Krebs
Antihormontherapie bei Krebs: Mit dem Entzug von Hormonen Tumoren ausbremsen
Veröffentlicht am:11.04.2025
7 Minuten Lesedauer
Das Wachstum einiger Krebsarten ist hormonabhängig. Die Antihormontherapie hemmt die Hormonproduktion, bremst so das Tumorwachstum und senkt das Rückfallrisiko. Wann eine antihormonelle Therapie sinnvoll ist und welche Nebenwirkungen sie hat.

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Was haben Hormone mit Krebs zu tun?
Hormone sind Informationsübermittler und Signalgeber für unzählige Vorgänge im menschlichen Organismus: Sie steuern lebenswichtige Funktionen wie Kreislauf, Atmung, Stoffwechsel oder Ernährung, aber auch den Salz- und Wasserhaushalt. Außerdem regeln sie die Entwicklung zu Mann oder Frau, unsere Fortpflanzung und unser Wachstum. Unter bestimmten Voraussetzungen können sie aber auch das Wachstum von Krebszellen begünstigen.
Wo die Antihormontherapie bei Krebs ansetzt
Einige Tumorarten brauchen Hormone, um zu wachsen. Genau hier setzt die Antihormontherapie bei Krebs an. Ihr Ziel ist es, dem Tumor genau die Hormone zu entziehen, deren Impulse er zum Wachsen benötigt. Da das Hormonsystem des menschlichen Körpers auch endokrines System genannt wird, bezeichnen einige Fachleute diese Antihormontherapie als endokrine Therapie.
Wie Hormone das Wachstum von manchen Tumoren fördern
Zellen reagieren nicht auf alle Hormone, sondern nur auf ganz spezielle. Dazu besitzen sie entsprechende Hormonrezeptoren, an die jeweils nur ein bestimmtes Hormon andocken kann, um eine Information zu übermitteln. Hormon und Rezeptor funktionieren nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip. Entwickelt sich ein Tumor aus hormonempfindlichem Gewebe, zum Beispiel in der Brust oder in der Prostata, weisen diese Tumoren häufig die gleichen Hormonrezeptoren auf. Das ist vor allem dann wichtig, wenn die Hormone auch das Wachstum von Gewebe steuern. Ist in einem Tumor die natürliche Wachstumskontrolle verloren gegangen und docken nun die entsprechenden Hormone an die Zelle an, führt dies zu einem Wachstumsreiz der Krebszellen.
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Additive und ablative Hormontherapien
Generell unterscheidet man zwischen sogenannten additiven und ablativen Hormontherapien. Bei der additiven Form werden Hormone, von denen im Körper zu wenig vorhanden sind, medikamentös zugeführt: zum Beispiel Schilddrüsenhormone bei einer Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) oder weibliche Geschlechtshormone bei Beschwerden in den Wechseljahren, der sogenannten Menopause. Das nennt man Hormonersatztherapie. Die ablative Form ist das Gegenteil. Sie zielt darauf ab, die Hormonproduktion des Körpers zu drosseln beziehungsweise vorhandene Hormone in ihrer Wirkung zu bremsen, wenn der Hormonspiegel krankheitsfördernd ist. Die endokrine (antihormonelle) Therapie bei Krebs ist somit eine ablative Therapie.
Operation oder Hormonpräparate?
Die endokrine Therapie bei Krebs unterdrückt entweder die Hormonproduktion selbst oder sie unterbindet die Wirkung körpereigener Hormone in den Zellen. Diese antihormonellen Wirkungen können auf unterschiedliche Weise erreicht werden. Die radikalste Form ist die chirurgische Entfernung der hormonproduzierenden (endokrinen) Drüse, die für das fragliche Hormon verantwortlich ist. Eine Entfernung der Hoden beim Mann oder der Eierstöcke bei der Frau ist jedoch nicht umkehrbar. Deshalb kommen heute in erster Linie medikamentöse Therapieformen mit Antihormonen zur Anwendung. Werden diese Medikamente nach der Behandlung abgesetzt, kann sich der Hormonhaushalt wieder normalisieren.
Verschiedene Antihormone für die Hormontherapie bei Krebs
In der Krebstherapie funktionieren hormonell wirksame Medikamente auf unterschiedliche Weise:
- Einige Präparate greifen gezielt in den Hormonhaushalt ein und sorgen dafür, dass weniger von dem betreffenden Hormon produziert wird. Zu diesen Medikamenten gehören zum Beispiel die so genannten GnRH-Analoga, die direkt in der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) wirken.
- Andere Medikamente verhindern die Hormonproduktion, indem sie die dafür notwendigen Stoffwechselvorgänge blockieren. Ein Beispiel aus dieser Medikamentengruppe sind die Aromatasehemmer.
