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Krebs

Lungenkrebs: Warum personalisierte Medizin so wichtig ist

Veröffentlicht am:09.07.2021

5 Minuten Lesedauer

Lungenkrebs ist in Deutschland die Krebstodesursache Nummer 1. Er kann sehr unterschiedlich sein und jede Untergruppe benötigt eine andere Behandlung. Die Suche nach genetischen Ursachen für die Krebserkrankung, verbunden mit einer zielgerichteten Behandlung, kann das Leben von Patientinnen und Patienten mit Lungenkrebs verlängern. Warum das so ist und was Sie über Lungenkrebs wissen sollten, darüber berichtet Prof. Dr. Wolf im Interview.

Facharzt gibt einem Patienten mit Lungenkrebs zielgerichtete Medikamente.

© iStock / SDI Productions

Krebsforscher und Onkologe Prof. Dr. Jürgen Wolf im Gespräch mit der AOK

Prof. Dr. med. Jürgen Wolf, Onkologe, Universitäts Klinikum Köln

© MedizinFoto Köln

Professor Dr. Jürgen Wolf vom Centrum für Integrierte Onkologie ist behandelnder Arzt an der Uniklinik Köln und Gründer des Zentrums für Genomische Medizin. Er veranlasst den Versand von Tumorgewebe, das bei der Diagnostik (mittels Bronchoskopie, einer Methode zur Untersuchung der unteren Atemwege), gewonnen wurde, in die Zentrale des Netzwerks nach Köln. Dort werden die klinischen Daten seiner Patienten in eine Datenbank gepflegt. Anschließend wird der behandelnde Arzt über den Befund informiert und erhält eine Beratung über die mögliche Therapie.

Der Grund dafür: Ein Blick auf die Gene von Lungenkrebspatienten kann deren Leben deutlich verlängern. Warum genau das so wichtig für Lungenkrebspatienten ist und was man über diese Krankheit sonst noch wissen sollte, erklärt der Kölner Krebsforscher Prof. Dr. med. Jürgen Wolf im Interview:

Welche Risikofaktoren erhöhen die Wahrscheinlichkeit eines Lungentumors?

Die Hauptursache für die Entstehung von Lungenkrebs ist mit großem Abstand das aktive Rauchen. Die Wahrscheinlichkeit, dass man bei mittelstarkem Rauchen über längere Zeit an Lungenkrebs erkrankt, liegt ungefähr bei 15 Prozent. Bei einem Nichtraucher liegt die Wahrscheinlichkeit bei 1 bis 2 Prozent. Das Risiko für Lungenkrebs ist bei einem Raucher also schon drastisch erhöht.

Weitere Ursachen sind zum Beispiel eine Belastung durch Asbest am Arbeitsplatz oder die Belastung mit Radon, welches noch in manchen Häusern, besonders in ehemaligen Bergwerksgebieten, in erhöhter Konzentration in der Raumluft nachgewiesen werden kann.

Endlich rauchfrei

Husten, Auswurf und mehr: Gibt es Beschwerden, die auf Lungenkrebs hindeuten? Wann sollte ich unbedingt einen Arzt aufsuchen?

80 Prozent der Patienten, bei denen Lungenkrebs diagnostiziert wird, können nicht mehr operiert werden, weil der Krebs sehr spät entdeckt wurde. Dies ist umso schlimmer, als die Operation immer noch die einzige Möglichkeit darstellt, Lungenkrebs zu heilen.

Ein Problem bei dieser Tumorerkrankung ist, dass es kaum Frühsymptome gibt. Langjährige Raucher haben oft eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (Raucherhusten) oder eine koronare Herzkrankheit. Hier denkt weder der Patient noch der Hausarzt bei jedem Husten oder bei Schmerzen im Brustkorb gleich an Lungenkrebs. Wenn dieser dann doch bei Fortschreiten der Symptome diagnostiziert wird, ist es dann eben meistens schon zu spät für die Operation.

Bei vielen Patienten wird der Tumor auch anhand von Symptomen von Fernmetastasen, also eine Art Tochtergeschwülsten an anderen Stellen im Körper, festgestellt. Beispielsweise Bandscheibenschmerzen durch Wirbelsäulenmetastasen oder epileptische Anfälle durch Gehirnmetastasen.

Symptome für eine weit fortgeschrittene Tumor-Erkrankung sind eine starke Gewichtsabnahme und zunehmende Schwäche.

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„80 Prozent der Patienten, bei denen Lungenkrebs diagnostiziert wird, können nicht mehr operiert werden, weil der Krebs sehr spät entdeckt wurde.“

Prof. Dr. med. Jürgen Wolf
Universitätsklinikum Köln

Ist eine Früherkennung von Lungenkrebs möglich?

Es gibt mittlerweile zwei große internationale randomisierte Studien, die zeigen, dass sich die Sterblichkeit von Lungenkrebs signifikant verringert, wenn man über 50-Jährige Raucher regelmäßig ins CT schiebt.

