
Deutsche Gesellschaft für Immunologie
Wo werden die Immunzellen gebildet?
Die wichtigsten Zellen des Abwehrsystems sind die unterschiedlichen weißen Blutzellen, die sogenannten Leukozyten. Sie werden im Knochenmark gebildet und vermehrt. Von dort wandern sie in weitere Organe und Gewebe des Menschen, wo sie für unterschiedliche Funktionen ausgebildet werden und zu funktionellen Immunzellen heranwachsen. Dann sind sie überall im Körper zu finden.
Nehmen wir beispielsweise die T-Zellen. Sie werden direkt über dem Herzen im Thymus ausgebildet – dafür steht übrigens auch das T im Namen. Der Thymus ist eine Art Schule für T-Zellen, denn hier lernen die T-Zellen zu unterscheiden, was körpereigen und was körperfremd ist. Genauer gesagt: Sie lernen, Körpereigenes nicht zu erkennen.
Durch eine Art Zufallsprinzip bilden sie sogenannte Rezeptoren auf ihrer Oberfläche, die T-Zell-Rezeptoren. Anschließend werden sie getestet. Die Zellen, die auf körpereigene Stoffe reagieren, sterben im Thymus. Diejenigen, die nicht reagieren, werden in den Blutkreislauf entlassen. Somit sind nur T-Zellen im Körper, die auf körperfremde Stoffe reagieren. Ob sie allerdings jemals reagieren, hängt davon ab, ob sie zufällig auf ein Antigen treffen, das zu ihrem Rezeptor passt, also eine Struktur, die als fremd erkannt wird, zum Beispiel ein Teil eines Pathogens.
Wann und wie arbeitet das Immunsystem?
Man geht davon aus, dass unser Immunsystem permanent arbeitet. Dies ist insbesondere nötig, um die Masse an täglich sterbenden Zellen im Organismus aufzuräumen, sei es, weil deren Halbwertszeit abgelaufen ist – neutrophile Immunzellen leben beispielsweise nur einen Tag – oder weil bei der Zellteilung Mutationen entstehen, die den Tod einer Zelle einleiten.
Das geschieht allerdings in einer Art Stand-by-Modus, ohne dass der Körper es mitbekommt. Richtig aktiv wird das Immunsystem erst, wenn Krankheitserreger in den Organismus gelangen, beispielsweise bei Infektionen mit Viren oder Bakterien.
Was passiert im Körper, wenn Krankheitserreger eingedrungen sind?
Wenn ein krankmachender Erreger, ein sogenanntes Pathogen, in den Organismus eindringt, erkennt das angeborene Immunsystem den Fremdkörper anhand eines Oberflächenmerkmals des Krankheitserregers, das ihn als fremd ausweist. Da die Zellen des angeborenen Immunsystems unter anderem dort sitzen, wo Pathogene überhaupt eindringen können, wie in der Haut oder den Schleimhäuten, kann es sofort reagieren.
Die Fresszellen, wie Makrophagen, fressen die Pathogene und machen sie unschädlich. Bei einer geringen Pathogenlast kann das schon ausreichen, um den Kampf zu gewinnen. Sind es jedoch zu viele, holt sich das angeborene Immunsystem das erworbene zur Hilfe.
Wie informiert es das erworbene Immunsystem?
Dafür sind unter anderem die sogenannten dendritischen Zellen zuständig. Sie sind ebenfalls dazu in der Lage, das Pathogen, infizierte Zellen oder Teile von beidem aufzunehmen. Dann beginnt ein komplizierter Prozess. Unter anderem zerkleinern die dendritischen Zellen das aufgenommene Material in kleine Stücke, die Antigene.
Zusammen mit dem Gefahrensignal, das durch die Erkennung des Pathogens hervorgerufen wird, beginnt die dendritische Zelle nicht nur in den nächstgelegenen Lymphknoten zu wandern, sondern sie signalisiert nun selbst auf ihrer Zelloberfläche und durch die Ausschüttung von Botenstoffen, dass im Körper eine Gefahr vorliegt.
Der Lymphknoten ist der einzige Ort, wo die dendritische Zelle auf eine T-Zelle, die die „Schule" im Thymus beendet hat, und damit auf das erworbene Immunsystem treffen kann. Hier präsentieren die dendritischen Zellen das Antigen wie auf einem Teller, auf den sogenannten MHC/HLA-Molekülen. Sie werden deshalb als professionelle, antigenpräsentierende Zellen definiert. Kommt jetzt zufällig die T-Zelle mit dem passenden Rezeptor vorbei, bindet sie den Komplex aus Antigen und MHC-Molekül. Je nach Art der T-Zelle entwickelt und vermehrt sich jetzt diese T-Zelle zu T-Killerzellen, die virusbefallene Körperzellen töten, oder zu T-Helferzellen, die unter anderem die Bildung von Antikörpern anregen. So wird das erworbene Immunsystem aktiviert.
