Muskel-Skelett-System
Endlich wieder schmerzfrei bewegen
Veröffentlicht am:08.12.2020
9 Minuten Lesedauer
Unter chronischen Gelenkschmerzen und Bewegungseinschränkungen leiden viele Menschen. Erfahren Sie in wenigen Minuten, was Sie gegen Gelenkverschleiß und Schmerzen tun können.
Inhalte im Überblick
- Gelenkverschleiß und künstliche Gelenke: Tipps gegen chronische Schmerzen
- Sport ist nicht mehr möglich, nachts habe ich starke Schmerzen – brauche ich eine neue Hüfte?
- Lässt sich Gelenkverschleiß denn nicht aufhalten?
- Was kann ich bei beginnendem Gelenkverschleiß noch tun?
- Können alle Gelenke vom Verschleiß betroffen sein?
- Was empfehlen Sie bei Knie- und Hüftschmerzen?
- Welche Tipps haben Sie gegen Hüftschmerzen und Gelenkschmerzen?
- Ich wandere gern. Wie sieht es damit aus? Muss ich mit Bewegungseinschränkungen rechnen?
- Was müssen Patienten nach einer Gelenkoperation tun, um wieder aktiv zu werden?
- Wie lange halten die künstlichen Gelenke, die Sie in Ihrer Klinik einsetzen?
- Kann ich mit meinem künstlichen Gelenk wieder jede Sportart ausüben?
- Kann ich mit einem künstlichen Gelenk einen Extremsport ausüben?
- Ist ein Eingriff im Vergleich zu Gelenkoperationen vor 20 Jahren heutzutage einfacher? Stichwort High-Tech-Medizin?
- Eine persönliche Frage zum Schluss: Was tun Sie für Ihre Gelenke?
Gelenkverschleiß und künstliche Gelenke: Tipps gegen chronische Schmerzen
Immer mehr Senioren bekommen heute künstliche Gelenke. Wie kommt man mit chronischen Gelenkschmerzen und Bewegungseinschränkungen vor und nach einer Operation zurecht, ohne dass die Lebensqualität leidet?
Dr. Thorsten Gehrke, einer der führenden Orthopäden bei Gelenkoperationen in Deutschland, beantwortet die wichtigsten Fragen.
Sport ist nicht mehr möglich, nachts habe ich starke Schmerzen – brauche ich eine neue Hüfte?
Voraussetzung für die Implantation einer Hüft- oder Knieprothese ist der strukturelle Schaden des Körperteils – einfach ausgedrückt: Irgendetwas muss kaputt sein. Wenn dann noch Schmerzen auftreten, seien es anfangs belastungsunabhängige Beschwerden vor allem in der Leiste, seien es starke Ruhe- oder Nachtschmerzen, dann wird es Zeit. Ein lädiertes Gelenk auf dem Röntgenbild allein ist allerdings noch kein ausreichender Grund, eine Prothese einzusetzen.
Denn es gibt viele Patienten, die noch lange relativ schmerzfrei mit einem geschädigten Gelenk zurechtkommen. Oft werden einfache Alltagsbewegungen nicht mehr bewältigt: Schuhe binden, die Hose anziehen, die tägliche Körperhygiene. Der wichtigste Grund für eine Gelenkoperation ist der persönliche Leidensdruck und die verminderte Lebensqualität.
Lässt sich Gelenkverschleiß denn nicht aufhalten?
Man kann ihn – wenn überhaupt – nur verlangsamen. Das Problem ist, dass der Knorpel, die Schutzschicht eines Gelenks, im Lauf der Jahre verschleißt. Er verliert an Elastizität und erfüllt schließlich seine gelenkschützende Funktion nicht mehr.
Und Defekte oder Verschleißerscheinungen des Gelenkknorpels können nicht heilen, da die Gelenkknorpelzellen sich nicht regenerieren.
Was kann ich bei beginnendem Gelenkverschleiß noch tun?
Gewichtsabnahme und Muskelaufbau können wirksame Bausteine sein, um das Gelenk zu stabilisieren und zu schützen. Zudem helfen zum Beispiel konservative Maßnahmen wie Physio- oder Chirotherapie.
Es gibt Orthopäden, die in einem Frühstadium Hyaluronsäure, einen Bestandteil des Knorpels, in das Gelenk spritzen und Erfolge erzielen. Diese Behandlungsmethode scheint Schmerzen zu lindern, zumindest profitieren manche Patienten davon. Es gibt dafür aber keinen wissenschaftlich-medizinischen Beleg.