In den USA wird daher die Vorsorge mit CT-Untersuchungen schon von den meisten Fachgesellschaften empfohlen. In Deutschland wägt man noch die Vor- und die Nachteile dieser Methode ab, als erstes muss das Bundesamt für Strahlenschutz entscheiden. Ein Problem ist auch das häufige Auffinden unspezifischer Lungenveränderungen bei langjährigen Rauchern, die dann alle abgeklärt werden müssen mit der Konsequenz vieler unnötiger Eingriffe.

Warum ist die personalisierte Medizin bei Lungenkrebs so wichtig?

Über Jahrzehnte waren beim fortgeschrittenen Lungenkrebs die Chemo- und Strahlentherapie die einzigen Therapiemöglichkeiten, leider mit nur schwacher Wirksamkeit. Ein Jahr nach Therapiebeginn war bereits die Hälfte der Patienten verstorben, nach zwei Jahren lebten nur noch 15 Prozent, eine katastrophale Situation.

Ein erster großer Fortschritt kam durch die Erkenntnisse der Genomforschung. Hier haben wir gelernt, dass Lungenkrebs nicht gleich Lungenkrebs ist, sondern in viele Untergruppen eingeteilt werden kann. Diese sind durch das Vorhandensein von sogenannten Treibermutationen charakterisiert, die – etwas vereinfacht ausgedrückt – für das bösartige Wachstum der Tumorzellen verantwortlich sind.

Immer häufiger kann man nun, wenn diese Treibermutationen vor der Therapie diagnostiziert werden, mit sogenannten zielgerichteten Medikamenten die Funktion dieser Mutationen aushebeln. Mit dieser personalisierten Therapie wird der Tumor häufiger und länger kontrolliert als mit Chemotherapie, oft viele Jahre lang. Diese Medikamente können auch meist als Tabletten eingesetzt werden und sind viel besser verträglich für die Patienten. Für ungefähr ein Viertel der Patienten mit Lungenkrebs gibt es schon zugelassene zielgerichtete Medikamente, für ein weiteres Viertel werden solche in klinischen Studien erprobt.

Genau deshalb ist es so wichtig, dass Patienten von Anfang an auf alle bekannten Treibermutationen hin untersucht werden. Leider findet das in Deutschland noch nicht überall statt.

Wie kann man erreichen, dass Patienten die bestmögliche Behandlung bekommen?

… zum Beispiel über das nationale Netzwerk Genomische Medizin?

Um allen Patienten die bestmögliche Behandlung zu ermöglichen, haben wir mit einer Förderung der Deutschen Krebshilfe (DKH) und in Zusammenarbeit mit der AOK und anderen Krankenkassen  das nationale Netzwerk Genomische Medizin gegründet. Hier findet in ausgewiesenen hochspezialisierten Zentren die molekulare Diagnostik von Tumorgewebe, die Beratung der Einsender und der Patienten sowie die Evaluation statt, die Behandlung selbst kann dann zumeist heimatnah in onkologischen Praxen oder Krankenhäusern erfolgen.

Auf unserer Website kann jeder Patient seine Postleitzahl eingeben und findet so den nächsten Partner unseres Netzwerkes und somit Zugang zur molekularen Diagnostik. Kosten entstehen ihm keine, diese werden durch den Besonderen Versorgungsvertrag abgedeckt, den wir mit den Krankenkassen geschlossen haben.

„Immer häufiger kann man nun, wenn bestimmte Treibermutationen vor der Therapie diagnostiziert werden, mit sogenannten zielgerichteten Medikamenten die Funktion dieser Mutationen aushebeln. Auf unserer Website kann jeder Patient seine Postleitzahl eingeben und findet somit Zugang zur molekularen Diagnostik.“

Prof. Dr. med. Jürgen Wolf
Universitätsklinikum Köln

Wie sind die Heilungschancen bei Lungenkrebs?

Eine echte Chance auf Heilung gibt es bis jetzt nur bei den operablen Patienten, das sind ca. 15 bis 20 Prozent aller Lungenkrebs-Patienten. Neben der Heilung ist aber auch die Überlebensverlängerung entscheidend.

Hier haben wir mit den neuen personalisierten, aber auch zunehmend mit der Immuntherapie eindrucksvolle Fortschritte erzielt. In manchen molekularen Subgruppen ist das mediane Überleben bei metastasierten Patienten schon fünf Jahre und mehr, d.h. wir sehen zunehmend Patienten, die schon viele Jahre mit einer reinen Tablettentherapie und guter Lebensqualität mit ihrer Erkrankung leben.

Wie können sich rehabilitierte Personen verhalten, um ein erneutes Krebsrisiko zu senken und Lebensqualität zurückgewinnen? Was können Patienten selbst tun, um die Behandlung zu unterstützen?

So normal wie möglich leben. Nicht auf die fast immer unnützen Diätempfehlungen hören, stattdessen den Körper fordern und viel Sport machen. Für viele Patienten ist auch eine psychoonkologische Begleitung förderlich.

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