Gibt es für Erreger die Möglichkeit, unbemerkt in den Körper zu kommen?
So eine Situation haben wir bei multiresistenten Bakterien. Der Staphylococcus epidermidis ist so ein Stamm. Er lebt normalerweise auf der Haut, in einer Symbiose mit dem Körper. Man nennt solche Keime kommensale Bakterien. Manche Staphylococcus epidermidis-Bakterien können jedoch auch Gene ansammeln, die das Bakterium gegen Antibiotika resistent machen.
Bei Operationen oder wenn Patienten künstlich beatmet werden, können diese antibiotikaresistenten Bakterien in das Innere des Körpers gelangen. Dort werden sie nicht erkannt, weil sie nicht als körperfremd angesehen werden. Das kann tödlich enden, weil der Körper sie nicht bekämpft und es kein wirksames Antibiotikum gibt, da sie multiresistent sind.
Strengere Hygienemaßnahmen, aber auch neue Therapiewege, die nicht ausschließlich auf Antibiotika beruhen, sind nötig, um die wahrscheinlich größte medizinische Herausforderung in der Zukunft zu meistern.
„Da Antikörper sich sehr spezifisch an bestimmte Strukturen binden, also wie ein Schloss zum Schlüssel passen, lassen sich mit ihrer Hilfe sehr effizient und gezielt wirkende Medikamente herstellen.“
Prof. Dr. Diana Dudziak
Deutsche Gesellschaft für Immunologie
Wie werden Antikörper gebildet?
Antikörper werden von den B-Zellen produziert. Jede B-Zelle kann jedoch nur eine Art Antikörper bilden. Bindet eine B-Zelle das Antigen – das kann ebenfalls das ganze Pathogen oder ein Teil davon sein – und erhält gleichzeitig von einer passenden T-Helferzelle die Information, dass sie die richtige Waffe, das heißt den passenden Antikörper besitzt, führt das letztlich zur Bildung von zahlreichen Antikörpern durch die B-Zelle.
So entstehen Tausende Antikörper pro Sekunde. Die Antikörper befestigen sich dann von allen Seiten an den Antigenen der Pathogene. So verklumpen die Erreger und werden funktionsunfähig. Zusätzlich dienen die Antikörper als Markierung, um wiederum auch von den Makrophagen, also den Fresszellen, erkannt zu werden.
Antikörper sind auch für die Medizin von großer Bedeutung. Da Antikörper sich sehr spezifisch an bestimmte Strukturen binden, also wie ein Schloss zum Schlüssel passen, lassen sich mit ihrer Hilfe sehr effizient und gezielt wirkende Medikamente herstellen, zum Beispiel in der Krebstherapie, bei der Behandlung von chronischen Erkrankungen wie der Rheumatoiden Arthritis oder einer Virusinfektion.
Merkt man, wenn das Immunsystem arbeitet?
Das ist abhängig von der Menge der Pathogene, die unser Körper bekämpft. Sind es nur wenige, kann eine Infektion unbemerkt vorübergehen. Aber je stärker beispielsweise die Viruslast ist, desto stärker leiden wir auch an Symptomen wie Husten oder Fieber. Auch Rötungen auf der Haut oder Eiter sind Reaktionen, die durch das Immunsystem gesteuert werden. Diese Symptome signalisieren sozusagen, dass unser Immunsystem arbeitet.
Das Gute ist, dass die T- und B-Zellen bei der Bekämpfung von Krankheiten sogenannte Gedächtniszellen entwickeln. Sie erinnern sich an das Pathogen, das sie einmal bekämpft haben. Bei einer wiederkehrenden Infektion desselben Erregers können sie dann deutlich schneller reagieren und die Infektion im besten Fall sogar symptomlos beseitigen. Wir nennen das Gedächtnisantwort. Aus diesem Grund ist es auch so wichtig, sich impfen zu lassen.
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Warum sind Impfungen so wichtig für das Immunsystem?
Bei einer Impfung erhält der Körper entweder abgeschwächte Krankheitserreger, die keine Erkrankung mehr verursachen können, oder einzelne Proteine des Erregers. So wird eine Entzündungsreaktion nachgespielt, durch die das Immunsystem Antikörper und Gedächtniszellen bildet.
Damit ist das Immunsystem vorbereitet für den Fall, dass der richtige Krankheitserreger in den Organismus eindringt. Die Gedächtniszellen bleiben ein Leben lang erhalten. Deshalb konnten bereits ganze Krankheiten in Europa ausgerottet werden, wie Kinderlähmung, die Pocken oder Tetanus.
Ein Leben lang? Wieso müssen Impfungen dann aufgefrischt werden?
