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Krebs

Diversität in der Dermatologie: Interview mit Dr. Ephsona Shencoru

Veröffentlicht am:13.01.2025

8 Minuten Lesedauer

Im Dermatologiestudium, in Lehrbüchern, in KI-Datenbanken – überall ist dunkle Haut unterrepräsentiert. Das ist gefährlich. Hautärztin Dr. med. Ephsona Shencoru erklärt, wie unterschiedlich sich Hauterkrankungen auf heller und dunkler Haut äußern.

Ein junge Frau mit dunkler Haut und Locken steht in einem Park mit sattgrünen Bäumen. Ihr Blick ist zuversichtlich. Die Frau trägt ein gelbes Shirt und darüber eine hellblaue Jeans-Jacke.

© iStock / Ridofranz

Ein Porträtfoto der Dermatologin Ephsona Shencoru.

© Nailya Bikmurzina

Dr. Ephsona Shencoru hat ihre Facharztausbildung an der Charité in Berlin absolviert. Im Rahmen ihrer Ausbildung hat sie sich auf Diversität in der Dermatologie fokussiert. Heute arbeitet sie als Fachärztin für Dermatologie in Berlin und klärt auf TikTok und Instagram (the_skin_questionnaire) über die Besonderheiten dunkler Hauttypen auf.

Frau Shencoru – welche Rolle spielt die Diversität der Patientinnen und Patienten in der dermatologischen Ausbildung?

Die Dermatologie ist ein sehr visuelles Fach: Schon in der Ausbildung trainieren wir täglich unser Auge, um bestimmte Hauterkrankungen anhand von Hautveränderungen zu erkennen und systematisch einordnen zu können. Diese äußern sich bei dunkler Haut häufig anders als auf heller Haut. Studierende und Ärztinnen und Ärzte müssen diese Unterschiede kennen, auch abseits der Dermatologie. Internistinnen und Internisten zum Beispiel müssen auch Hauterkrankungen bei dunkler Haut richtig einschätzen können, um Patientinnen und Patienten dann in die Dermatologie überweisen zu können. Deshalb sind Diversität und Inklusivität in der Ausbildung sehr wichtig.

Wie würden Sie den Status quo in der Lehre beschreiben?

Da ist noch viel Luft nach oben. In den Lehrbüchern werden hauptsächlich sehr helle Hauttypen abgebildet – nach der Fitzpatrick-Skala sind das die Hauttypen 1 und 2, also der keltische und der nordische Typ. Dunklere Hauttypen kommen kaum vor. Es gibt einige Studien, die sich einmal mit unserem Standardlehrbuch beschäftigt haben. Dabei kam heraus, dass in fast 80 Prozent der klassischen Lehrbücher nur die sehr hellen Hauttypen 1 und 2 vertreten sind. Interessanterweise handelt es sich bei diesen abgebildeten Erkankungen um sehr häufige Hauterkrankungen wie Akne, Rosazea oder die atopische Dermatitis. Das sind Erkrankungen, die wir täglich in der Dermatologie sehen und die bei allen Ethnien vorkommen. Nur die Repräsentation fehlt.

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Warum sehen Hauterkrankungen denn von Haut zu Haut anders aus?

Ein großer Faktor ist der Melaningehalt der Haut, einfach weil er sozusagen die Basis ausmacht und dann auch die Darstellung des Krankheitsbildes beeinflusst. Bei manchen Erkrankungen gibt es auch pathophysiologische Unterschiede in der Entstehung. Dies kann somit auch zu vielfältigen klinischen Darstellungen führen.

Können Sie uns Beispiele nennen, welche Hautkrankheiten bei heller Haut anders aussehen als bei dunkler Haut?

Zum Beispiel die seborrhoische Dermatitis – eine Erkrankung, der vor allem auf der Kopfhaut und im Gesicht auftritt und meist mit Schuppung verbunden ist. Das ist eine Erkrankung, die wir fast täglich sehen.

Wenn man eine helle Haut hat, sieht man in den seborrhoischen Zonen – das ist die Stirn-Haar-Grenze oder zwischen den Nasenflügeln und den Mundwinkeln – rötliche Veränderungen und Schuppen. Je dunkler der Hauttyp, desto eher zeigt sich die Entzündung stattdessen als eine Hypopigmentierung, also mit weißen oder hellen Flecken in den betroffenen Bereichen. Bei dunklen Hauttypen verläuft die Erkrankung häufig ohne Schuppung und wird deshalb oft nicht bemerkt. Dabei lässt sie sich eigentlich gut behandeln. Ein anderes Beispiel ist die Neurodermitis, die sich bei Patientinnen und Patienten afrikanischer oder asiatischer Herkunft etwas anders äußern kann: entweder mit mehr Schuppung oder mit einer anderen Verteilung am Körper. Bei dunklen Hauttypen sind die entzündlichen Stellen dann auch oft viel dunkler als die Haut selbst – und nicht so rot, wie wir es von heller Haut kennen. Das liegt daran, dass die Melanozyten auf entzündliche Prozesse mit einer Überstimulation reagieren. Es kann aber auch umgekehrt sein.