- Eine dritte Gruppe von Hormonpräparaten blockiert gezielt die Bindung der Hormone an die Rezeptoren der Tumorzellen, so dass die Hormone zwar unverändert vorhanden sind, aber keine Wirkung mehr entfalten können. Zu diesen Medikamenten zählen zum Beispiel bestimmte Antiöstrogene und Antiandrogene.
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Bei welchen Krebsarten kommt eine Antihormontherapie in Frage?
Die Antihormontherapie kann das Wachstum eines hormonabhängigen Tumors verlangsamen und im besten Fall die Streuung von Tumorzellen verhindern. Außerdem kann eine antihormonelle Therapie bei erfolgreich behandelten Patienten und Patientinnen das Rückfallrisiko senken.
Am wirksamsten sind Antihormontherapien bei Brustkrebs und Prostatakrebs. Bei diesen beiden Krebsarten sind die Sexualhormone sehr häufig am Krebsgeschehen beteiligt. Die Wirkung ist aber auch von der Empfindlichkeit der Tumorzellen auf die Hormone abhängig: Je höher die Hormonempfindlichkeit, desto größer ist die mögliche Wirksamkeit einer Antihormontherapie. Bei geringer Hormonempfindlichkeit können etwaige Nebenwirkungen den Nutzen überwiegen.
Wann und ob überhaupt eine Antihormontherapie hilfreich ist, muss individuell entschieden werden. Dies gilt auch für die Frage, ob die Hormonentzugstherapie als alleinige Maßnahme, in Kombination mit beispielsweise einer Strahlenbehandlung oder nach einer Chemotherapie angewandt werden sollte.
Einsatzfelder der Antihormontherapie im Überblick
Brustkrebs Prostatakrebs Gebärmutterkrebs (Gebärmutterkörperkrebs) Neuroendokrine Tumoren
Nebenwirkungen einer antihormonellen Krebstherapie
Die möglichen Nebenwirkungen einer antihormonellen Therapie hängen stark vom individuellen Gesundheitszustand, der Krebsart und dem eingesetzten Medikament ab. Im Vergleich etwa zu einer Chemotherapie greift sie aber kein gesundes Gewebe an. Dennoch ist diese Behandlung nicht frei von Nebenwirkungen. Zu berücksichtigen ist auch die in der Regel lange, über Jahre gehende Behandlungsdauer.
Generell gilt: Die negativen Auswirkungen einer Antihormontherapie hängen von der Funktion des körpereigenen Hormons ab, dessen Wirkung gehemmt werden soll. In den meisten Fällen sind dies die Sexualhormone Östrogen und Testosteron bei der Behandlung von Brust- und Prostatakrebs.

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Mögliche Folgen der Östrogenblockade bei Frauen
Die hormonelle Umstellung ist vergleichbar mit den Wechseljahren. Sie erfolgt jedoch sehr plötzlich und kann daher schwere Begleiterscheinungen haben: zum Beispiel Hitzewallungen oder Schlafstörungen sowie bei jungen Frauen das Ausbleiben des Eisprungs und der Regelblutung. Die Nebenwirkungen sind jedoch von Frau zu Frau und von Medikament zu Medikament unterschiedlich. So wie es Frauen gibt, die in den Wechseljahren starke oder gar keine Beschwerden haben, gibt es auch Patientinnen, die unter einer Antihormontherapie stark oder gar nicht leiden.
Antiöstrogene erhöhen zudem das Thromboserisiko und können zu Blutungen der Gebärmutterschleimhaut führen. Aromatasehemmer verursachen häufig Muskel- und Gelenkbeschwerden oder können die Knochendichte vermindern, was das Risiko von Knochenbrüchen erhöht.
Mögliche Folgen einer Testosteronblockade bei Männern
Ziel der Hormontherapie ist ein möglichst niedriger Testosteronspiegel. Dadurch kommt die Spermienproduktion in den Hoden zum Erliegen. Bei den meisten Männern lässt das sexuelle Interesse deutlich nach, ebenso wie die Fähigkeit, eine Erektion zu bekommen und aufrechtzuerhalten (erektile Dysfunktion). Bei einer nur vorübergehenden Hormontherapie stellt sich die sexuelle Leistungsfähigkeit nach Absetzen der Medikamente meist wieder ein.
Darüber hinaus habe manche Männer ebenso wie Frauen Hitzewallungen und Probleme mit der Knochendichte. Auch die Haardicke und das Haarvolumen können abnehmen, ebenso die Gesichts- und Körperbehaarung. Bei einigen Männern führen vor allem Antiandrogene zu einer Verkleinerung des Penis und/oder der Hoden oder zu einem Brustwachstum (Gynäkomastie) durch eine Vergrößerung der Brustdrüsen.
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