Um das zu beantworten, muss man wissen, dass es sogenannte Lebend- und Totimpfstoffe gibt:
- Lebendimpfstoffe enthalten vermehrungsfähige Erreger in abgeschwächter Form, zum Beispiel Mumps oder Masern. Diese Impfungen sind sehr effizient, eine Impfung reicht in der Regel für das ganze Leben.
- Totimpfstoffe bestehen aus toten Pathogenen oder Pathogenbestandteilen (Keuchhusten, Hepatitis A und B) oder können auch toxoide Stoffe, zum Beispiel Tetanus oder Diphtherie, sein, die sich nicht mehr im Körper vermehren können. Seit Neuestem wissen wir, dass auch mRNA zur Impfung verwendet werden kann, wie zum Beispiel bei einigen der Impfstoffe gegen SARS-CoV-2.
Das Immunsystem erkennt den Unterschied zwischen tot und lebendig, deshalb fällt die Abwehr bei Totimpfstoffen schwächer aus als bei Lebendimpfstoffen. Das Immunsystem muss daran erinnert werden, dass es den Erreger schon einmal kennengelernt hat. Darum muss die Immunantwort regelmäßig aufgefrischt werden.
Kann das Immunsystem uns auch schaden?
Funktioniert die Selektion im Thymus nicht optimal, kann es passieren, dass T-Zellen in den Blutkreislauf gelangen, die den Körper selbst angreifen, beziehungsweise dazu beitragen, dass Antikörper gegen körpereigene Bestandteile gebildet werden. So können Autoimmunreaktionen entstehen.
Mögliche Auslöser, die das Immunsystem fehlleiten, können Umweltfaktoren, genetische Faktoren, aber auch veränderte Regulationsmechanismen des Immunsystems sein. Neben Autoimmunerkrankungen sind auch Allergien die Folge einer fehlgeleiteten Immunantwort.
Welche Möglichkeiten gibt es, das Immunsystem zu stärken?
Gar keine! Man kann das Immunsystem nicht stärken. Es ist bereits das Stärkste, was der Mensch hat, darum ist er in der Evolution auch so weit vorangekommen. Man kann es aber schwächen – zum Beispiel durch Rauchen, übermäßigen Alkoholgenuss oder Mangelernährung. Auch Stress und zu wenig Schlaf sind nicht gut für das Immunsystem.
Eine ausgewogene Lebensweise schadet den Abwehrkräften also nicht. Auch Sport und Bewegung, am besten an der frischen Luft, sind gut, weil dadurch die Blutgefäße erweitert werden und so die Immunzellen auch in die letzten Ecken des Körpers kommen.
Und wie trainiert man sein Immunsystem?
Impfungen sind die beste Möglichkeit, das Immunsystem zu trainieren und aufzubauen. Auch halten grippale Infekte unser Immunsystem auf Trab und wachsam. Insbesondere Kinder trainieren ihr Immunsystem, da sie ihre Umwelt durch Riechen und Schmecken kennenlernen.
Dies bedingt auch, dass sie im Regelfall häufiger erkranken als Erwachsene – sie trainieren ihr Immunsystem. So wird die kindliche Immunabwehr angeregt, und das beugt späteren Fehlreaktionen des Immunsystems vor.
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Wieso wird man mit dem Alter anfälliger für Krankheiten?
Das hat vor allem damit zu tun, dass der Thymus im Kindesalter noch ausgeprägt ist. Mit dem Älterwerden wird er immer kleiner. Man sagt, ab 18 Jahren ist er nur noch rudimentär vorhanden. Das heißt, die T-Zellen, die sich potenziell neu entwickeln können, um auf einen Erreger zu reagieren, den der Körper noch nie gesehen hat, können weniger gebildet werden.
Generell kann man sagen, das Immunsystem schützt uns hauptsächlich bis zu dem Alter, in dem wir unsere eigenen Kinder bekommen können. Dann ist quasi der Fortbestand der Menschheit gewährleistet. Danach geht es peu à peu bergab.
Hat das Geschlecht auch Auswirkungen auf das Immunsystem?
Das wird derzeitig in der Wissenschaft untersucht. Man nimmt an, dass das Abwehrsystem von Frauen und Männer unterschiedlich reagiert. So bilden sich Tumore in Männern und Frauen unterschiedlich aus.
Aber auch bei Autoimmunerkrankungen finden sich Unterschiede: So leiden Frauen statistisch betrachtet häufiger an Autoimmunerkrankungen. Vermutlich spielen die Hormone eine entscheidende Rolle, die eine hemmende Wirkung auf das Immunsystem haben können. Bei Männern sind Hormonschwankungen weniger stark ausgeprägt, weswegen sie seltener Autoimmunerkrankungen entwickeln könnten.