Wenn Ärztinnen und Ärzte diese Unterschiede nicht kennen, denken sie vielleicht, sie hätten es mit trockener Haut zu tun – und nicht mit einer entzündlichen Erkrankung, die es zu behandeln gilt.

Wann wird diese Unwissenheit für Menschen mit dunkler Haut gefährlich?

Gefährlich wird es, wenn die Unkenntnis zu einer verspäteten Diagnose oder zu einer Fehldiagnose führt. Es gibt Daten aus den USA, die zeigen, dass der schwarze Hautkrebs bei hellhäutigen Menschen häufiger vorkommt, der Diagnosezeitpunkt bei Afro-Amerikanerinnen und -Amerikanern aber viel weiter fortgeschritten ist. Das liegt daran, dass die Hauterkrankung entweder nicht erkannt wurde oder dass es an Aufklärung fehlt.

Was bedeutet fehlende Diversität für Haut-Screening-Apps? Kann KI rassistisch sein?

Entscheidend ist der Datensatz. Dieser sollte nicht nur Menschen mit hellem Hauttyp umfassen, sondern muss vielfältig und inklusiv sein, damit der Algorithmus alle Patienten einschließt. Wenn dies nicht der Fall ist, können dadurch dunkelhäutige Menschen benachteiligt werden, weil die Tools eventuell nicht richtig funktionieren. Es könnte beispielsweise fälschlicherweise Hautkrebs diagnostiziert werden.

Grundsätzlich sehe ich KI-Tools als große Chance für die Diagnostik in der Dermatologie. Wir werden in Zukunft immer mehr diagnostizieren und das in immer kürzerer Zeit – da sind solche Tools super. Vorausgesetzt, sie funktionieren für alle. Dazu müssen die Algorithmen mit entsprechend vielfältigem Bildmaterial gefüttert werden. Das liegt in der Hand des Entwicklers oder der Entwicklerin und der Unternehmen.

Haben Sie Tipps für Menschen mit dunkler Haut, die ein digitales Hautkrebsscreening in Anspruch nehmen wollen?

Ja – wenn der Service mit Fotos arbeitet, gilt das, was für alle gilt. Die Aufnahme muss scharf sein und es muss deutlich erkennbar sein, um welches Körperteil es sich handelt. Faustregel: Wenn man fühlt, dass etwas nicht stimmt, aber es selbst nicht gut sehen kann, wird es auch die Expertin oder der Experte wahrscheinlich auf dem Foto nicht erkennen. Dann sollte man – je nach Tool – eine Erklärung ergänzen oder den Anamnesebogen ausfüllen, um darauf aufmerksam zu machen.

Und beim Hautkrebscheck bei der Ärztin oder beim Arzt?

Man sollte nicht direkt aus einem Sonnenurlaub kommen, weil die Melanozyten und somit auch die Muttermale dunkler erscheinen und das Ergebnis verfälschen können – das gilt für alle Hauttypen. Eine Besonderheit für Menschen mit dunkler Haut ist die Erkennung von Erythemen, die auf dunkler Haut schwierig zu erkennen sind. Sie sind nämlich nicht lachsrot wie bei heller Haut, sondern eher gräulich, dunkelbraun oder eher bläulich. Normalerweise spürt man auch bei der Untersuchung die Überwärmung der Haut, digital ist das natürlich nicht möglich. In diesem Fall sollte man einen Hautarzt oder eine Hautärztin aufsuchen. Und noch etwas speziell für Menschen mit dunkler Haut: Melanome kommen zwar seltener vor, aber wenn, dann an Handflächen und Fußsohlen. Patientinnen und Patienten sollten darauf achten, dass diese Stellen untersucht werden und im Zweifelsfall die Ärztin oder den Arzt darauf aufmerksam machen. Das gilt auch für die Selbstuntersuchung.

Was ist Ihre Erfahrung: Wird Hautkrebsvorsorge von allen Menschen gleich wahrgenommen?