Was empfehlen Sie bei Knie- und Hüftschmerzen?
Sportarten mit gleitenden und für die Gelenke nicht belastenden Bewegungen wie Fahrradfahren, Schwimmen oder Skilanglauf sind hervorragend geeignet, um Knieschmerzen zu lindern. Dabei werden die Gelenke nicht wesentlich belastet, die umgebende Muskulatur dagegen wird gekräftigt.
Welche Tipps haben Sie gegen Hüftschmerzen und Gelenkschmerzen?
Für die Hüfte rate ich zu Dehnübungen. Denn eine der wesentlichen Ursachen für Gelenkverschleiß der Hüfte sind Muskelbeschwerden. Eine verkürzte Muskulatur, oft durch einseitige Belastungen wie langes Sitzen am Schreibtisch oder beim Autofahren hervorgerufen, ist nicht selten Auslöser.
Das gilt auch für das Knie. Die Muskeln rund um dieses Gelenk, besonders die Oberschenkelmuskulatur, sollten ständig gestreckt und gedehnt werden. Sonst entstehen dort Spannungen, die einen höheren Druck auf das Kniegelenk bewirken und Schmerzen verursachen können.
Insgesamt gilt: Bewegungen oder Sportarten mit Stoßbelastungen, zum Beispiel Handball oder Fußball, sind für vorgeschädigte Gelenke immer schlecht.
Was müssen Patienten nach einer Gelenkoperation tun, um wieder aktiv zu werden?
Die Muskeln, die das Gelenk führen und stabilisieren, sollten gezielt gestärkt werden. In der ersten Phase übernimmt das die Physiotherapie, später der Patient selbst durch sportliche Übungen. Wenn nach der postoperativen Phase die Muskulatur so stark aufgebaut ist, kann man in der Regel zu seinen früheren Sportarten zurückkehren.
Die Muskeln sollten in der Lage sein, das neue Gelenk zu schützen und zu stützen. Dann kann man zum Beispiel wieder Ski fahren, Tennis oder Golf spielen. Muskelaufbau, Stabilisierung und langsames Einsteigen in die sportlichen Aktivitäten – so lautet der stufenweise Fahrplan.
Kann ich mit einem künstlichen Gelenk einen Extremsport ausüben?
Selbst wenn die Operation technisch einwandfrei ausgeführt wurde, und das ist bei 99,5 Prozent der Fall: Wir Orthopäden raten in der Regel von Extremsport ab. Ich würde meinen Patienten zum Beispiel nicht empfehlen, mit einem künstlichen Kniegelenk einen Marathon zu laufen.
Sportliche Aktivitäten sollten moderat gestaltet werden. Ich habe nichts dagegen, wenn ein geübter Läufer fünf oder zehn Kilometer am Stück läuft. Aber Wettkampfsport zu betreiben, wäre unvernünftig.
Ist ein Eingriff im Vergleich zu Gelenkoperationen vor 20 Jahren heutzutage einfacher? Stichwort High-Tech-Medizin?
Nein, die Anatomie des Menschen im Evolutionsverlauf hat sich ja nicht verändert. Insofern ist ein Eingriff aus Sicht des Operateurs heutzutage nicht einfacher oder schwerer als vor 20 Jahren.
Allerdings stehen ihm heute hochwertigere Materialien zur Verfügung, zum Beispiel Keramik bei Hüftoperationen. Bei Verwendung dieses Materials kommt es nach einer Operation kaum noch zu Verschleißerscheinungen. Und das ist für den Patienten von Vorteil und der größte Fortschritt bei künstlichen Gelenken.
Eine persönliche Frage zum Schluss: Was tun Sie für Ihre Gelenke?
Ich versuche, mein Gewicht zu halten und so meine Gelenke zu schonen. Zudem habe ich schon immer Sport getrieben. Bewegung oder sportliche Aktivitäten, die den Gelenken guttun, gehören zu meinem Leben.
Ich laufe, fahre Rad, spiele noch ein bisschen Tennis und halte mich und meine Gelenke mit gymnastischen Workouts, Pilates und Yoga-Übungen fit.
„Gewichtsabnahme und Muskelaufbau können wirksame Bausteine sein, um das Gelenk zu stabilisieren und zu schützen.“
Dr. Thorsten Gehrke
Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Orthopädie/Chirurgie in der Helios ENDO-Klinik Hamburg