Nein. Ich habe in meiner Sprechstunde mal eine Umfrage von Patientinnen und Patienten ausfüllen lassen. Das Ergebnis: Besonders viele Menschen mit dunkler Haut nehmen das Angebot des Hautchecks nicht wahr. Einige sind zu mir gekommen und haben einen Fleck beurteilen lassen – aber ich war die erste, die das je gesehen hat. Erwachsene Leute, die deutlich älter waren als 35. Dass Menschen mit dunkler Haut das Angebot weniger wahrnehmen, liegt eventuell auch daran, dass sich zu dunkler Haut viele Mythen hartnäckig halten. So glauben viele, dass der hohe Melaningehalt vor Hautkrebs schützt. Oder dass dunkle Haut besonders robust und unempfindlich sei.

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Was kann man gegen solche Mythen tun?

Es wird bereits viel unternommen. Es gibt tolle Kampagnen. Ich merke, dass Lehrpläne, Krankenkassen, Social-Media-Kanäle und Sonnencremehersteller dem Thema mehr Aufmerksamkeit schenken. Ich kenne auch viele PoC (People of Color), die seit Jahren vermehrt Selbstuntersuchungen machen, die ABCDE-Regel befolgen, zum Hautarzt oder zur Hautärztin gehen und regelmäßig Sonnencreme tragen. Generell ist das Bewusstsein für Hautkrebs gestiegen. Das zeigt, dass es wirklich etwas ändert, wenn wir darüber berichten und Hauterkrankungen differenzierter betrachten.

Nahaufnahme einer jungen Frau mit dunkler Haut bei der Hautvorsorgeuntersuchung. Sie trägt einen Zopf, eine Brille, einen Perlen-Ohrring und ein rosafarbenes Shirt. Hinter ihr steht ein Arzt mit Bart und dunkler Haut im weißen Kittel, der ein Dermatoskop an ihren Hals legt.

© iStock / gorodenkoff

Manche Hauterkrankungen machen sich bei dunkler Haut anders bemerkbar als bei heller – beim Hautkrebscheck sollte dies beachtet werden.

Wie funktioniert die ABCDE-Regel?

Je früher Hautkrebs erkannt wird, desto größer sind die Heilungschancen. Für die Früherkennung von Hautkrebs ist eine regelmäßige Kontrolle wichtig. Nach der ABCD-Regel sollten Sie Ihre Pigmentmale beobachten und bei Auffälligkeiten einen Arzt oder eine Ärztin aufsuchen. Die Buchstaben stehen für:

  • A = Asymmetrie: Ein Melanom hat typischerweise unregelmäßige Formen.
  • B = Begrenzung: Die Grenzen am Rand eines Melanoms sind unscharf, verwaschen oder unregelmäßig.
  • C = Colour (Farbe): Es ist nicht einheitlich gefärbt (mehrere Farbtöne) oder verändert seine Farbe (heller oder dunkler).
  • D = Durchmesser: Hat es mehr als zwei Millimeter Durchmesser, sollte es kontrolliert werden.
  • E = Erhabenheit: Seine Oberfläche verändert sich, zum Beispiel rau oder schuppend, und es ragt mehr als einen Millimeter über die umliegende Haut heraus.

Gilt die ABCDE-Regel auch für Menschen mit dunkler Haut?

Ja, sie gilt grundsätzlich für alle. In der Praxis wird die ABCDE-Regel inzwischen oft etwas flexibler gehandhabt und das Gesamtbild betrachtet. Wir sprechen oft vom „hässlichen Entlein“: Jeder hat ein ganz eigenes Muster von Muttermalen, und innerhalb dieses Musters wird geschaut, ob ein Muttermal heraussticht. Das entspricht nicht immer ganz starr der ABCDE-Regel. Wichtig zu wissen ist aber, dass die ABCDE-Regel für die Beurteilung von Muttermalen gilt und nicht für andere Hauterkrankungen – wie Basalzellkarzinome oder Plattenepithelkarzinome. Diese Hautkrankheiten können ebenfalls auf dunkler Haut auftreten.

Was ist Ihnen wichtig, was viele Patientinnen und Patienten nicht wissen?

Viele wissen nicht, dass sie auch in jungen Jahren zum Hautcheck gehen können. Ich möchte aber auch dafür sensibilisieren, wirklich zur Ärztin oder zum Arzt zu gehen, wenn man Veränderungen an der Haut bemerkt. Der Hautcheck beim Dermatologen ist immer nur eine Momentaufnahme. Deswegen ist die regelmäßige Selbstuntersuchung auch sehr wichtig! Ist eine Stelle erhaben, die vor einiger Zeit noch nicht erhaben war? Hat die Stelle schon einmal geblutet? Wenn mir ein Patient sagt: „Schauen Sie mal, das hat sich irgendwie verändert“ und vielleicht sogar Fotos hat – dann hilft mir das ungemein.

Die AOK bietet viele Unterstützungsangebote zur Früherkennung von Hautkrebs

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